Preisträger/innen des Friedensfilmpreises von 1986 bis 2007

Hier finden Sie alle Preisträger des Friedenfilmpreises von 1986 bis 2009, sowie die Begründungen der Jury.

Der Friedensfilmpreis wurde im UNO-Jahr des Friedens 1986 von Berliner Friedensgruppen gestiftet. Seitdem ist er fester Bestandteil der Internationalen Filmfestspiele Berlin und wird jährlich auf der Berlinale verliehen. Das Kino kann dazu einen wichtigen Beitrag zum Frieden leisten mit seiner ganz besonderen Eigenschaft: Über Grenzen hinweg das Denken und Fühlen der Menschen zugleich zu erreichen.

Der Friedensfilmpreis wird in Form einer Bronzeplastik verliehen und ist mit 5000 Euro dotiert. Der Preis geht an einen Film, der die ästhetischen Mittel des Films in besonderer Weise in den Dienst des friedlichen Miteinanders und des sozialen Engagements stellt. Er wird gestiftet von der Initiative Friedensfilmpreis in Verbindung mit der Heinrich-Böll-Stiftung und der Internationalen Vereinigung der Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNW), Trägerin des Friedensnobelpreises 1985.

2007

Goodbye Bafana
von Bille August (Deutschland/Frankreich/Belgien/Großbritannien/Italien/Republik Südafrika)

Laudatio: Prof. Dr. Jutta Limbach (PDF, 3 Seiten, 24 KB)

Begründung der Jury:
Hineingeboren in das System der Apartheid, die er als vernünftig und gottgegeben mitträgt, sucht der Gefängniswärter James Gregory nach bürgerlicher Sicherheit in seiner Familie und nach beruflicher Karriere: Überzeugt von der Grausamkeit der Schwarzen und ihren Absichten, die Weißen aus Südafrika verjagen zu wollen, wird er in einer neuen Aufgabe als Zensor mit dem Häftling Nelson Mandela und dessen Mitgefangenen auf der berüchtigten Gefängnisinsel Robben Island konfrontiert.
Beeindruckt von der Gedankenwelt und der Menschlichkeit Mandelas und der brutalen Gewalt, der die Häftlinge tagtäglich ausgesetzt sind, beginnt im Kopf und im Herzen James Gregorys ein Prozess der Veränderung, der ihn und seine Familie vor existentielle Herausforderungen stellt.
Ein Film, der auf einer wahren Geschichte beruht und uns zeigt, dass auch im starrsten System und unter großem Druck Zivilcourage wachsen kann, die aus einem Mittäter einen selbstständig  denkenden und handelnden Menschen werden lässt: eine Ermutigung.
 

2006

Grbavica (Esmas Geheimnis)
von Jasmila Žbaniç (Österreich/Bosnien und Herzegowina/Deutschland)

Laudatio: Ulrich Matthes (PDF, 3 Seiten, 20 KB)

Begründung der Jury:
Die Erinnerung hinter sich zu lassen und ihrer Tochter ein „normales“ Heranwachsen zu ermöglichen, ist das Ziel einer Mutter im vom Krieg gezeichneten bosnischen Sarajewo. Aber beider Leben ist von einem furchtbaren Geheimnis überschattet, das das Verhältnis von Mutter und Tochter fast zerstört. Der Erinnerung jedoch können beide nicht ausweichen: Als die Tochter die Frage nach ihrem Vater mit immer größerer Wut stellt, muss sich auch die Mutter der Wahrheit ihrer Kriegserlebnisse stellen und ihre Tochter damit konfrontieren: Eine Wahrheit, an der beide nahezu zerbrechen.
Ein sensibler und aufwühlender Film über die Folgen des Krieges und den Versuch, durch das Aussprechen der Wahrheit einen neuen Anfang zu erkennen, an dessen Horizont Hoffnung und Lebensmut aufscheinen. Die Regisseurin erzählt in ihrem ersten Spielfilm die bedrückende Geschichte mit großer künstlerischer Souveränität und berührt ihr Publikum tief.
 

2005

Lakposhtha hâm parvaz mikonand (Turtles can fly)
von Bahman Ghobadi (Iran/Irak)

Laudatio: Prof. Dr. Jutta Brückner (PDF, 4 Seiten, 28 KB)

Verleih: Mitos Film

Begründung der Jury:
Ein kurdisches Flüchtlingslager im Grenzgebiet zwischen Irak und Iran:Die Menschen leben in großer Armut, die Felder sind vermint – eine ständige Bedrohung für die Kinder und die Erwachsenen. Die Kinder verdienen sich ein paar Groschen beim Minenräumen, viele von ihnen sind für ihr Leben verstümmelt und dennoch spielen sie ihre Kindheit.
Ein Film des Schmerzes und der Verstörung, der die Zukunft der Kinder in allen Kriegsgebieten mit erschreckender Deutlichkeit zeichnet. Obwohl sich die Kinder umeinander kümmern und im Flüchtlingslager ihre eigene parallele Welt entsteht, zeigt Bahman Ghobadi die Folgen des Krieges – Elend und die Auflösung aller Strukturen – mit Bildern, die nicht aus dem Kopf gehen.
 

