Gender und der Klimawandel: Eindrücke aus Südostasien

Analyse

Die meisten Regionen der Welt sind in unterschiedlichen Ausmaß vom Klimawandel betroffen. Auch die südostasiatischen Länder bilden da keine Ausnahme. Verschieden Gruppen sind unterschiedlich vom Klimawandel betroffen: auf die verschiedenen Geschlechter wirken sich die Auswirkungen des Klimawandels besonders unverhältnismäßig aus. Umso wichtiger ist es, dass die Länder in Südostasien ihre aufeinander abgestimmten Klimamaßnahmen weiter ausbauen, um die notwendige geschlechtsspezifische Transformation umzusetzen. Denn nur so können Frauen widerstandsfähiger gegenüber den Risiken des Klimawandels werden können.

Arbeiter bei der Reisernte
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Frauen arbeiten auf einem Salzfeld in der Provinz Khanh Hoa in Vietnam.

Der Klimawandel ist wahrscheinlich eine der zerstörerischsten Umweltprobleme, mit denen die Menschheit derzeit konfrontiert ist. Dafür sprechen die weitreichenden Auswirkungen des Klimawandels, die Schwere seiner Folgen und die unermesslichen Kosten, die erforderlich sind, um die Zerstörung zu verlangsamen oder gar zu stoppen. Unter anderem hat der Weltklimarat (IPCC) die Auswirkungen des globalen Klimawandels umfassend dokumentiert und veröffentlicht, und mögliche negative Effekte auf verschiedene Lebensbereiche vorausgesagt, einschließlich der Nahrungsmittel- und Wassersicherheit, der menschlichen Gesundheit, der Infrastruktur, der Wälder, der Meeresressourcen, des Tourismus und der Kultur.[1][2]

In der Region Südostasien zeigt sich der Klimawandel anhand der sich ändernden saisonalen Niederschläge und an der Zunahme klimabedingter Extremereignisse, insbesondere in den nördlichen Teilen.[3] Angesichts der Vulnerabilität südostasiatischer Gesellschaften gegenüber Umweltveränderungen und ihrer Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen für den täglichen Bedarf hat der Klimawandel die sozioökonomische Notlage der Menschen in Südostasien zweifellos verstärkt. Dazu zählt die Bedrohung, die der Klimawandel auf die wirtschaftliche Stabilität und den Lebensunterhalt der Menschen in der Region darstellt, da der Zugang zu Natur- und Wasserressourcen nach extremen Wetterereignissen nur eingeschränkt möglich ist.  

Auswirkungen von Wirbelstürmen auf das Ökosystem und die Infrastruktur auf der Insel Pramuka, einer 16 ha großen Insel im Archipel Kepulauan Seribu (Tausend Inseln) der Javasee, nördlich von Jakarta.

Der Klimawandel und seine ungleichen Auswirkungen auf die Geschlechter

Die geschlechtsspezifischen Auswirkungen des Klimawandels sind in zahlreichen Studien belegt und von der internationalen Gemeinschaft anerkannt. Demnach wird argumentiert, dass das Geschlecht für die Erfahrung des Klimawandels innerhalb der Gesellschaft eine ausschlaggebende Rolle spielt. Außerdem geht man davon aus, dass die gesellschaftlich zugeschriebenen Geschlechterrollen Einfluss darauf haben, wie unterschiedlich Frauen und Männer auf den Klimawandel reagieren und sich an ihn anpassen.[3][4]

In südostasiatischen Ländern gibt es, wie in vielen anderen Regionen auch, unterschiedliche Geschlechterrollen und gesellschaftliche Erwartungen an Männer und Frauen. Beispielsweise sind 56 % der Frauen in Südostasien erwerbstätig (davon arbeiten 67 % im informellen Sektor), im Vergleich zu 79 % der Männer. Diese Zahl kann den Stellenwert des Mannes als Ernährer der Familie verdeutlichen, während von der Frau höchstens ein zusätzliches Einkommen erwartet wird.

In Südostasien gibt es auf allen Ebenen der Gesellschaft unterschiedliche Erwartungen an Frauen und ihre wirtschaftliche Beteiligung. In der Demokratischen Volksrepublik Laos stellen Frauen z.B. 64 % der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte; in Vietnam und Kambodscha sind es 39 % bzw. 34 %. Diese Zahlen verdeutlichen, dass sich die veränderten Wettermuster und die Zunahme und Intensität klimabedingter Katastrophen wie Dürren und Überschwemmungen ungleich auf das Leben von Frauen und Männern auswirken werden.[5] 

Eine Bäuerinauf arbeitet auf einem Reisfeld in Zentral-Java, Indonesien.

Indonesien ist als größter Inselstaat der Region nicht von den Risiken des Klimawandels ausgenommen, insbesondere seine kleineren, für Naturkatastrophen anfälligeren Inseln.[6] In Indonesien wird von Frauen erwartet, dass sie gleichermaßen häusliche, reproduktive, wirtschaftliche und soziale Aufgaben erfüllen - 42 % der Frauen sind im formellen oder informellen Arbeitssektor tätig. Aber lediglich ein Prozent der Männer unterstützen ihre Frauen in ihrer reproduktiven Rolle, wodurch Frauen durch Arbeit stärker belastet sind als Männer.[7]

Im ländlichen Raum Indonesiens sind Frauen in der Regel für die Beschaffung von Wasser zum Kochen, Waschen und Trinken verantwortlich und müssen sich gleichzeitig um die Kinder kümmern. Diese offensichtlich unausgewogene Arbeitsverteilung zwischen Frauen und Männern wird sich im Laufe der Klimaveränderung und dessen Folgen wie Wasserknappheit und Dürre, nachteilig auf Frauen auswirken, da der Zeitaufwand und die körperliche Belastung beim Wasserholen steigen werden. Diese Umstände setzen Frauen außerdem oft unter Druck, ihre anderweitigen Tätigkeiten wie entlohnte Arbeit, ihre Bildung und Freizeit aufzugeben.

