Wird Kanadas Spagat zwischen Klima-Vision und Kohlenstoff-Pragmatismus fortgesetzt?

Analyse

In den anstehenden kanadischen Bundeswahlen am 21. Oktober ist der Klimawandel für die Wähler/innen eines der wichtigsten Themen. Mehr als 400 kanadische Gemeinden haben in den letzten sechs Monaten den Klimanotstand ausgerufen, gefolgt vom kanadischen Parlament Mitte Juni.

March to Stop Trans Mountain Oil Pipeline, August 25, 2018

Die wissenschaftliche Debatte über den Unterschied zwischen 1.5 und 2 Grad Erderwärmung kann im hohen Norden des nordamerikanischen Kontinents bereits in einer Art gigantischer Laborstudie observiert werden. Die Wissenschaftler und Datenerhebungen lassen keinen Zweifel: bereits heute sind weite Teile Kanadas im Schnitt rund 2 Grad wärmer als noch vor über 100 Jahren – und im schlimmsten Szenario sind bis zum Ende des 21. Jahrhunderts vor allem in den Polarregionen Kanadas permanente Temperaturanstiege von 5 bis 7 Grad denkbar. Kanada erwärmt sich unumkehrbar und doppelt so schnell wie der Rest der Welt. Mehr als 400 kanadische Gemeinden haben in den letzten sechs Monaten den Klimanotstand ausgerufen, gefolgt vom kanadischen Parlament Mitte Juni.  

Kein Wunder also, dass in den anstehenden kanadischen Bundeswahlen am 21. Oktober laut einer neueren Umfrage Klimawandel für die Wähler/innen eines der drei wichtigsten Themen überhaupt (nach der Wirtschaft und dem Gesundsheitssystem), und die größte Umweltsorge schlechthin (mit weitem Abstand vor Umweltverschmutzung und Naturschutz) ist. Dementsprechend kann es sich auch keine(r) der vier aussichtsreichsten Kandidat/innen für das Amt des kanadischen Premier erlauben, ohne einen umfassenden Klimaplan in den Wahlkampf zu ziehen, auch wenn sie sich in wesentlichen Elementen zu Umfang, Ansatz und Kosten der Emissionsreduzierungsbemühungen deutlich unterscheiden.  
Besonders für die Regierungspartei der Liberalen unter Premierminister Justin Trudeau als Partei der Mitte bedeutet dies auch nach vier Jahren an der Macht einen fortwährenden Spagat zwischen Klima-Vision und international vertretenen Mitführungsanspruch in der Klimadebatte und heimischen Kohlenstoff-Pragmatismus, der auf Wählbarkeits-Berechnungen für eine zweite Amtsperiode Trudeaus basiert. Denn die nationale Debatte zur richtigen Balance zwischen Emissionsreduzierung und der Zukunft von Kanadas Wirtschaft, die von den massiven Öl- und Gasvorhaben des Landes und deren weiterer Ausbeutung abhängig ist, ist hochpolarisiert. Trudeaus Liberale sehen sich in den wenigen verbliebenden Wochen des Wahlkampfs in Sachen Klimaschutz den schärfer werdenden Anfeindungen der Konservativen unter Andrew Scheer von rechts, denen die gegenwärtigen Klima-Aktionen der Regierung zu weit gehen, sowie denen von New Democrats unter Jagmeet Singh und den kanadischen Grünen um Elizabeth May aus dem progressiveren linken Lager ausgesetzt, für die Trudeaus Klimapolitik nicht ambitioniert genug ist.  

Kanadischer Klima-Neuanfang unter Trudeau?

Als Amtsinhaber Justin Trudeau am Vorabend des Pariser Klimaabkommens im Herbst 2015 die letzte Wahl überraschend deutlich gegen seinen konservativen Vorgänger Stephen Harper gewann – den Stephen Harper, der Kanada 2011 aus dem Kioto-Protokoll austreten liess und dessen Klimadiplomaten in internationalen Klimaverhandlungen in den Jahren zuvor vor allem als Blockierer ambitionierter globaler Klimaziele auftraten – waren die Erwartungen an eine deutliche Kehrtwende in der kanadischen Klimapolitik sowohl auf dem internationalen Parcours als auch zuhause groß. Vier Jahre später fällt die Bilanz Trudeaus und der liberalen Regierungspartei sehr gemischt aus.