2004

Svejdoci
von Vinko Brešan (Kroatien)

Laudatio: Pepe Danquart (PDF, 7 Seiten, 28 KB)

Verleih: Celluloid

Begründung der Jury:
Eine kroatische Kleinstadt im Kriegsherbst 1992: Mit dem nächtlichen Mord an einem serbischen  Zivilisten beginnt die Filmerzählung um die Deformierung der Bewohner durch Abgrenzung und Gewalt, in der man zum Ende Täter und Opfer kaum noch zu unterscheiden vermag. Ein „Nachkriegsfilm“, der Würde und Schuld der Menschen nicht trennt und uns vor Augen führt, wie dünn die Haut zwischen Krieg und Frieden in Europa immer noch ist.
Der Regisseur Vinko Brešan erzählt seine Geschichte und die seiner Protagonisten beeindruckend und atemlos. Wie bei einer Matruschkapuppe taucht hinter jeder Figur eine neue Geschichte auf, verschafft ihr Raum, Tiefe und Geheimnis. Die Existenz dieses Filmes und sein Entstehen beendet die Sprachlosigkeit des Nachkrieges und ermöglicht Dialog, Kontroverse und Hoffnung.
 

Lobende Erwähnung für:
Die Optimisten – Die Geschichte der  Rettung der Juden Bulgariens
von Jacky Comforty (USA/Deutschland/Israel)
 

2003

In this World
Michael Winterbottom (Großbritannien)

Laudatio: Andreas Dresen (PDF, 7 Seiten, 32 KB)

Verleih:
Arsenal Filmverleih
Hintere Grabenstr. 20
72076 Tübingen
Fon: 07071/ 929613

Begründung der Jury:
Den Friedensfilmpreis 2003 erhält Michael Winterbottom für seinen Film „In this World“. Der Film schildert das Schicksal zweier Migranten, die dem Elend der Flüchtlingslager im Grenzgebiet von Afghanistan und Pakistan entfliehen und in Westeuropa Schutz finden wollen. Winterbottoms Spielfilm schildert hautnah mit quasi dokumentarischen Mitteln die entwürdigenden, gefährlichen und oft auch tragisch endenden Etappen ihres Weges und erreicht dabei eine Eindringlichkeit und Authentizität, die bisher im internationalen Kino nicht ihresgleichen hat.

Der Film schafft es, uns die Hauptfiguren nahe zu bringen, ohne jemals in Sentimentalität zu verfallen. Den Flüchtlingen wird trotz des Elends ihre Würde gelassen. Der Film rührt uns, ohne sich anzubiedern, er informiert uns, ohne jemals didaktisch zu werden. Wenn im Film Zeichen von Menschlichkeit gesetzt werden, geschieht das mit einer intensiven, aber auch immer nüchtern distanzierten Aufmerksamkeit. Wo viele in unserem Land Grenzen errichten oder ausweiten wollen, da fordert dieser Film dazu auf, Ablehnung und Angst zu überwinden. Anstatt sie als Wirtschaftflüchtlinge zu stigmatisieren, werden Flüchtlinge als das angesehen, was sie gerade heute allzu oft sind: Opfer des Krieges, die ihr Recht auf ein menschenwürdiges Leben wahrnehmen wollen. Wer diesen Film gesehen hat, wird Migranten mit anderen Augen sehen.
 

2002

August – A Moment Before the Eruption
von Avi Mograbi (Israel/Frankreich)

Laudatio: Udo Samel

Avi Mograbi:
“Ich wollte einen Film schaffen, der nur aus Gewalt, Zänkerei und Ärger besteht. Denn das ist Israel.” Der Monat August dient ihm dabei als Metapher für alles Verabscheuendswürdige in Israel: Gewalt, Tod, Wut.
Vor dem Hintergrund der aktuell dramatischen Zuspitzung des israelisch-palästinensischen Konflikts bekommt Mograbis Film eine besondere Brisanz.

Auszug aus der Jury-Begründung:
Ironisch und selbstironisch schafft Avi Mograbi ein filmisches Bild seines Landes, indem er satirisch-theatralische Szenen mit dokumentarischen Alltagsbeobachtungen verbindet. So gelingt ihm das irrwitzige Bild einer Zeit ‘kurz vor der Eruption’. Seine filmische Sprache ist schillernd und neurotisch wie die Gesellschaft, die er vorfindet.
 

2001

Vivre Après - Paroles des Femmes (Das Leben danach – Worte von Frauen)
von Laurent Bécue-Renard (Frankreich)

Laudatio: Klaus Staeck

Verleih:
LAurent Bécue-Renard
108 RUE DU BAC
75007 PARIS
E-Mail: lbr@compuserve.com

Wie soll jemand überleben, dessen Welt zerbrochen ist, ohne Ehemann, Vater, ohne Söhne, ohne die Männer der Familie? Dessen Haus, dessen Acker, dessen Dorf, dessen Land vom Krieg weggefegt wurde? Vor dieser Frage stehen zahllose bosnische Frauen und Kinder nach Ende des Bürgerkrieges. Der Film begleitet 3 Frauen während eines Jahres im Therapiezentrum Vive Zene in Tuzla.

Begründung der Jury:
Sedina, Jasmina und Senada aus Bosnien ermöglichen uns einen Einblick in die über Generationen andauernden Folgen von Kriegsleiden. Sie zeigen uns, wie das Erinnern von unerträglichen seelischen Schmerzen die einzige Möglichkeit ist, weiter leben zu können.

