Der Dialogprozess der Women20-Gruppe und ihre Forderungen an die G20

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Vom 24. bis 26. April 2017 findet die W20-Konferenz in Berlin statt

Die G20 will 100 Millionen Jobs für Frauen schaffen. Aber für eine Gleichberechtigung der Geschlechter reicht das nicht. Strukturelle Faktoren, Gender-Pay-Gap, Care-Arbeit und Mehrfachdiskriminierung müssen ebenfalls in den Fokus.

Zum dritten Mal wird eine G20-Präsidentschaft vom Dialogprozess Women20 (W20) begleitet. Die Türkei hatte während ihrer Präsidentschaft 2015 diesen Dialogprozess erstmalig ins Leben gerufen. Unter der Leitung des Deutschen Frauenrats und des Verbands deutscher Unternehmerinnen haben Expertinnen im Februar Forderungen in den Bereichen Arbeitsmarkt, Finanzen und Digitalisierung aufgestellt, die als Empfehlungen in das Abschluss-Kommuniqué des Gipfeltreffens der G20-Staaten am 7. und 8. Juli in Hamburg einfließen sollen.

Der zentrale Punkt bei der Inklusion in den Arbeitsmarkt ist für die W20 die Umsetzung der „25-by-25“-Formel: das heißt die Reduzierung des Unterschieds in der Erwerbstätigenquote von Männern und Frauen um 25 Prozent bis zum Jahr 2025. Dieses Ziel war bereits im Ergebnis der australischen Präsidentschaft 2014 formuliert worden. Um das zu erreichen, wurde während der türkischen Präsidentschaft das Ziel konkretisiert: 100 Millionen Jobs sollen für Frauen geschaffen werden. Im Rahmen der deutschen Präsidentschaft findet sich nun auch der Hinweis auf Handlungsbedarf in Bezug auf das geschlechtsspezifische Lohngefälle, die Forderungen nach einer gleichberechtigten Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen und auch die nötige Aufwertung von Care-Berufen findet Erwähnung, das 25-by-25-Ziel wird jedoch zentral in den Vordergrund gerückt.

Nur Zugang zum Arbeitsmarkt schafft noch keine Gleichberechtigung

Die Vertretung von Fraueninteressen im G20-Prozess ist notwendig, und das 25-by-25-Ziel ist wichtig. Es ist gleichzeitig allerdings erforderlich, begleitende Rahmenbedingungen für ökonomische Unabhängigkeit mitzudenken und Politik dafür zu gestalten. Denn ohne deren Berücksichtigung ist eine umfassende Verbesserung der Situation von Frauen am Arbeitsmarkt unmöglich.

Eigenes Einkommen zu erwirtschaften ist ein wichtiger Teil der ökonomischen Unabhängigkeit, für den Feminist/innen seit Langem hart kämpfen. Dieses Ziel – die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen – zu erreichen, ist jedoch nur möglich, wenn nicht nur neue Jobs geschaffen werden, sondern Frauen darin auch genauso gut bezahlt werden wie Männer. Ein Vergleich von Gender Pay Gap und Erwerbstätigenquote zeigt, dass allein eine hohe Erwerbstätigkeit von Frauen wie beispielsweise in Großbritannien in Anbetracht der extrem großen Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern nicht besonders erstrebenswert sein kann. Denn was haben Frauen davon, wenn sie zwar einen Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen, aber ihre Arbeit gesellschaftlich geringer bewertet wird als die von Männern? Die G20 sollte sich für eine Politik einsetzen, die gleiche Wertschätzung der Arbeit von Frauen und Männern zum Ziel hat.

Die niedrigen Einkommen von Frauen hängen mit vielen strukturellen Faktoren von Wirtschaftsorganisation zusammen, die stärker in die Diskussion einbezogen werden müssen. Infrastruktur und Gesetze haben einen entscheidenden Einfluss auf die Arbeitsverteilung zwischen Männern und Frauen in Partnerschaften. Fehlende staatliche Betreuungsangebote für Kinder und Pflegebedürftige sowie bestimmte gesetzliche Bestimmungen zu Elternzeit oder Steuern wirken einer gleichberechtigten Arbeitsaufteilung entgegen.