Trotz der unbestreitbaren Unterschiede zwischen den soziokulturellen und geschlechtsspezifischen Gegebenheiten der einzelnen südostasiatischen Länder kann man von einigen Gemeinsamkeiten ausgehen. Generell ist anzunehmen, dass Frauen in Südostasien im Vergleich zu Männern bei der Umweltnutzung deutlich benachteiligt sind (weniger Zugang zu Umweltressourcen) haben als Männer. Hinzu kommt, dass Frauen von den natürlichen Ressourcen und umweltpolitischen Entscheidungsprozessen weitgehend ausgeschlossen sind.

Kindererziehung und den Lebensunterhalt verdienen müssen balinesische Frauen gleichzeitig bewältigen.

Transformation und regionale Zusammenarbeit ermöglichen

Angesichts der Bedeutung, die das Geschlecht für die Erfahrung von Klimakatastrophen in Südostasien hat, sollte die Region ihre gemeinschaftlichen Klimamaßnahmen weiter ausbauen, um einer notwendigen Transformation im/des Geschlechterverhältnis(ses) gerecht zu werden, durch die Frauen widerstandsfähiger gegenüber den Risiken des Klimawandels werden können.

 Es ist auch wichtig, dass die Region solche Vorhaben vorantreibt, die transformative Veränderungen im Bereich der Anpassung an den Klimawandel und der Gleichstellung der Geschlechter zum Ziel haben, die sektorübergreifend und multidimensional sind sowie einen ganzheitlichen Ansatz anstreben.[8] Dies könnte die Ausarbeitung einer kritischen Gender-Analyse auf regionaler Ebene umfassen, die sich mit dem Einfluss von Gender auf die Erfahrungen der Menschen mit dem Klimawandel beschäftigt, um Vertreter*innen einer transformativen Klimaanpassung innerhalb marginalisierter Gruppen zu aktivieren.

 Somit könnten die Länder der Region ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit Best-Practices im Hinblick auf Initiativen zu Gender und Klimawandel untereinander austauschen. Es wäre wünschenswert, wenn diese Initiativen die regionale Zusammenarbeit im Bereich Gender und Klimawandel in Südostasien insgesamt stärken würden.

Etliche Länder in Südostasien leiden unter dem Klimawandel.

In Anbetracht der Anfälligkeit der südostasiatischen Länder für den Klimawandel und der ungleichen Auswirkungen der Klimakatastrophe auf die Geschlechter, ist eine Verstärkung der regionalen Zusammenarbeit im Bereich Gender und Klimawandel unerlässlich. Vor allem in der gegenwärtigen Situation, in der die Länder mit dem Wiederaufbau von Wirtschaft und Wohlstand nach der COVID-19-Krise beschäftigt sind, von der Frauen und Männer auch unterschiedlich betroffen waren, ist dies besonders wichtig.

Daher ist eine gründliche Gender-Analyse der Auswirkungen des Klimawandels auf die südostasiatischen Gesellschaften zentral, um umfassende Anpassungsmaßnahmen zu entwickeln, die eine positive Transformation im Genderverhältnis erleichtern und eine Brücke zwischen der Bekämpfung des Klimawandels, der Verpflichtung zur Gleichstellung der Geschlechter und der Erholung von der COVID-19-Pandemie schlagen. Wenn Maßnahmen zur Klimaanpassung die geschlechtsspezifischen Auswirkungen des Klimawandels ausklammern, wird die Klimaanpassung soziale Ungleichheiten eher noch verschärfen, fehlgeleitete Maßnahmen befördern und die Anfälligkeit der Menschen auf den Klimawandel erhöhen.[9]

Referenzen

[1] Paty Romero-Lankao et al., “North America,” in Climate Change 2014: Impacts, Adaptation, and Vulnerability. Part B: Regional Aspects. Contribution of Working Group II to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, eds. VR Barros et al. (Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA, Cambridge University Press, 2014), 1439–1498.

[2] RS Kovats et al., “Europe,” in Climate Change 2014: Impacts, Adaptation, and Vulnerability. Part B: Regional Aspects. Contribution of Working Group II to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, eds. VR Barros et al. (Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA, Cambridge University Press, 2014), 1267–1326.

[3] AR Tickamyer, S Kusujiarti & EJ Wornell, “Gender justice, climate change, and sustainable development in Indonesia,” in Globalization, development and security in Asia, eds. Z Zhu et al. ( Singapore, World Scientific Publishing Company, 2014) pp. 67–91).

[4] S MacGregor, “A stranger silence still: The need for feminist social research on climate change,” in The Sociological Review57(2 suppl), 2009: 124–140.

[5] V Nelson et al., “Uncertain predictions, invisible impacts, and the need to mainstream gender in climate change adaptations,” in Gender & Development, 10(2), 2002: 51–59.

[6] MA Wirawan, “Public health responses to climate change health impacts in Indonesia” in Asia Pacific Journal of Public Health, 22(1), 2010: 25–31.

[7] AVS Hubeis, Pemberdayaan perempuan dari masa ke masa (IPB Press, 2011).

[8] BP Resurrección et al., Gender-transformative climate change adaptation: advancing social equity. Paper commissioned by the Global Commission on Adaptation (GCA), 2019.

[9] S Juhola, “Redefining Maladaptation” in Environmental Science & Policy 55(1), 2016: 135–40.