Der Film beobachtet ein Jahr lang die Traumabearbeitung von Frauen in Bosnien. Sie kommen aus Flüchtlingslagern, um ein Jahr lang in einem geschützten Haus die Ermordung ihrer engsten Verwandten aufarbeiten zu können. Ungewöhnlich ist, dass uns dieser Film den schmerzhaften Prozess des Erinnerns miterleben lässt. Wie die Therapeutin und die Kamera die Trauer dieser Frauen begleiten und ihr Raum geben, ist zukunftsweisend und beispielhaft. Beeindruckend ist der lange Atem des Filmemachers, die Integration der anteilnehmenden Kamera von Beginn an in den therapeutischen Prozess, die dem Betrachter die Möglichkeit gibt, das Schicksal der Frauen nachzuvollziehen.

 

2000

Long Night`s Journey into Day
von Frances Reid und Deborah Hoffmann (USA)

Laudation: Renan Demirkan (PDF, 3 Seiten, 28 KB)

Verleih:
Telepool GmbH
Sonnenstraße 21
80331 München
Fon: 089/558760
Fax: 089/55876188

Mehr als vierzig Jahre lang herrschte in Südafrika die berüchtigtste Form von Rassenunterdrückung seit dem deutschen Nationalsozialismus. Als das Regime 1990 zusammenbrach, forderten jene, die die Herrschaft der Apartheid unterstützt hatten, Straffreiheit für ihre Verbrechen. Ihre Opfer aber forderten Gerechtigkeit. Als Kompromiss wurde die „Truth & Reconciliation Commission (TRC)“ gegründet, die seitdem Opfer und Verfolger zusammenbringt und damit die südafrikanische Öffentlichkeit ihre Geschichte noch einmal durchleben lässt.

Begründung der Jury:
Dieser Film zeigt Südafrika als ein Land, dessen Düsternis vom Gestern ins Heute hineinreicht und zahlreiche Schicksale vernichtet, zerrissen, auf immer geprägt hat. Indem der Film Menschen porträtiert, die sich aus unterschiedlichen Gründen ihrer individuellen Schuld und Verantwortung stellen, schafft er ein Verständnis für die Widersprüche des Lebens, die jenseits der politischen Bedeutung des Themas liegen. Vielmehr rührt dieses vielschichtige Portrait an die existentiellen Fragen des Menschen, die im Zuschauer tiefe Erschütterung und Irritation hervorrufen, aber auch Hoffnung wecken. Nicht zuletzt die Brillanz der filmischen Mittel, die Montage, die Musik, die Kameraarbeit verdichten diesen herausragenden Dokumentarfilm zu einem großen, bewegenden Erlebnis.
 

1999

Günese Yolculuk (Reise zur Sonne)
von Yesim Ustaoglu (Türkei)

Laudatio: Dietrich Lückoff (PDF, 3 Seiten, 28 KB)

Verleih:
Pegasos Filmverleih und Produktion GmbH
Ebertplatz 21
50668 Köln   

Schauplatz Istanbul: Mehmet hat einen Job beim Wasserwerk und ist verliebt in Arzu, die in einer Wäscherei arbeitet. Berzan hofft, als Straßenhändler genug zu verdienen, um mit der fernen Verlobten in seinem Dorf in Ost-Anatolien ein Haus bauen zu können. Die beiden jungen Männer werden Freunde, wobei es für Mehmet keine Rolle spielt, daß Berzan Kurde ist. Als Berzan bei einer Polizeiaktion ums Leben kommt, entschließt sich Mehmet, Berzans Sarg in dessen Heimat zu bringen.

Begründung der Jury:
Der Film erzählt uns auf sensible Weise eine Liebesgeschichte und eine Geschichte der Freundschaft, die archaische Züge trägt. Sie ist eingebettet in die politisch brisanten Verhältnisse in der Türkei. Die Regisseurin nähert sich den völkerrechtlichen Konflikten, ohne ideologisch Stellung zu nehmen. Mit einer großen Liebe zu ihrem Land gelingt es ihr, differenziert die staatliche Repression zu zeigen, dies aber ohne voyeuristische Gewaltdarstellung.
Yesim Ustaoglu vermittelt die politische Problematik, indem sie uns einzelne Menschen nahebringt. Entgegen unserer Klischeevorstellung, daß islamische Frauen nur unterdrückt seien, sehen wir hier starke und richtungsweisende Frauen, trotz offensichtlicher Ängste. Gleichzeitig werden uns Prozesse gesellschaftlicher Ausgrenzung gezeigt, die auf exemplarische Weise über die türkische Gegenwart hinausreichen. Eine Stärke des Films liegt darin, die sonst üblichen Polarisierungen zu vermeiden. Die Regisseurin bietet uns keine einfachen Lösungen an und sensibilisiert uns für die Brisanz der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei.
 