Das kanadische Versprechen für Paris, Kanadas Treibhausgasemissionen bis 2030 um 30 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken, mit dem im Vorfeld des Abkommens noch-Premier Harper angetreten war, wurde vom neuen Amtsinhaber Trudeau nur übernommen, aber nicht gestärkt. Diese Ziele sind nach Ansicht des kanadischen Klimaaktionsnetzwerkes von Umweltnichtregierungsorganisationen (CAN Canada) und des internationalen Klima-Think Tanks Climate Action Tracker völlig ungenügend. Laut CAN Canada müsste Kanada seine Klimaambitionen verdoppeln und um 60 Prozent unter 2005 Niveau bis 2030 reduzieren, um auch nur annähernd den fairen Anteil des Landes zur Bekämpfung des globalen Klimawandels zu leisten, zu dem Kanada mit 1,6 Prozent aller globalen Emissionen beiträgt.  Da reicht es auch nicht, dass Kanadas Umweltministerin Catherine McKenna bei der letzten internationalen Klimakonferenz COP 24 in Katowitz, Polen, versprochen hatte, Kanada wolle seine Paris-Zusage bis 2019 weiter erhöhen (ohne allerdings Details zu nennen). Denn es ist derzeit bereits klar, dass Kanada nicht einmal seine bescheideneren ursprünglichen Pariser Versprechungen bis 2030 erfüllen kann – da klafft mit 79 Millionen Tonnen schon jetzt ein gigantisches Loch zwischen Rhetorik und Realität.  Und das könnte noch grösser werden, wenn das Land keine entschlossene Klimakehrtwende einleitet, dies sich nicht nur auf wachsende Energieeffizienz fokussiert (wie die sinkende Nachfrage der kanadischen Haushalte und die kanadischen Energienetze, die weltweit zu den effizientesten Energienetze gehören), sondern vor allem die heimische dreckige Energieproduktion (die Frage des kanadischen Angebots) in das Zentrum allen Klimahandelns rückt. 

Kanada auf Platz 10 der Liste der welt-gröβten Klimaverschmutzer

Derzeit steht Kanada auf Platz 10 der Liste der welt-größten Treibhausgasverschmutzer von fossilen Brennstoffen, aber im Pro-Kopf-Ausstoß von CO2 mit 15,6 Metriktonnen global schon an vierter Stelle nach Saudi-Arabien, Australien und den USA. Seit 1992 wuchsen die kanadischen CO2-Emissionen von fossilen Brennstoffen um 22,2 Prozent,  Tendenz weiter steigend, während der Anstieg  bei anderen globalen Grossverschmutzern im G7-Club der reichsten Industrienationen wie den USA (mit 1,8 Prozent) und Japan (mit 2,4 Prozent) zumindest deutlich gebremst, oder sogar wie bei Grossbritannien (-35,2 Prozent), Italien (-19,1 Prozent), Frankreich (-17,9 Prozent) und Deutschland (-17,3 Prozent) im gleichen Zeitraum in Reduktionen umgekehrt werden konnte.

Zugegeben, Kanada ist riesig, hat mit nur 36,7 Millionen Einwohnern eine geringe Bevölkerungsdichte und extreme Temperaturen, vor allem eiskalte, lange Winter. Aber Geografie und energie-intensiver Lebenstil sind nicht die alleinigen Schuldigen.

Es ist Kanadas Status als mittlerweile weltweit viertgrößter Produzent von fossilen Brennstoffen hinter den USA, Russland und Iran, der die internationale Klimabilanz des Landes so miserabel – und seine Verpflichtung gegenüber der Welt so enorm – macht. Die Produktion von Öl und Gas ist bereits jetzt die größte und am schnellsten wachsende Quelle kanadischer Treibhausemissionen. Und auch unter Justin Trudeau ist dem Ausbau der fossilen Brennstoff-Industrie und der damit verbundenen Infrastruktur kein Einhalt geboten worden. Unter Kanadas gegenwärtigem Wirtschaftswachstumsplan könnten laut Berechnungen der kanadischen Umweltorganisation Environmental Defence die Emissionen nur der Teersand-Produktion des Landes bis 2030 auf 40 Prozent der einheimischen Grünhausgasemissionen steigen.  Ohne eine massive Drosselung würden dann der Schadstoffausstoβ von kanadischem Öl alleine 16 Prozent des totalen globalen Kohlenstoffbudgets für ein 1.5 Grad Erwärmungsszenario ausmachen.

