Griechenland nach der Wahl: Analysen und Einschätzungen

Gespräch

Die jüngsten Wahlen in Griechenland und der Sieg von Nea Dimokratia hat den Konservativen in Europa Rückenwind gegeben. Für die Opposition in Griechenland ist die Lage dramatisch. Die neue Regierung wird sie nicht unter Druck setzen können, denn dazu ist sie zu schwach.

Flagge Griechenland, etwas zerschlissen

Transkript eines Twitter Space mit Jan Philipp Albrecht, Vula Tsetsi und Michalis Goudis vom 27. Juni 2023.

Jan Philipp Albrecht: Ich begrüße Sie, begrüße Euch in diesem Twitter Space! Heute wollen wir über die Wahlen in Griechenland sprechen. Unsere beiden Redner sind, zum einen, Vula Tsetsi, Generalsekretärin der Europäischen Grünen im EU-Parlament und, zum anderen, Michalis Goudis, Journalist und Leiter des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Thessaloniki.

Konkret soll es um die Wahlen vom 25. Juni 2023 gehen, bei denen es sich gewissermaßen um eine Wiederholung der Wahlen vom Mai dieses Jahres handelte. Michalis, kannst Du uns kurz sagen, warum es zu diesen Wahlen kam – denn Nea Dimokratia, die Partei von Premierminister Kyriakos Mitsotakis, hatte die Wahlen im Mai ja klar gewonnen.

Michalis Goudis: Genau. Das muss man sich fragen, und eben das habe ich mich nach den Wahlen im Mai gefragt. Es gibt zwei Gründe: Zum einen hatte Nea Dimokratia die erklärte Absicht, allein zu regieren, das heißt mit einer absoluten Mehrheit und ohne auf einen Koalitionspartner angewiesen zu sein. So wollte man die angestrebten Reformen umsetzen – und außerdem wollte sowieso keine der progressiven Parteien mit Nea Dimokratia koalieren. Zum anderen war es bei dem einfachen Verhältniswahlrecht, das bei den Wahlen im Mai galt, für Nea Dimokratia quasi unmöglich, eine absolute Mehrheit zu erreichen – und das obgleich ihr Wahlsieg historische Ausmaße hatte – auf die Partei entfielen über 40 Prozent der Stimmen, während die zweitstärkste Partei, Syriza, nur auf 20 Prozent kam.

Das Wahlsystem bei den Wahlen im Mai war neu, und es war Jahrzehnte her, dass man zuletzt nach so einem System wählte. Entsprechend war es unmöglich, ohne Koalition eine Regierung zu bilden, und da eine Koalition nicht in Frage kam, musste erneut gewählt werden. Für die großen Parteien war das Ergebnis bei dieser zweiten Wahl sehr ähnlich, wie bei der vorhergegangenen, sieht man sich aber die Ergebnisse der kleinen Parteien an, ist das Ergebnis äußerst beunruhigend.

Jan Philipp Albrecht:
Darauf werden wir noch zu sprechen kommen. Zuerst einmal möchte ich Dich, Michalis, aber fragen, wie Du die Ergebnisse der Wahlen vom Sonntag interpretierst. Wie wird die neue Regierung Griechenlands aussehen?

Michalis Goudis: Die neue Regierung steht bereits und die erste Sitzung des Kabinetts ist für morgen anberaumt. Nea Dimokratia hat sich gut vorbereitet, denn nach den Wahlen im Mai, hat niemand bei dieser neuerlichen Wahl eine Überraschung erwartet. Programm, Personal – alles stand, und so kann man sofort loslegen. Neu ist die uneingeschränkte Vorherrschaft von Nea Dimokratia, und es ist das erste Mal, dass eine Partei in Griechenland so dominant ist. In der Neuzeit, das heißt, seit 1947, wurde das politische System Griechenlands stets von zwei oder mehr Kräften bestimmt, die miteinander um die Macht rangen.

Die zweite neue Entwicklung ist das Comeback der Rechtsextremen. Bei den jüngsten Wahlen haben drei Parteien aus diesem Spektrum zusammen 12 Prozent der Stimmen auf sich vereint – und das, obgleich man versucht hatte, die „Spartaner“ – das ist die Partei, die eng mit Chrysi Avgi, der „Goldenen Morgenröte“, verbandelt ist – zu verbieten.