1998

W toj stranje (In jenem Land)
von Lidija Bobrowa (Russland)

Laudatio: Leonie Ossowski (PDF, 3 Seiten, 28 KB)


Begründung der Jury:
Ein Film der Hoffnung in unserer Welt der Konsumabhängigkeit. Er gibt uns die Möglichkeit, Illusionen anzunehmen und Sehnsüchte auszuleben. Denn ein Kunstwerk hat das Recht, ein Märchen zu erzählen.
Wir erleben einen Humor und Dialoge, die uns in ihrer Glaubwürdigkeit überzeugen. Lidija Bobrowa gelingt mit präziser Beobachtungsgabe ein wunderbares Zusammenspiel von Laien und Schauspielern.
Der Film ist ein Plädoyer für Toleranz und Aufmerksamkeit unter uns Menschen.
 

1997

Die Jury vergibt den Friedensfilmpreis der 47. Internationalen Filmfestspiele Berlin, der von der Heinrich-Böll-Stiftung mit 8.000,- DM und einer Kleinplastik des Berliner Künstlers Otmar Alt bedacht wurde.

Nach Saison 
von Mirjam Quinte und Pepe Danquart (Deutschland)

Laudatio von Leonie Ossowski (PDF, 3 Seiten, 28 KB)


Verleih:
Ventura Film GmbH
Rosenthaler Straße 38
10178 Berlin
Fon: 030/2836530

Mostar, Sommer 1994. Der jugoslawische Bürgerkrieg hat die Stadt zerstört und zerrissen. Wo sich früher die Nationalitäten mischten, teilt eine Demarkationslinie Mostar in zwei Hälften. Im Osten Muslime, im Westen Kroaten, dazwischen ein Übergang, den die Leute "Checkpoint Charly" nennen. Die Verwaltung der Stadt wird von Hans Koschnick geleitet. Der deutsche Politiker wurde von der Europäischen Union als Administrator eingesetzt, und die Filmemacher begleiten ihn während seiner fast zweijährigen Amtszeit. Der Film zeigt den Versuch, die Bewohner Mostars miteinander auszusöhnen und die Stadt wieder aufzubauen.

Begründung der Jury:
Mostar hatte seine journalistische Saison bis zur Abreise des EU-Administrators. Wie schnell wechseln unsere mediengeprägten Meinungen über das ehemalige Jugoslawien? Der offizielle Krieg ist vorüber. Mostar aber bleibt eine Stadt der Teilung und Vertreibung. "Nach Saison" lässt uns lange nach den aktuellen Ereignissen Raum, ein eigenes Urteil zu bilden. Der Film gibt uns Zeit, zuzusehen und zuzuhören. Er zeigt uns beeindruckende Menschen, wie sie den Nach-Krieg überleben und die Schäden, die ihnen der Krieg zugefügt hat. Mirjam Quinte und Pepe Danquart strukturieren ihr Material mit den Mitteln des klassischen Dokumentarfilms: hervorragende Schwarz-Weiß-Bilder, strenge Montage, sparsamer Kommentar, musikalische Akzente, leitmotivische Bilder des Fotografen. Über die Figur des EU-Administrators Hans Koschnick und eine sich gegen ihn stellende europäische Politik berichtet dieser Film auch vom Scheitern einer gemeinsamen europäischen Friedensstrategie. Der Film sensibilisiert uns für die Vorgänge, deren Zeugen die Dokumentaristen zwei Jahre lang für uns waren. Er ist eine Aufforderung an die Medienmacher, verantwortlicher zu berichten und an jeden Zuschauer, wachsam zu sein.

Lobende Erwähnung für:
Ein gewöhnlicher Präsident 
von Jurij Chaschtschewatskij (Weißrussland)
 

1996

Die Jury vergibt den Friedensfilmpreis der Berliner Festspiele 1996, der in diesem Jahr vom Stiftungsverband Regenbogen e.V. mit 10.000,- DM und einer Kleinplastik des Berliner Künstlers Otmar Alt bedacht wurde.

Devils Don`t Dream
Nachforschungen über Jacobo Arbenez Guzmán

von Andreas Hoessli (Schweiz)

Laudatio: Hartmut von Hentig

Kontakt:
Espaces Film
Akazienstraße 2
CH-8008 Zürich

Der Film ¡Devils Don't Dream! kreist um die Person, den Menschen, den "Staatsmann" Jacobo Arbenz Guzmán. Ein Film, der Zerrissenes in Fragmenten erzählt. Er läßt Personen und Bilder für sich sprechen; Bilder, die wieder auftauchen und in anderen Zusammenhängen anderes aussagen. Der Film zieht Kreise um Fragen der Kolonisation, des Glaubens, der Macht. Worte und Bilder aus verschiedenen Zeiten, die eliptisch immer wieder auf Jacobo Arbenz zurückführen - und auf die erfolgreiche Verdrängung aus der Geschichte.