Internationale Klimaführerschaft Kanadas – gewollt, aber nicht umgesetzt

Auf der internationalen Klimabühne präsentiert sich Kanada unter Trudeau als Klimapartner für mehr Ambitionen global und postuliert zum Beispiel in den Klimaverhandlungen passioniert eine stärkere Beteiligung und Berücksichtigung von Frauen und Geschlechtergerechtigkeit als notwendige Schlüsselkomponente für den Klimaerfolg oder hat in der Powering Past Coal Alliance (PPCA) seit 2017 eine Führungsrolle inne. Zuhause bei der eigenen Politikumsetzung herrscht bei Kanadas liberaler Führungsspitze und im Premiersamt aber nach Ansicht von kritischen Beobachter/innen im eigenen Land eine kognitive Dissonanz.  Vielleicht das deutlichste Bespiel für den den Liberalen eigenen Spagat zwischen Klimavision und Klimapragmatismus ist, dass nur einen Tag nachdem Umweltministerin Catherine McKenna im Juni diesen Jahres die Parlamentsmehrheit überzeugen konnte, den nationalen Klimanotstand auszurufen, das Trudeau-Kabinett erneut seine Zustimmung zur Trans Mountain-Pipeline bekräftigte, mit deren Erweiterungsbau nach mehr als zweijähriger Verzögerung aufgrund gerichtlichen Einschreitens noch 2019 begonnen werden könnte.  Die Pipeline im staatlichen Besitz, für die die Regierung Trudeau dem vorherigen Eigentümer Kinder Morgan CAD 4,5 Milliarden gezahlt hatte, um das Projekt vor dem Untergang zu retten, könnte pro Tag fast eine Million Fässer Öl von Albertas Ölfeldern an die Küste von Britisch Kolumbien zum Export in den asiatischen Raum transportieren. Aus Sicht der Liberalen ist die Unterstützung der Trans Mountain Pipeline nicht nur wichtig für den Wahlerfolg am 21. Oktober, sondern auch ein notwendiger Baustein eines umfassenden CAD 60 Millionen Plans ihrer Regierung zur mehr klimakompatiblen Umstrukturierung der kanadischen Wirtschaft, bei der die Einnahmen aus der Pipeline,  geschätzte CAD 500 Millionen an Köperschaftssteuereinnahmen des Bundes jährlich, also CAD 10 Milliarden über 20 Jahre, ebenso wie der Erlös aus dem eventuellen Verkauf der Pipeline, komplett für Investitionen in saubere Energien eingesetzt werden sollen.

Während der konservative Herausforderer Trudeaus, Andrew Scheer, am Umsatzwillen der liberalen Regierung, die Trans Mountain Pipeline wirklich zu bauen, zweifelt, nennt der NDC-Kandidat Jagmeet Singh das Vorhaben angesichts des kanadischen Versprechens zur Unterstützung des Pariser Klimaabkommens unverantwortlich, während Elizabeth May als Spitzenkandidatin der kanadischen Grünen versichert, mit dieser zynischen Lockvogeltaktik könne Trudeau niemanden täuschen. Allerdings spricht sich nach jüngeren Umfragen eine knappe Mehrheit der kanadischen Wähler für den Erweiterungsbau der Pipeline aus.

Auch Kanadas Exportförderpolitik unterstützt über die kanadische Exportkreditanstalt Export Development Canada (EDC) mit fast dem Zwölffachen an Mitteln weiterhin fossile Brennstoffe anstelle von erneuerbaren Energien im Ausland. Zudem kommt offenbar fast ein Drittel der EDC-Finanzierung  für Öl- und Gasinvestitionen den einheimischen Operationen kanadischer Firmen zugute, inklusive der Expansion von Teersanden und deren Transport.  Laut einem Bericht kanadischer Umweltgruppen gab es über EDC in den ersten beiden Jahren unter Premierminister Trudeaus Agide mehr Finanzunterstützung für fossile Brennstoff-Projekte (CAD 22,4 Milliarden) als in den letzten beiden Amtsjahren seines konservativen Vorgängers Stephen Harper (CAD 20,9 Milliarden).  

Zum Vergleich: das ist das Neunfache dessen, was die liberale Trudeau-Regierung kurz vor dem Pariser Klimagipfel als ihren Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung mit CAD 2,65 Millarden über fünf Jahre zugesagt hat. Diese Summer beinhaltete auch CAD 300 Millionen für den Grünen Klimafonds (GCF), der derzeit in Wiederauffüllungsverhandlungen ist.  Beides ist nach Ansicht kanadischer Klimaschützer deutlich zu wenig. Sie wollen für die Jahre 2020 bis 2025 eine Finanzzusage für die Unterstützung von Klimaaktionen in Entwicklungsländern von mindestens CAD 4 Milliarden als fairen Anteil Kanadas, entsprechend den signifikanten Beitrag des Landes zum globalen Klimawandel als Teil der Top 10 der größten Treibhausgasemittenten und forderten die Regierung Trudeau auch auf, ihre Zusage für die Wiederauffüllung des GCF mit CAD 800 Millionen mehr als zu verdoppeln.  Umso enttäuschender ist daher, dass sich die Trudeau-Regierung im August nur zur Wiederholung ihrer ursprünglichen Finanzzusage für die Arbeit des GCF für die Jahre 2020-2023 durchringen konnte, was faktisch eine Verringerung des kanadischen Anteils an der GCF-Finanzierung bedeutet, und das bisherige Momentum anderer G7-Beitragszahler für eine Doppelung ihrer eigenen Beiträge unterminiert.