Zu diesem Verbot kam es jedoch nicht, und Ilias Kasidiaris, der eine Gefängnisstrafe absitzt, gelang es, 241.000 Wähler für die rechtsextremen „Spartaner“ zu gewinnen. Aktuell sind drei Parteien der extremen Rechten im Parlament vertreten: Bei Elliniki Lysi („Griechische Lösung“) handelt es sich um Populisten, die Verschwörungstheorien verbreiten, die Partei Dimokratikó Patriotikó Kínima – Níki („Demokratische Patriotische Bewegung – Sieg“) tritt ein für sogenannte traditionelle Werte wie Nation und Religion (und wird von Teilen der Orthodoxen Kirche Griechenlands unterstützt), und schließlich sind da die „Spartaner“, die in der Tradition der „Goldenen Morgenröte“ stehen.

Schließlich ist noch von Bedeutung, dass das neue Parlament sehr chaotisch ist. In ihm sind Parteien mit einer Vielzahl von Positionen vertreten, wodurch jede ernsthafte Diskussion ebenso unmöglich sein wird, wie ein Konsens, der über das Programm der Mehrheitspartei hinausgeht. Neu ist auch, dass Syriza, als die stärkste Oppositionspartei, weniger als 50 Abgeordnete hat, was von Bedeutung ist, kann sie so doch eine Reihe wichtiger Aufgaben im Parlament nicht erfüllen. Beispielsweise kann Syriza nicht die Vertrauensfrage stellen, denn dafür sind 50 Mandate notwendig, auch für einen Vorschlag, die Verfassung zu ändern, braucht es 50 Stimmen, und selbst wenn Syriza sich mit anderen Parteien zusammentut, werden sie nicht in der Lage sein, die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zu erzwingen, denn dafür sind 120 Stimmen erforderlich.

Jan Philipp Albrecht:
An dieser Stelle möchte ich noch einmal Vula Tsetsi begrüßen. Vula, wie bewertest Du, als die Generalsekretärin der Europäischen Grünen im EU-Parlament, aus europäischer Sicht die Lage in Griechenland nach den Wahlen? Was werden die Folgen für die EU sein?

Vula Tsetsi:
Für Griechenland ist das, denke ich, der Beginn einer dunklen Zeit. Kyriakos Mitsotakis hat eine Mehrheit gewonnen, da es ihm gelang, viele davon zu überzeugen, dass er das Land stabilisieren, die Wirtschaft stärken und, was die Außenpolitik angeht, die Grenzen sichern kann – und wir wissen alle, was das im Hinblick auf Migration bedeutet.

Gleichzeitig stehen einige Freiheitsrechte und Grundrechte auf der Kippe. Wir haben alle von den Skandalen der letzten Monate und Jahre gehört – in Sonderheit, was den Umgang mit Migranten betrifft. Hinzu kommen die immer stärkere Monopolisierung der Medien, die geringe Wahlbeteiligung von nur 52 Prozent und die Zugewinne der Rechtsextremen – alles Anlass zu großer Sorge. Noch mehr Sorge macht aber, dass viele junge Menschen für die Parteien außen rechts gestimmt haben – in der Altersgruppe der 18- bis 34-jährigen waren es um die 20 Prozent. Das macht Angst, sind dies doch die Wähler der Zukunft, und da müssen wir unbedingt etwas tun, um diesen jungen Menschen zu zeigen, dass die Rechtsextremen nicht die Lösung sind.

All das passt natürlich sehr gut zu der Strategie von Manfred Weber, dem Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament, versucht er doch, vermehrt Bündnisse zwischen unterschiedlichen konservativen Parteien, aber auch mit Parteien der äußersten Rechten zu schließen. Wir haben das in Italien mit Giorgia Meloni gesehen, der Vorsitzenden der Partei Europäische Konservative und Reformer (EKR). Hier haben die europäischen Konservativen einen gefährlichen Kurs eingeschlagen, liebäugeln sie doch mit dem äußersten rechten Lager und versuchen, die politische Landschaft umzugestalten.

Wir müssen genau verfolgen, was nächsten Monat bei den Wahlen in Spanien geschieht, sind die spanischen Christdemokraten doch gewillt, zusammen mit Vox zu regieren. Bei Vox handelt es sich nicht nur um eine rechtsextreme Partei, Vox lehnt den Rechtsstaat ab, Frauenrechte, das Recht auf Abtreibung und LGBTQ-Rechte.

Jan Philipp Albrecht: 
Wie wird sich Griechenlands Verhältnis zur EU entwickeln? Wird die griechische Regierung ihren Kurs ändern? Und wie, meinst Du, wird sich die Europäische Kommission verhalten?

Vula Tsetsi: Die Entwicklungen in Griechenland werden, denke ich, die Erzählungen der Konservativen und Rechten weiter stärken, soll heißen, ihre Message: Wir brauchen mehr Sicherheit und Stabilität sowie weniger Zuwanderung und sichere Außengrenzen.