Begründung der Jury:
Am Anfang nur wenige Archivbilder aus einer fernen Zeit. Guatemala vor mehr als 40 Jahren. Der Beginn einer Reise an einen fernen Ort, die Suche nach einem Leben, nach den Spuren, die von diesem Leben bleiben. Die Utopien eines Politikers, seine Hoffnungen. Jacobo Arbenz Guzmán, der von 1950 - 1954 als gewählter Präsident Guatemalas den "ersten Akt der Gerechtigkeit" - eine Landreform - versuchte, sollte nach seinem Sturz aus der Geschichte seines Volkes getilgt werden.
Der Film macht Bilder und Worte zugänglich, die verboten, zerstört und vergessen gemacht wurden. Er ist Teil des Versuchs, für Guatemala diese Epoche seiner Geschichte wiederzugewinnen.
Andreas Hoessli gibt nicht vor, die Wahrheit über Ereignisse zu wissen, die mehr als vierzig Jahre zurückliegen. Seine Form der filmischen Rekonstruktion der Ära Arbenz durch Gespräche und Bilder vom "ewigen Krieg" im heutigen Guatemala der Militärs, wiedergefundenes Bildmaterial und Dokumente aus US-Medien erlaubt uns, selbständig die Diskrepanz zwischen realen Machtverhältnissen und behaupteter Demokratie an einem exemplarischen Beispiel zu erkennen. - Auch eine Hoffnung für den unabhängigen Film.
 

1995

Die Jury vergibt den Friedensfilmpreis der Berliner Festspiele 1995, der in diesem Jahr vom Stiftungsverband Regenbogen mit 8.000 DM bedacht wurde.

Er nannte sich Hohenstein / Drei Frauen aus Poddembice
von Hans-Dieter Grabe (Deutschland)

Laudatio: Leonie Ossowski (PDF, 7 Seiten, 300 KB)


Kontakt :
ZDF-Nichtgewerblicher
Programmvertrieb
Postfach 40 40
55100 Mainz
Fon: 06131/702080

Hans-Dieter Grabe nennt seine Arbeit einen Nachdenkfilm über einen deutschen Funktionsträger im besetzten Polen 1940 bis 1942, der glaubt, dort Karriere machen zu können, ohne sich als primitiver und gewaltverherrlichender Nazi zu gebärden.
Der Epilog enthält Gespräche mit drei Frauen, die zur Zeit des Tagebuchs im Handlungsort Poddembice / Warthegau gelebt haben und sich heute in Deutschland an einige Ereignisse erinnern, die der Hauptfilm behandelt.

Begründung der Jury:
Ein Deutscher, der 1940 als Amtskommissar im besetzten Polen Bürgermeister wird, begegnet uns als Person im Zwiespalt zwischen behaupteter humanistischer Bildung und Machtausübung. Die Sprache in seinem Tagebuchtext gibt Auskunft über die Verdrängung der national-sozialistischen Verbrechen.
Der Film zeichnet ein differenziertes Bild vom alltäglichen Faschismus, eines deutschen Beamten, der glaubt, sich durch Wegschauen und Verdrängen der Verantwortung für den Vollzug von Gräueltaten entziehen zu können.
Gerade die formale Beschränkung und der konsequente Umgang mit den filmischen Mitteln gibt dem Zuschauer Gelegenheit, über sein eigenes Verhalten hier und heute nachzudenken.
 

1994

Die Jury vergibt den Friedensfilmpreis der Berliner Festspiele 1994, der in diesem Jahr von Inge und Walter Jens mit 10.000 DM bedacht wurde, erstmals zu gleichen Teilen in den Kategorien Dokumentarfilm und Spielfilm.

God Sobaki (Das Jahr des Hundes)
von Semjon Aranowitsch (Rußland/Frankreich)

Verleih:
Filmverlag der Autoren
Rambergstr. 5
80799 München

Ein zu Gewalttätigkeit neigender Ex-Häftling und eine einsame, nicht mehr ganz junge Frau sind die Hauptfiguren in Semjon Aranowitschs ungewöhnlicher Liebesgeschichte. Hintergrund ist die Tristesse eines Landes mit verlorener Identität. Am Anfang steht ein Mord: Der gerade aus langer Lagerhaft entlassene Kriminelle Sergej (Igor Skjar) verteidigt seine Freundin Vera (Inna Tschurikova) und ersticht einen Mann. Das ungleiche Paar flieht und findet in einem menschenleeren Dorf Unterschlupf. Doch die Idylle täuscht: Die Gegend ist strahlenverseucht.
Aranowitsch wurde im Westen vor allem durch radikal antistalinistische Dokumentarfilme und bereits in sowjetischer Zeit durch Spielfilme wie TORPEDOBOOTE und Fernsehfilme bekannt. In GOD SOBAKI zeichnet er eine vielschichtige, mit lyrischen und ironischen Tönen durchbrochene Liebes- und Kriminalgeschichte mit tieferer, sozialkritischer Bedeutung.

Begründung der Jury:
Der vielschichtige und poetische Film erzählt eine Geschichte von Humanität in extremen Widersprüchen.
Er beschreibt die in ihrer Existenz bedrohte Welt und die vom Menschen ausgehende, am Menschen ausgeübte Gewalt und Zerstörung. Durch außerordentliche schauspielerische Leistungen, feinfühlige Bilder und eine virtuose Inszenierung werden uns zwei Schicksale nahegebracht, die uns in ihrer starken Individualität berühren.
 

