Vom Bürgerkrieg in die Oper

Küste von Lesbos
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Ein Verhör bei der Ankunft auf Lesbos: Netter werden Geflüchtete zum Beispiel in Klein Leppin begrüßt

Christina Tast (48) ist Vorsitzende des Vereins Festland e.V. Der Verein führt jeden Sommer in dem 60-Seelen-Dorf Klein Leppin im Landkreis Prignitz im Nordwesten Brandenburgs gemeinsam mit Profis und Bewohnerinnen und Bewohnern des Dorfes eine Oper auf. Seit 2005 gibt es „Dorf macht Oper“, mittlerweile ein weit über Brandenburg hinaus bekannter Geheimtipp. Die Veranstaltung in einem umgebauten alten Schweinestall ist regelmäßig ausverkauft. Christina Tast engagiert sich im Landkreis Prignitz für Flüchtlinge. Seit 2015 arbeiten Asylsuchende bei Festland e.V. mit. Mit Christina Tast sprach Mathias Richter.

Wie kamen Sie auf die Idee mit Flüchtlingen zu arbeiten?

Christina Tast: Wir haben dringend einen Schneider für die Kostüme gebraucht. Über die örtliche Awo, die die Flüchtlinge hier in der Region betreut, haben wir erfahren, dass unter den Syrern im Nachbarort Glöwen jemand ist, der in Damaskus als Schneider gearbeitet hat. Der hat dann bei uns angefangen und mittlerweile haben wir fünf Flüchtlinge im Verein.

Und was machen die?

Einer ist Tischler und hat beim Bühnenbild mitgebaut. Ein andere ist  Innenarchitekten, der bei den Entwürfen mitgewirkt hat. Andere helfen beim Aufbau oder bei der Organisation der Veranstaltungen.

Das funktioniert alles reibungsfrei?

Christina Tast
Na ja, es ist eben manches ein wenig kompliziert. Wir müssen die Leute in den Dörfern, wo sie wohnen, abholen, weil die Verkehrsverbindungen hier nicht sonderlich gut sind. Die Kommunikation lief anfangs meist auf Englisch, aber mittlerweile ist eine Verständigung auf Deutsch immer häufiger möglich. Ihnen Deutsch zu unterrichten schaffen die ehrenamtlichen Lehrkräfte hier allerdings nur zwei Mal die Woche.

Wie werden die Flüchtlinge im Dorf aufgenommen?

Ziemlich gut. Dazu muss man wissen, dass Klein Leppin eigentlich ein komplettes Flüchtlingsdorf ist. Das war hier bis vor 60 Jahren ein Gut. Der Gutsherr hat es nach 1945 verlassen und die meisten, die damals hier herkamen waren Kriegsflüchtlinge. Insofern haben die Leute ähnliche Erfahrungen wie ihre neuen Nachbarn. Sie kennen die Integrationsprobleme. Jetzt arbeiten sie zusammen, singen gemeinsam im Chor. Das sind persönliche Kontakte, die verbinden.

Aber haben die Flüchtlinge bei Ihnen im Festland-Verein langfristig eine berufliche Perspektive?

Nein, sicher nicht. Dazu sind wir zu klein. Deshalb wollen wir schauen, dass wir möglichst schnell Initiativen, Politiker, Verwaltungen und Unternehmen aus der Region an einen Runden Tisch gekommen, um eine gemeinsame Perspektive für  Flüchtlinge und Betriebe zu entwickeln. Wir müssen mit den Firmen zusammen ein Netzwerk aufbauen und eine Struktur finden, die eine gute effektive Zusammenarbeit mit unseren neuen Nachbarn ermöglicht.

Gibt es denn überhaupt genügend Jobs hier auf dem Land?

Zumindest in der Landwirtschaft. Aber nicht nur auf den Höfen, denn es gibt zum Beispiel Firmen, die Landmaschinen vermieten. Die brauchen Fachleute wie etwa Mechatroniker. Das sind durchaus attraktive Lehrberufe für junge Leute, die ohne Ausbildung hier hergekommen sind. Oder im Handwerk: Wir haben gerade einen Super-Tischler. Nur hat der dummerweise, wie so viele, überhaupt keine Zeugnisse. Wir haben ihn erstmal über das Programm des Bundesfreiwilligendienstes angestellt. Das kann ein guter Einstieg für ihn sein.

Aber wollen die Flüchtlinge überhaupt hier in der Provinz bleiben?

Das ist hier sicher nicht für jeden das Richtige. Viele wollen in die großen Städte. Aber vergangene Woche kam einer aus Dortmund zurück. Der wollte da erst unbedingt hin. Jetzt ist er wieder da. Und so wie es aussieht will er bleiben.

Weitere Beiträge zur Flüchtlingspolitik in Brandenburg finden Sie auf der Länderseite unseres Dossiers "Wie schaffen die das? Die Flüchtlingspolitik der Länder" (zur Startseite).