Ein halbherziger Versuch: Der Finanz-Track der G20

Analyse

Mit drei aufeinanderfolgenden Präsidenten aus Ländern mit mittlerem Einkommen, die den Vorsitz der G20 innehaben oder designiert sind, wird erwartet, dass der Finanz-Track der G20 als Forum dient, um den Dialog über Schuldengerechtigkeit und Klimafinanzierung voranzutreiben. Doch der Fortschritt könnte langsam und begrenzt ausfallen.

Kollage US-Flagge, Sollar und Person

In Zeiten geopolitischer Unsicherheit gewinnen bevölkerungsreiche Schwellenländer an Einfluss. Der G20-Vorsitz liegt aktuell bei drei Ländern mit mittlerem Einkommen, die den Anliegen der ärmsten Länder Gehör verschaffen könnten: erst Indonesien, dann Indien im Jahr 2023, gefolgt von Brasilien 2024. Die unverbindlichen G20-Diskussionen finden oft keinen Konsens, nur im Finanz-Track sind Einigungen leichter zu erzielen. Anfang 2023 haben die G20-Finanzminister und -Zentralbankpräsidenten die Arbeitsgruppe „Internationale Finanzarchitektur“ aufgefordert, gemeinsam mit den multilateralen Entwicklungsbanken (MDBs) einen Reformfahrplan für die globale Schuldenlandschaft und einen fairen Umgang mit Niedrigeinkommensländern (LMICs) auszuarbeiten. Die Arbeitsgruppe „Nachhaltige Finanzen“ sollte einen analytischen Rahmen zur Finanzierung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) entwickeln.

Die Hauptsäulen des Finanz-Tracks der indischen G20 Präsidentschaft haben sich bereits in den letzten Jahren herausgebildet. Die erste Säule ist die Umstrukturierung von Auslandsschulden und Lösung von Schuldenkrisen in armen und gefährdeten Ländern. Aufgrund der COVID-Pandemie und dem Ukraine-Krieg schrumpften Deviseneinnahmen in vielen LMICs bei zugleich steigenden Devisenausgaben. Reserven brachen zusammen und viele Länder konnten ihre Auslandsschulden nicht mehr bedienen. Um dieses Problem anzugehen, startete die G20 im Mai 2020 die Initiative zur Aussetzung des Schuldendienstes (DSSI), die jedoch im Dezember 2021 auslief, da sie auf bilaterale Gläubiger beschränkt war, vielen LMICs nicht offenstand und nur vorübergehend Erleichterung bot. Außerdem war die Unterstützung an IWF-ähnliche Anpassungsprogramme geknüpft, mit strengen Sparmaßnahmen für die ohnehin stark belastete Bevölkerung. Dies veranlasste die Entscheidung im November 2020, den Gemeinsamen Rahmen für die Schuldenbehandlung (CFDT) zu erweitern, wobei das Prinzip der „vergleichbaren Behandlung“ und sogenannte „Haircuts“ zur Anwendung kommen sollten. Auch dieser, von Paris-Club-Gläubigern und dem IMF dominierte Rahmen erwies sich jedoch als Enttäuschung und wurde kaum in Anspruch genommen.

Bei der weltweiten Auslandsverschuldung beobachten wir drei wichtige Entwicklungen. Erstens ist der Anteil bilateraler Gläubiger an der Gesamtverschuldung der LMIC stark zurückgegangen, der Anteil Chinas jedoch stark gestiegen. Die MDBs beharren darauf, zum Schutz ihrer AAA-Ratings keinen Schuldenerlass anzubieten oder Haircuts akzeptieren zu können. Daher halten sie sich aus Umstrukturierungsprozessen für Altschulden heraus und wollen lediglich bei künftigen Programmen einen Beitrag leisten. Bilaterale Gläubiger tragen einen übermäßig großen Teil der Last und China ist eindeutig nicht bereit, hier übermäßige Verantwortung zu übernehmen, zumal die Bedingungen und Art der Umstrukturierung von dem vom Pariser Club dominierten IWF festgelegt werden, in dem China wenig Einfluss hat. Zweitens ist der Anteil privater Gläubiger an der gesamten Auslandsverschuldung der LMICs stark gestiegen. Ein Großteil davon wird auf privaten Anleihemärkten mit enormen Abschlägen gehandelt. Private Gläubiger sollten eigentlich bereit sein, ihre Verluste zu begrenzen, indem sie im Zuge einer Umschuldung kleinere Abschläge in Kauf nehmen. In der Praxis ist dies jedoch nicht der Fall. Es ist unwahrscheinlich, dass MDBs oder private Gläubiger nennenswerte Abschläge akzeptieren. Somit kommen die ursprünglichen Bids wieder bilateralen Gläubigern und damit auch unverhältnismäßig stark China zu. Es überrascht nicht, dass China diese Programme nicht als „vergleichbare Behandlung“ ansieht und sich nicht auf ein vom IWF gestaltetes Programm einlassen will.