1994

Balagan
von Andres Veiel (Deutschland)

Verleih:
Arsenal Filmverleih Hamburg
Friedensallee 7-9
22765 Hamburg

BALAGAN - hebräisch für das Chaos in Kopf und Bauch - zeigt zwei jüdische und einen palästinensischen Schauspieler aus Israel, die seit 9 Jahren zusammenarbeiten. Zuletzt haben sie das auch in Deutschland gefeierte und umstrittene Theaterstück ARBEIT MACHT FREI entwickelt, in dem sie die erdrückenden politischen Probleme aufarbeiten, in die die Geschichte sie gestellt hat: der Schatten des Holocaust, aus dem sie heraustreten wollen; der Konflikt zwischen Israelis und Arabern; die Position der orthodoxen Juden. Die Arbeit bedeutet für die Darsteller in einem Land im Kriegszustand ein großes persönliches Risiko. Fragmente der Aufführung und das Leben der Schauspieler verschmelzen in BALAGAN zu einer explosiven Mischung.

Begründung der Jury:
Der Film zeigt aus der Sicht einer israelischen Theatergruppe den Versuch, sich von der Last ihrer Geschichte zu befreien. Gleichzeitig lernen wir in diesem Kollektiv einen Palästinenser kennen, der sich mit Mut dafür einsetzt, den Hass zwischen Arabern und Juden zu überwinden. Beeindruckend ist die überzeugende filmische Verbindung von radikal provozierendem Theater und der konfliktreichen Lebenssituation der Schauspieler in ihrem Land.
 

1993

Madame L’Eau
von Jean Rouch (Niederlande/Frankreich/Niger)

Verleih:
Freunde der
Deutschen Kinemathek
Potsdamer Strasse 2
10785 Berlin

MADAME L` EAU erzählt die Geschichte dreier Männer aus Niger: Damouré, Lam und Tallou, die nach einer Lösung suchen, um der verheerenden Dürre, die ihre Ernte zu vernichten droht, ein Ende zu setzen. Der Wasserpegel des Niger-Flusses, der durch ihr Land fließt, fällt immer weiter ab, die Seitenarme des Flusses sind infolge der kontinuierlichen Entwaldung versandet. Darum muß ein Weg gefunden werden, um die Felder auf natürliche Weise zu bewässern. Damouré schlägt vor, sich mit ihrem Freund Philo Bregstein aus den Niederlanden in Verbindung zu setzen. Wie schaffen es die Holländer, das Wasser von einem Punkt zu einem anderen zu transportieren? In Enschede finden sie schließlich, was sie suchen: eine hölzerne Windmühle, die sie sogar selbst bauen können!
Ihr Traum wird wahr. Im Januar 1992 reisen die Filmcrew und ein Ingenieur nach Niger. Zusammen mit den Schreinern vor Ort gelingt es ihnen, die Mühle in einem Monat zu bauen. Da steht sie, in voller Pracht: eine hölzerne Mühle, selbsterdacht, selbstgebaut und selbstgenügsam. Die Mühle pumpt Wasser und bewässert das Land, auf dem sie nun alles anbauen und pflanzen können, sogar Tulpen.

Begründung der Jury:
MADAME L` EAU ist ein Film, der auf wunderbare Weise das aktuelle Thema des nötigen Zusammenrückens von Nord und Süd zu einem poetischen Bild verdichtet. Er zeigt die Möglichkeiten von Kommunikation mit scheinbarer Beiläufigkeit und atemberaubender künstlerischer Souveränität. In phantasievoller Verknüpfung von Fiktion und Dokumentation entsteht ein zukunftsweisendes, humorvolles und tiefsinniges Abbild einer wünschenswerten Wirklichkeit und von Perspektiven menschlichen Miteinanders.
 

1992

Rodina heißt Heimat
von Helga Reidemeister (BR Deutschland)

Verleih:
Basis-Film Verleih
Körnerstr. 59
12169 Berlin

Februar 1991 in Berlin-Tiergarten, Feiern zum Tag der sowjetischen Streitkräfte - zum letzten Mal. Von Februar bis August drehten die Filmemacher in der alten Garnisonsstadt Meiningen und Umgebung im ehemaligen Grenzgebiet der DDR die letzten Monate vor dem Abzug eines sowjetischen Regiments. In den Tagen und Wochen nach dem Putschversuch vom 19. August 1991 folgten sie dem Regiment in das Auflösungslager in der südlichen Ukraine, von dort einzelnen Soldaten in weit entfernte Armeebezirke und Heimatorte nach Kiev, Moskau, Novosibirsk und Samarkand.

Begründung der Jury:
Der  Film  begleitet  den  Abzug  eines  sowjetischen  Regiments  aus Meiningen/Thüringen und verfolgt mitten im Umbruch der UdSSR die Rückkehr einzelner Soldaten  in  verschiedene  Republiken.  Er  entdeckt  hinter  den funktionierenden Soldaten denkende und fühlende Menschen. Im Zuschauer weckt der Film den Wunsch, den sowjetischen Soldaten einen Abzug in Würde aus Deutschland zu ermöglichen.
 

1991

Alicia en el Pueblo de Maravillas (Alicia am Ort der Wunder)
von Daniel Diaz Torres (Kuba)

Anfragen an:
Freunde der Deutschen Kinemathek
Potsdamer Strasse 2
10785 Berlin

Der Film ist ein erfrischender, kritischer und satirischer Blick auf das gegenwärtige Kuba; als Metapher für die Gesellschaft erscheint ein gefängnisartiges Sanatorium mit einem bärtigen Direktor.