Wichtig ist hier auch der Ausgang der jüngsten Wahlen in der Türkei sowie die allgemeine geopolitische Lage, denn beides hat Griechenlands internationale Bedeutung stark aufgewertet. Die Region braucht ein gewisses Maß an, nennen wir es, „Stabilität“ – auch wenn es nicht das ist, was wir unter Stabilität verstehen. Hinzu kommt, die US-Regierung unterstützt diesen Kurs, denn sie will einen zuverlässigen Ansprechpartner in der Region haben.

Ich denke, wir müssen hier gemeinsam mit anderen progressiven Kräften handeln – mit Sozialdemokraten, Liberalen und der Linken –, und wir müssen Druck auf die Europäische Kommission ausüben und verlangen, dass sie die Entwicklungen in Griechenland genau beobachtet. Dabei muss das Augenmerk vor allem den Grundrechten und der Rechtsstaatlichkeit gelten – und das ist keine so leichte Aufgabe! In Griechenland wurden viele Politiker und Journalisten bespitzelt – ohne dass Mitsotakis dafür büßen musste –, das ist erstaunlich. Viele Menschen in Griechenland scheinen diesen Skandal einfach abgetan zu haben. Dann hatten wir gerade erst das furchtbare Schiffsunglück im Mittelmeer, bei dem viele Migranten ums Leben kamen … aber die EU, die Europäische Kommission und ihre Einrichtungen scheinen dazu zu schweigen.

Wir, als Fraktion im EU-Parlament, müssen erwägen, ob wir, gemeinsam mit anderen Fraktionen, eine offizielle Untersuchung der Vorfälle an diesem verhängnisvollen 14.Juni 2023 verlangen. In Sachen Migration muss sich die Europäische Kommission viel ehrgeizigere Ziele stecken. Was wir brauchen, sind europäische Such- und Rettungseinsätze. Wir begrüßen es, dass, in diesem besonderen Fall, Frontex endlich einmal eine Untersuchung der Vorfälle eingeleitet hat.

Ich bin mir nicht sicher, ob die neue griechische Regierung eher die politische Mitte ansteuert, oder ob sie sich auf den rechten Rand zubewegen wird. Wir müssen das genau beobachten. Und das gilt auch für die Europäische Kommission und für Ursula von der Leyen, nicht zuletzt da sie, so die Gerüchteküche, für eine zweite Amtsperiode antreten will.

Jan Philipp Albrecht:
Michalis, wie bewertest Du die derzeitige Lage der politischen Opposition in Griechenland? Kann sie sich neu sortieren? Und welche Rolle können grüne Gruppen und die Grüne Partei spielen?

Michalis Goudis:
Das sind zwei ganz unterschiedliche Aspekte. Syriza scheint sich in freiem Fall zu befinden – und einige in der Partei kritisieren inzwischen offen Alexis Tsipras (immerhin hat er sechs Wahlen in Folge verloren – und weitere Wahlen stehen an, im Oktober auf kommunaler und regionaler Ebene). Es kann also gut sein, dass Syriza die Rolle als größte Oppositionspartei verliert.

Die Sozialdemokraten von PASOK haben sich etwas erholt, jedoch nicht so sehr, wie man das erwartet hatte. Es ist also nicht sehr wahrscheinlich, dass PASOK eine starke Oppositionspartei und eine Kraft für mehr Demokratie werden kann.

Um die griechischen Grünen ist es schlecht bestellt – die Partei ist sehr schwach. Die meisten Gruppen sind bei den letzten Wahlen als Bündnis angetreten unter dem Namen „Grün und Lila“ (Prasino+Mov), und dieses Bündnis hat gerade einmal um die 0,7 bis 1 Prozent auf sich vereint – das entspricht 37.000 Stimmen.

Die griechischen Grünen haben eine Chance ausgelassen. Sie wollten bereits bei den Wahlen im Mai antreten, haben das aber verbummelt und wurden nicht zugelassen. Das hat ihrem Ansehen geschadet. Sowohl bei den Wahlen im Mai wie auch im Juni, haben sich viele Wähler erst in letzter Minute entschieden; viele waren ganz unentschlossen. Hätten sich die Grünen besser auf die Wahlen vorbereitet, die Chance, um einiges besser abzuschneiden, wäre dagewesen. Hinzu kommt, dass es dieses Mal viele Erstwähler gab … und die Grünen haben es versäumt, das zu nutzen.