In Deutschland z.B. führt ein System aus Ehegattensplitting, Minijobs, schlechten Löhnen sowie fehlenden Kita- und Ganztagsschulplätzen dazu, dass es für viele Paare immer noch finanziell attraktiv ist, wenn die Frau in Teilzeit arbeitet. Dementsprechend arbeiten Frauen auch viel öfter als Männer in Teilzeit oder in Minijobs, während Männer nach wie vor deutlich weniger unbezahlte Care-Arbeit übernehmen und stattdessen in Vollzeit-Stellen erwerbstätig sind. Das hat folgenschwere Auswirkungen auf die Rentenansprüche von Frauen. Denn der Gender Pay Gap wird im Alter zum Gender Pension Gap. Während die Differenz zwischen den durchschnittlichen Einkommen von Frauen und Männern noch bei ca. 21 Prozent liegt, beträgt sie in der gesetzlichen Rente schon ca. 60 Prozent.

Entgeltgleichheit, Care-Arbeit und Mehrfachdiskriminierung müssen in den Fokus

Für eine Politik, die auf die Gleichberechtigung der Geschlechter setzt, kann es nicht erstrebenswert sein, dass Frauen lediglich Erwerbsarbeitsjobs vermittelt werden. Ziel muss darüber hinaus die Entgeltgleichheit sein. Frauen müssen sich Rentenansprüche aufbauen können. Und wir brauchen ein Wirtschaftssystem, das Care-Arbeit als wichtigen Bestandteil gesellschaftlich aufwertet und anerkennt.
Hinzu kommt ein weiterer Aspekt, der stärker in den Fokus gehört: Einige Frauen werden (am Arbeitsmarkt) mehrfach diskriminiert, z.B. weil sie Trans* sind, ein Kopftuch tragen, einen nicht Deutsch klingenden Namen haben oder nicht Deutsch sind.

An dieser Stelle ist es besonders wichtig mit zu bedenken, die Zuständigkeit für unbezahlte oder schlecht bezahlte Pflegearbeit nicht an strukturell benachteiligte Frauen weiterzureichen, um besser situierten Frauen eine Karriere zu ermöglichen. Es ist in diesem Zusammenhang zum Beispiel problematisch, dass die Pflege in Deutschland stark in den privaten Bereich verlagert wird, wo Frauen aus ärmeren osteuropäischen Ländern schlecht bezahlte, aber sehr notwendige Jobs übernehmen. Die Frauen aus Osteuropa wiederum geben ihre Care-Arbeit an Frauen aus noch ärmeren Ländern weiter.

Diese internationalen Pflegeketten zeigen, wie gesellschaftlich enorm wichtige, aber anstrengende und zugleich schlecht bezahlte Arbeit an wirtschaftlich und sozial schlechter gestellte Frauen ausgelagert wird. Daher sollten die G-20-Staaten sich dem Thema der Mehrfachdiskriminierung annehmen und dafür sorgen, dass typische Frauenberufe endlich angemessen bezahlt werden. Emanzipation ist nicht feministisch, wenn sie nur für die weiße Oberschicht gilt!

Für warme Worte können Frauen sich nichts kaufen

Ich unterstütze es, dass der deutsche Frauenrat und der Verband deutscher Unternehmerinnen die Forderungen von Frauenpolitiker/innen und Feminist/innen sammeln und wäre froh, wenn sie diese mit Nachdruck an die Bundesregierung weiterreichen und die Umsetzung später auch überprüfen: Es ist enorm wichtig, dass auch Frauenthemen ihren Platz in den Verhandlungen der G20 finden. Dennoch ist es notwendig - und auch hier teile ich die Forderung der W20 - wenn es nicht nur bei Empfehlungen bliebe, sondern eine Begleitung der Umsetzung der Forderungen und damit auch konkrete Handlungsaufforderungen an die verschiedenen nationalen Regierungen Teil des Prozesses wären.

Es hilft wenig, alle paar Jahre öffentlich zu versprechen, sich für die gleichberechtigte Teilhabe der Geschlechter einzusetzen, wenn aus diesen Vorhaben nichts folgt. Für warme Worte können Frauen sich nichts kaufen: We don‘t fight for flowers!