Begründung der Jury:
Auf eine komödiantisch phantastische Weise werden viele Möglichkeiten des Mediums Film genützt. Bestechlichkeit und Gleichgültigkeit von Menschen tragen wesentlich zum Scheitern von Gesellschaften bei. Der Film inspiriert dazu, sich gewitzt und verantwortlich in gesellschaftliche Prozesse einzumischen.
Die Jury hat intensiv darüber diskutiert, ob in dieser Zeit des Krieges und der offenen Gewalt überhaupt der Friedensfilmpreis vergeben werden kann. Kein Film kann dieser Situation gerecht werden. Aber gerade jetzt halten wir es für nötig, ein Zeichen, eine Geschichte der Hoffnung gegen die starke Erfahrung politischer Ohnmacht zu setzten.
 
 

1990

Mein Krieg
von Harriet Eder und Thomas Kufus (Deutschland)

Verleih:
Basis-Film Verleih
Körnerstr. 59
12169 Berlin

"Man ist gleich wieder drin in der damaligen Zeit. Was fehlt, ist ja nur der Ton von damals...“
Dies  sagt  ein  ehemaliger  Soldat  beim  Betrachten  seiner  stummen Filmaufnahmen. "Damals" - das war während des Zweiten Weltkriegs, 1941, als die deutsche Wehrmacht die Sowjetunion überfiel. Unter Hunderttausenden deutschen Soldaten hatten einige wenige ihre Schmalfilmkamera im Marschgepäck. Ihr Hobby nahmen sie mit in den Krieg - es war kein Propaganda-Auftrag, sie filmten aus Leidenschaft. Eine Leidenschaft, die mit dem Verlauf des Krieges immer mehr schwand - so wie auch das Rohfilmmaterial immer rarer wurde. Den Aufbruch der ersten Wochen drehten  sie verschwenderisch. Beim Rückzug, die drohende Niederlage vor Augen, brechen die Aufnahmen ab.
Einige dieser persönlichen Filmdokumente gibt es noch: Aufbewahrt in Schachteln und Schubladen, in Schränken auf Böden und in Kellern. Nach einer aufwendigen Recherche in der Bundesrepublik und in Berlin meldeten sich einzelne Soldaten, die diesen Krieg filmten und überlebten. Kennenlernen, Sichten, Vorgespräche, der Drang zu erzählen - Erinnerungen werden lebendig: Baden im Schwarzen Meer, das tägliche Töten, Zusammenflicken im Feldlazarett. Die Perspektive, der private Blick, ist das Auffällige an diesen Bildern.

Begründung der Jury:
Kriegserinnerungen etablierter Männer 1989 anhand eigener Filmaufnahmen, gedreht während des Überfalls auf die Sowjetunion. In eindrucksvoller Weise zeigt der Film MEIN KRIEG die immer noch in den Köpfen der Beteiligten herrschende Ignoranz, die verbrecherische Verbohrtheit der Pflichterfüllung, die große Lüge "Vaterlandsliebe"! Der Film entlarvt ihr Heldentum als gefährlichen kleinbürgerlichen Kriegstourismus.
 

1989

Hotel Terminus 
Leben und Zeit von Klaus Barbie 

von Marcel Ophüls (USA)

Verleih:
Filmwelt
Ismaninger Str. 51
81675 München

Nach seinem langen Dokumentarfilm THE MEMORY OF JUSTICE (1976) hat sich Marcel Ophüls erneut auf die Erforschung der jüngsten Geschichte eingelassen, diesmal auf den Fall des Klaus Barbie, der von 1942 bis 1944 Kommandant der Gestapo im besetzten Lyon war.
Im Hotel Terminus hatte die Gestapo während der Besetzung Frankreichs ungefähr zwanzig Zimmer zu Vernehmungsräumen umfunktioniert. Von hier aus wirkte Barbie, der "Henker von Lyon". Das Hotel wurde so zum Symbol für die letzte Station seiner Opfer und für das Ende jeglicher Menschlichkeit. Marcel Ophüls hat in seinem Dokumentarfilm die unterschiedlichsten Elemente verarbeitet, um die Person Barbies und seine Gräueltaten darzustellen. Es sind ehemalige Schulkameraden des Gestapo-Kommandanten,   Nachbarn,   Angestellte, Sympathisanten und Opfer, die ihre Meinung über diesen Mann, seine Verbrechen und seine Zeit zum Ausdruck bringen. HOTEL TERMINUS ist keine scharfe und dramatische Anklage gegen Barbie, sondern eine sorgfältige Rekonstruktion, durch die eine bissige und intelligente Ironie über die grausamste Penode der modernen Geschichte durchschimmert.

Begründung der Jury:
Marcel Ophüls brillanter, nicht "ausgewogener" Dokumentarfilm führt uns vor Augen, wie weit der "Henker von Lyon" und die Ideologie, die er vertritt, in unsere Zeit hineinwirken. Dieser vielschichtige Film fordert auch auf zu persönlichem Widerstand gegen Unmenschlichkeit und zur Überwindung der eigenen Trägheit.