Das größte Hemmnis für die griechischen Grünen ist, dass sie immer noch als Partei mit nur einem Programmpunkt wahrgenommen werden, nämlich als eine Umweltpartei, die zu Wirtschaft oder Arbeitslosigkeit nichts zu sagen hat.
In Meinungsumfragen, geben gar nicht so wenige Leute an, sie könnten sich vorstellen, die Grünen auf kommunaler oder regionaler Ebene zu wählen. Auf europäischer Ebene sagen das schon weniger, und bei landesweiten Wahlen sind es gerade einmal zwei Prozent, die sich das vorstellen können. Die Grünen werden es also nicht leicht haben. Ein Chance bietet sich bei den anstehenden Kommunal- und Regionalwahlen im Oktober 2023, denn dort können die Grünen praktische Vorschläge machen und Dinge thematisieren, die die Menschen unmittelbar betreffen.

Jan Philipp Albrecht:
Wie sieht das Programm der neuen Regierung aus? Gibt es Themen, zu denen sich die Opposition, die Grünen eingeschlossen, profilieren kann?

Michalis Goudis:
Die Regierung hat heute ihre wichtigsten Reformvorhaben vorgestellt. Ganz oben stehen dabei die Reform des Gesundheitswesens, der Justiz und der Art und Weise, in der staatliche Bedienstete eingestellt und befördert werden. Was die Außenpolitik betrifft, sollen bei dem kommenden NATO-Gipfel eine Reihe von Gesprächen stattfinden.
Grüne und progressive Kräfte können sich bei mehreren Themen profilieren – beispielsweise in der Energiepolitik und bei der Energiewende. Schon seit einigen Jahren soll der griechische Energiesektor umgestaltet werden, doch wegen der Energiekrise wurden die meisten Vorhaben auf Eis gelegt, und bei den Maßnahmen, die umgesetzt wurden, geschah das ganz von oben herab, was vielen Menschen Angst, was viele wütend macht. Die griechischen Energiemärkte müssen auf jeden Fall besser gesteuert werden.

Als einziger Mitgliedsstaat der EU handelt Griechenland seine Energie zu hundert Prozent auf dem Effektivmarkt – und: Im EU-Vergleich leidet Griechenland an der höchsten Energiearmut. Damit zusammen hängt die tiefe Kluft zwischen Land- und Stadtbevölkerung. Viele Teile Griechenlands leiden an Landflucht. Griechenland ist ausgesprochen stark zentralisiert, soll heißen, alles konzentriert sich auf Athen. Dadurch ist es sehr schwierig, die Lebensbedingungen selbst in kleineren Städten zu verbessern – vom Land ganz zu schweigen. Die Ungleichheit ist gewaltig, und dazu gehört auch der Umgang mit Ressourcen und die Verfügbarkeit von Infrastruktur und Dienstleistungen.

Das tragische Zugunglück von Tempi hat gezeigt wie schlecht es um die griechische Eisenbahn bestellt ist. Hinzu kommt, große Teile des Landes, vor allem im Norden und Osten, sind ohne Schienenanschluss. Dann hat Griechenland die im EU-Vergleich höchste Jugendarbeitslosigkeit, und die Abwanderung von Fachkräften ist, obgleich nicht mehr so hoch wie im vorigen Jahrzehnt, doch immer noch erheblich. Schließlich sind da die hohen Lebenshaltungskosten und der Mangel an günstigem Wohnraum. Bei all diesen Punkten haben die Grünen reichlich Gelegenheit, zu zeigen, dass sie es besser machen können.

Jan Philipp Albrecht: 
Hier möchte ich bei Vula nachhaken. Wie siehst Du die Probleme, die Michalis angesprochen hat? Gibt es weitere Punkte, die die Grünen aus europäischer Perspektive angehen sollten? Heute, da die Konservativen sicherheitspolitisch eine harte Linie verfolgen, dürfte das ja besonders schwierig sein. Was also muss geschehen im Vorfeld der Europawahlen im nächsten Jahr?

Vula Tsetsi:
Zuerst möchte ich etwas sagen zum Zustand der griechischen Grünen und ihrem schlechten Wahlergebnis. Ich will das ganz unverblümt auf den Punkt bringen: Das größte Manko der Grünen in Griechenland ist, dass sie tief gespalten sind und einzelne ihr persönliches Ding durchziehen. Wir Grünen müssen aber gemeinsam handeln, ansonsten können wir nichts erreichen. Die letzten Wahlen haben gezeigt, in der EU ist Griechenland der einzige Staat ohne relevante grüne Partei. Die Strukturen der griechischen Grünen sind sehr schwach – und dieses Manko lässt sich nicht in Brüssel lösen, nicht im Europaparlament. Wir haben viel versucht … aber was wirklich Not tut, sind neue Leute, eine neue Dynamik, neue Ideen und eine neue Führungsriege. An guten Vorschlägen für politische Maßnahmen hat es den Grünen nicht gemangelt. Das Problem liegt anderswo.