So bleiben zwei Lösungen: Den IWF aus den Verhandlungen herausnehmen und „vergleichbare Behandlung“ umsetzen, was unwahrscheinlich ist, weil es den Interessen der Industrienationen, Bretton-Woods-Institutionen und privater Gläubiger zuwiderliefe. Die zweite Option wäre, Abstimmungsstruktur und Management des IWF gemäß den veränderten wirtschaftlichen und politischen Machtverhältnisse zu reformieren oder seine kontraproduktiven, sparbetonten „Anpassungsstrategien“ zu ändern. Reformbemühungen kommen allerdings aufgrund der bestehenden Abstimmungsstruktur und des darin verankerten Vetos der USA nicht voran. Der Fokus hat sich daher darauf verlagert, MDBs zur Bereitstellung zusätzlicher Mittel zu befähigen, insbesondere an bedürftige LMICs. Die indische G20-Präsidentschaft fordert weniger strenge, von Rating-Agenturen unabhängige Risikotoleranzmaßnahmen, eine Berücksichtigung von abrufbarem Kapital bei der Bewertung der Kapitaladäquanz, gestärktes Vertrauen in Finanzinnovationen und bessere Offenlegung von MDB-Daten und -Analysen.

Ein dringendes Handlungsfeld ist der Fluss der Klimafinanzierung aus emissionsstarken Industrieländern. Während selbst das bescheidene Versprechen einer Klimafinanzierung von 100 Mrd. USD pro Jahr bis 2020 nicht eingehalten wurde, ist der geschätzte Bedarf an Klimafinanzierung in die Höhe geschossen. Es ist offensichtlich ungerecht, von allen Ländern zu fordern, allein basierend auf ihren eigenen Ressourcen zum Kampf gegen den Klimawandel beizutragen. Laut Schätzungen der Internationalen Energieagentur müssen bis zu zwei Drittel künftiger Klimainvestitionen in Entwicklungsländer fließen, wozu es grenzüberschreitende Finanzströme braucht. Leider ist der Reformfahrplan der Weltbank nicht ehrgeizig genug. Sie verfolgt ihr aktuelles „Doppelziel „Beendigung extremer Armut und Steigerung des gemeinsamen Wohlstands“ bis 2030, indem sie im Kampf gegen Klimawandel und Pandemien auf Nachhaltigkeit und Resilienz sowie die Schaffung globaler öffentlicher Güter setzt. Es handelt sich hier offenbar um eine Neuauflage des „Trickle Down“-Ansatzes. Dies könnte nicht-konzessionäre Darlehen in arme Länder drängen, ihnen günstige IDA-Kredite und -Zuschüsse vorenthalten und einen Einheitsansatz begünstigen, der die oft außergewöhnlichen Umstände ärmerer Länder nicht berücksichtigt.

Dies beeinflusst auch die potenzielle Rolle der G20 unter der Troika der Schwellenländer Indonesien, Indien und Brasilien und ihren Präsidentschaften 2022 bis 2024. Als Länder mit mittlerem Einkommen stehen sie im Fokus multilateraler Institutionen wie der Weltbank, was ihre Rolle als Sprachrohr der ärmsten Länder in internationalen Foren schmälern könnte. Aktuell scheint es immerhin, dass sich die Diskussion von einer Überbetonung der Interessen der Industrienationen wegbewegt, hin zu Themen, die die Mehrheit der Ärmsten der Welt betreffen. Ob dies jedoch einen wirklichen Unterschied in der Politik ausmachen wird, bleibt abzuwarten.


Der Artikel ist in einer ausführlicheren englischen Version bereits hier erschienen: in.boell.org.

Gekürzt und übersetzt vom Englischen ins Deutsche durch Kerstin Trimble.