Auf heimischen Boden ist die Bilanz gemischt. Zwar hat die Trudeau-Regierung in den letzten vier Jahren den regulatorischen Grundstein gelegt , als sie mit dem Pan-Canadian Framework on Clean Growth and Climate Change (PCF) 2016 rund 50 verschiedene Politiken und Maßnahmen auf den Weg brachte, um Emissionen in allen Wirtschaftsektoren zu reduzieren. Diese reichten von einer CO2-Steuer als Herzstück des liberalen Umsetzungsplans, zur Unterstützung von Elektrofahrzeugen, zu Energieeffizienzmaβnahmen für die Gebäude- und Transportsektoren, zum Versuch sauberere Brennstoff-Standards durchzusetzen, bis hin zum Versprechen eines Kohlestopps bis 2030 und der Verminderung der Methanabgase aus dem Öl- und Gasbereich sowie historisch hohen Investitionen in den öffentlichen Transitverkehr.  Expert/innen wie Eddy Perez vom Climate Action Network Canada (CAN Canada) sagen, damit seien zwar die soliden regulatorischen Grundlagen gelegt worden, die Umsetzung sei aber nicht ehrgeizig genug, um der Klimakrise zuhause und international gerecht zu werden.

CO2-Besteuerung als Kernstück und Rotes Tuch

Auch in ihrem Klimaplan für die nächsten vier Jahre setzt die Liberale Partei um Spitzenkandidat Justin Trudeau weiterhin auf ein Kohlenstoffbesteuerungsystem mit Zuckerbrot und Peitsche als wichtigstes Steuerungselement. Kanadische Privathaushalte und Industriekunden zahlen seit April 2019 gleichermaßen CAD 10 pro Tonne CO2-Ausstoß (umgerechnet 4,3 kanadische Cents pro Liter Sprit), und der Preis soll sukzessive um CAD 10 pro Jahr auf CAD 50 bis 2022 steigen. Aber Konsumenten bekommen diese Kosten durch Steuervergünstigungen in anderen Bereichenzurückerstattet, und der Großindustrie wird je nach Sektor im Namen der Wettbewerbsfähigkeit nur ein kleiner Prozentsatz (fünf bis 20 Prozent) ihrer Emissionen besteuert. Sollten die Liberalen am 21. Oktober wieder die parlamentarische Mehrheit und das Amt des Premierministers stellen – und Mitte September sehen Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen der Liberalen und Konservativen mit einem minimalen, statistisch unbedeutenden Vorsprung für den Amtsinhaber --  müsste der Entwicklungsverlauf einer kanadischen CO2-Steuer nach 2022 erst in Konsultationen mit den Provinzen, Territorien und Interessensgruppen, inklusive der fossilen Brennstoff-Industrie, aber auch Kanadas indigene Bevölkerung, neu verhandelt werden, ebenso, wieviel Flexibilität Provinzen und Territorien haben werden, die Besteuerungsauflagen durch unterschiedliche Ansätze regional zu erfüllen.

Für die Konservative Partei um ihren Parteiführer und Gegenkandidat Andrew Scheer ist die CO2-Steuer das rote Tuch. Zentraler Fokus des konservativen Klimaplans nach der Maxime, das Klimaschutz kanadischen Haushalten nicht weh tun darf, ist deshalb die Aufhebung der CO2-Besteuerung auf Bundesebene. Spitzenkandidat Scheer und seine Konservativen setzen stattdessen auf gezielte Steuererleichterungen für Privathaushalte und die Industrie und auf den Einsatz von Klimatechnologie, besonders auch CO2-Sequestierung und Speicherung (CCS) sowohl im Inland (mehrere Ölraffinerien in Alberta wenden die Technik bereits an) als auch als potentiellen kanadischen Exportschlager.