 

1988

Signed: Lino Brocka (Gezeichnet: Lino Brocka) 
von Christian Blackwood (USA)

Verleih:
Freunde der
Deutschen Kinemathek
Potsdamer Strasse 2
10785 Berlin

Lino Brocka ist neben Mike de Leon der berühmteste Filmregisseur der Philippinen. In den letzten zwanzig Jahren hat er fast fünfzig Filme gedreht, darunter viele kommerzielle Produktionen, die ihm seine anspruchsvollen sozialkritischen Arbeiten ermöglichten. In ihnen hat er immer wieder die Ungerechtigkeit und den Terror des Marcos-Regimes angeprangert. Deshalb musste er persönliche Schwierigkeiten in Kauf nehmen, gewann aber auch den Ruf eines politischen Helden der Filipinos. Brocka erzählt in diesem Film von Christian Blackwood von seiner traumatischen katholischen Erziehung und von seiner Arbeit als Mormonen-Missionar in einer Leprakolonie. Und er äußert sich in trockenen Kommentaren zu seinen Filmen. Er gibt offen zu, dass er "soap operas" für kommerzielle Produzenten dreht, Filme vom märchenhaften Aufstieg armer Lumpenproletarier, die den Filipinos in den Slums eine kurzfristige Flucht aus dem Elend gewähren. Er macht aber auch klar, dass seine Sympathien ganz den Versklavten und Unterdrückten gehören.

Begründung der Jury:
Blackwood gelingt, indem er die Welt des couragierten philippinischen Regisseurs Lino Brocka ausmisst, ein mitreißender und komplexer Film über die schwierigen Versuche des "richtigen Lebens" in einer verkehrten Welt. Der Film ermutigt zu einem Leben in Widersprüchen und zu sozialem und politischem Engagement im Alltag eines jeden.
 

1987

Joe Polowsky - Ein amerikanischer Träumer
von Wolfgang Pfeiffer (BR Deutschland)

Verleih:
Ex Picturis
Fidicinstr. 40
10965 Berlin

Am 25. April 1945 trafen in Torgau an der Elbe Patrouillen der amerikanischen Armee auf sowjetische Einheiten. Dieses erste Zusammentreffen der beiden verbündeten  Armeen  besiegelte  die militärische Niederlage des deutschen Faschismus. In der Euphorie ihrer kurzen Begegnung versprachen sich die Soldaten, alles zu tun, um einen neuen Krieg zu verhindern. Joseph Polowsky, ein Taxifahrer aus Chicago, war als einfacher Soldat bei diesem Treffen dabei. Er nahm das Versprechen so ernst, dass er den Rest seines Lebens - und selbst seinen Tod – der Verständigung zwischen dem amerikanischen und dem sowjetischen Volk und der Freundschaft zwischen den Veteranen der Elbe widmete, immer unter außergewöhnlichen, oft unter kuriosen Umständen. Der Film erzählt die Geschichte dieser Freundschaft und skizziert einen nicht alltäglichen amerikanischen Traum.

Begründung der Jury:
Traditionellen und bis heute wirksamen Feindbildern setzt der Film die wahre Geschichte eines Träumers entgegen. Auf poetisch-humorvolle und künstlerisch herausragende Weise tritt der Regisseur für das Recht auf die friedliche Existenz eines jeden ein. Er ermuntert dazu, Völkerverständigung nicht den Regierenden zu überlassen.

 

1986

Half Life (Halbwertzeit)
von Dennis O`Rourke (Australien) 

Verleih:
Cine Terz
Buschstr. 18
53113 Bonn

Der Film beschäftigt sich mit den Bewohnern der Marshall-Inseln - winziger Punkt auf der Karte des Pazifik. Die Inseln wurden im 2. Weltkrieg von den Japanern besetzt und 1947 durch die Vereinten Nationen den USA als Treuhänderstaat übergeben. Eine UNO-Resolution verpflichtete die USA,  die Rechte und Grundfreiheiten der Inselbewohner zu garantieren. Das geschah aber offensichtlich nicht. 66 Atombomben wurden im  folgenden Jahrzehnt auf dem Atoll getestet, die Umwelt auf Generationen hinaus zerstört. Und als ob das noch nicht schlimm genug wäre, folgte 1954 der erste Test einer Wasserstoffbombe, die Einwohner der nahegelegenen Inseln wurden nicht evakuiert. Die Resultate dieses "Irrtums" waren verheerend.
Den Dokumenten zufolge, die Dennis O'Rourke in diesem denkwürdigen Film vorbringt, scheint ein schreckliches Verbrechen an einer unschuldigen, vertrauensvollen Bevölkerung begangen worden zu sein (die in den Wochenschaukommentaren der vierziger Jahre stets als "Wilde" bezeichnet wird). Der Gegensatz zwischen dem Leben auf den Marshall-Inseln heute und vor den Tests ist vielsagend.

Begründung der Jury:
Dieser Film  entspricht am  besten  den  friedenspolitischen  Forderungen der Kampagne und den Zielsetzungen der UNO zum Internationalen Jahr des Friedens 1986. Die Aussage des Films lässt mit einiger Sicherheit annehmen, dass mit dem Atombombentest ein einmaliges Experiment zur Beurteilung möglicher Spätschäden nach Kernexplosionen anlaufen konnte. Das Verdienst dieses Films besteht darin, in dokumentarischer Unwiderlegbarkeit solche Überlegungen herauszufordern. Wir sind insbesondere davon beeindruckt, daß der Film eine so nachhaltige Wirkung erzielt, ohne auf sonst übliche Mittel emotionaler Stimulierung zurückzugreifen.