Um auf Deine Frage zurückzukommen: Ein großes Problem in Griechenland sind die vielen faulen Kredite. Was heißt das? – Viele Menschen haben Kredite aufgenommen und können diese nicht zurückzahlen. Die Banken versuchen nun, die Häuser der Leute zu pfänden, und in Griechenland drohen so, Tausende ihr Heim zu verlieren – alles zu verlieren. Dieses Thema könnte für die neue Regierung zur Belastungsprobe werden, muss sie doch darauf achten, dass die Banken nicht doppelt profitieren – einmal von den Finanzhilfen, die sie während der Krise erhielten, und dann ein zweites Mal, indem sie das Eigentum von Schuldnern pfänden.

Aus grüner Sicht ist es wichtig, denke ich, dass wir uns um Umweltthemen kümmern, beispielsweise die Förderung von Öl im Mittelmeer, die für gewaltige Probleme sorgen kann, und das gilt auch für fehlende Regeln für die Bewirtschaftung von Land sowie die Förderung von nachhaltigem Verkehr und Tourismus.

Es wird ausgesprochen wichtig sein, dass wir bei der Europäischen Kommission Druck machen, damit sie solche Dinge genau beobachtet. Dazu gehören auch Anstrengungen, Städte und Gemeinden an Entscheidungen zu beteiligen. Denn aus den Wiederaufbaufonds der EU wird sehr viel Geld verteilt, doch geht dies sehr oft an die Landesregierungen. Hier wird die nächste Europäische Kommission gegensteuern müssen, denn besser wäre es, mit kommunalen und regionalen Verwaltungen zu arbeiten sowie mit Betroffenen und der Zivilgesellschaft. Wir, im Europäischen Parlament, müssen dafür sorgen, dass regionale und kommunale Gremien und Einrichtungen stärker in Nachhaltigkeitsprojekte einbezogen werden – in Projekte, die den Alltag der Menschen prägen, und dass solche Mittel nicht an Konzerne gehen und an Landesregierungen und ihre Amigos.

Außerdem müssen wir eng dran sein an den Debatten über den Stabilitäts- und Wachstumspakt, denn der ist für viele Menschen ein Problem. Die Leute in Griechenland, Spanien, Portugal wissen genau, was gemeint ist, wenn die Rede ist vom „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ – nämlich Austerität, das heißt, Sparpolitik – und das brauchen sie so dringend wie ein Loch im Kopf. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt muss überarbeitet werden. Er darf nicht allein auf die Wirtschaft zielen, auch Gesundheitswesen und eine gerechte Energiewende müssen Teil davon sein.

Jan Philipp Albrecht:
Vielen Dank Vula und vielen Dank, Michalis! Ich fasse zusammen:
Die jüngsten Wahlen in Griechenland und der überwältigende Sieg von Nea Dimokratia hat den Konservativen in Europa Rückenwind gegeben. Und nicht nur das, sie scheinen verstärkt ihre Fühler auszustrecken nach Populisten am rechten Rand des politischen Spektrums. Für die Opposition in Griechenland ist die Lage dramatisch. Die neue Regierung wird sie nicht unter Druck setzen können, denn dazu ist sie zu schwach – was umso gravierender ist, als es große Probleme und Skandale gibt, wie die Abhöraffäre sowie das Schiffsunglück, an dem die Seeverkehrsbehörde möglicherweise eine Mitschuld trägt.

Migration ist ein sehr gewichtiges Thema, das in der europäischen Politik und vor allem für die Konservativen in der EU eine große Rolle spielt, benutzen sie es doch, um ihre Art von Sicherheitspolitik zu stärken. Zwar geht die Opposition in Griechenland schweren Zeiten entgegen, aber es gibt auch Grund zur Hoffnung, denn für viele Probleme hat die griechische Regierung keine Lösung parat. Es bleibt zu hoffen, dass die griechischen Grünen zusammenfinden und in Zukunft mit einer Stimme sprechen.

In einem Jahr finden Europawahlen statt. Mit diesem wichtigen Thema werden wir uns in den kommenden Monaten immer wieder beschäftigen. Ich hoffe, die Analysen von Michalis Goudis und von Vula Tsetsi, der Generalsekretärin der Europäischen Grünen im EU-Parlament, haben Ihnen, haben Euch geholfen, die aktuelle Lage besser nachzuvollziehen und zu begreifen, vor welchen Herausforderungen wir stehen.

Für die Teilnahme und das Zuhören vielen Dank!