Im Gegensatz dazu will die Neue Demokratische Partei (NDP) unter ihrem Führer Jagmeet Singh in ihrem CAD 15 Milliarden Klimaplan über vier Jahre die CO2-Steuer der Liberalen bei einem eventuellen Wahlsieg beibehalten, aber die bisherigen Rabatte für Privathaushalte in der Form von Steuerkürzungen an anderer Stelle für die reichsten Kanadier sowie die Industrie-Ausnahmen abschaffen. Singhs NPD schlägt außerdem die Einrichtung einer Kanadischen Klimabank, die Abschaffung von Subventionen für die Öl- und Gasindustrie und die Schaffung einer unabhängigen Klimakontrollbehörde vor, die den Fortschritt der kanadischen Emissionsreduzierungen überwachen sollen, die die Neuen Liberalen auf 38 Prozent unter das 2005 Niveau bis 2030 erhöhen wollen.

Noch radikaler sind die kanadischen Grünen um Parteiführerin Elizabeth May, die eine Verdopplung der kanadischen Treibhausgasreduzierungsversprechungen bis 2030 fordern. Sie wollen die CO2-Steuer auf Bundesebene jährlich um CAD 10 bis 2030 bis dann CAD 130 pro Tonne CO2-Ausstoß anheben. Neben der Ausmusterung sprit-fressender Autos bis 2040, setzen die kanadischen Grünen ebenso wie die Neuen Liberalen auf ein Ende der Unterstützung der Steuerzahler für die fossile Brennstoff-Industrie und wollen die kanadische Elektrizitätsversorgung bis 2030 frei von Kohle und Erdgas machen. Letzteres ist aber einfacher gesagt als getan, weil der Elektrizitätsversorgung nicht föderal, sondern in den Provinzen reguliert wird und viele Stromversorgungsunternehmen im Besitz der Provinzen sind.

Obwohl sich der Anteil der erneuerbaren Energien im kanadischen Energiemix seit 2007 fast vervierfacht hat, ist er mit rund 8 Prozent (wenn Nuklearkraft mitgerechnet wird) bis 11 Prozent (ohne Nuklearenergie) immer noch zu gering.  Schnellerer Fortschritt wird auch durch die anhaltenden massiven Subventionen für die kanadischen Öl-, Gas- und Kohleindustrie blockiert, die nach einer Berechnung von Environmental Defence immer noch bis zu CAD 3,3 Milliarden jährlich von bundesstaatlicher Seite und Provinzen betragen.  Trotz der Versprechen der Trudeau-Regierung, Subventionen für fossile Brennstoffe mittelfristig abbauen zu wollen, hat sie auf föderaler Ebene erst jüngst eine neue Subvention für Flüssigerdgas-Projekte eingeführt, inklusive CAD 25 Million für ein LNG Canada Pipeline-Projekt in Britisch Kolumbien, das die dortige Provinzregierung ihrerseits mit weiteren CAD 5,4 Milliarden unterstützt.

Unabhängig davon, welche Partei am 21. Oktober gewinnt, führt deshalb nach Ansicht kanadischer Klima-Aktivist/innen für einen robusten kanadischen Klimaplan, der Kanadas Klimaverantwortung zuhause und global übernimmt, kein Weg an der Abschaffung aller Subventionen für die Öl- und Gasindustrie des Landes und an einer alle Interessengruppen einbeziehenden ernsthaften Debatte über die Zukunft des Sektors vorbei, um sie in Einklang mit den Dekarbonisierungsziel bis 2050 zu bringen. Mehr als bislang muss die kanadische Klimapolitik durch gezielte Unterstützung sicherstellen, dass keine der am meisten betroffenen Bevölkerungsgruppen (Gemeinden, Arbeiter und First Nations) bei der notwendigen Transformation und Reduzierung der Bedeutung des Sektors auf der Strecke bleibt, und dabei vor allem auch die Selbstbestimmungsrechte der Indigenen respektieren und stärken sowie Gelder für die jetzt schon notwendige Anpassung an gravierende Klimafolgen auf eigenem Territorium bereitstellen. Das bedeutet auch das Setzung ambitionierterer nationaler Klimaziele für die 2020 anstehende Revidierung der Zusagen Kanadas unter dem Pariser Klimaabkommen, eine Erhöhung der Klimafinanzierungszusagen – und eine klare Absage an mögliche Versuche, wie zum Bespiel vom konservativen Kandidaten Andrew Scheer schon angekündigt, unter dem Marktmechanismus des Pariser Abkommens für den Export von Flüssigerdgas als „sauberere Alternative“ zur Kohleverfeuerung in Importländern Offset-Kredite zu verlangen.