Den Europäischen Green Deal mit Leben füllen

Analyse

Der Green Deal bietet einen sehr guten Rahmen für ein zukunftsfähiges Europa. Die Herausforderung ist es nun aber, ihn auch mit Leben zu füllen. Wir müssen dafür sorgen, dass zu den richtigen Zielen nun auch die richtigen Maßnahmen ergriffen werden. 

European Green Deal

#SaveTheGreenDeal

Als Ursula von der Leyen den europäischen Green Deal zum Leitprojekt ihrer Amtszeit gemacht hat, war der Optimismus groß. Endlich hatte eine europäische Kommissionspräsidentin die Klimapolitik ins Zentrum gerückt. Angetrieben vom Pariser Klimaabkommen und einer erstarkten Klimabewegung wurden die Weichen von der neuen Kommission gestellt.

Der Green Deal bietet einen sehr guten Rahmen für ein zukunftsfähiges Europa. Die Herausforderung ist es nun aber, ihn auch mit Leben zu füllen. Wir müssen dafür sorgen, dass zu den richtigen Zielen nun auch die richtigen Maßnahmen ergriffen werden. In Brüssel muss der ordnungs- und fiskalpolitische Rahmen gesetzt werden. Vor Ort in den Kommunen und Regionen müssen die Klimaziele mit konkreten Projekten ausgestaltet werden. 

Investitionen sind nicht alles, aber ohne Investitionen ist alles nichts

Die sozial-ökologische Transformation ist eine Jahrhundertaufgabe. Um unsere Infrastruktur klimagerecht zu modernisieren und allen eine Zukunftsperspektive zu geben, brauchen wir öffentliche Investitionen und eine Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Auf die Covid 19-Pandemie dürfen keine mageren Jahre folgen. Wir brauchen ein Modernisierungs- und Investitionsjahrzehnt. Ganz nach dem Motto „Auf einem toten Planeten gibt es keine Schulden“ brauchen wir einen Kurswechsel in der Europäischen Fiskalpolitik.

Der Wiederaufbaufonds der EU ist ein guter Beginn

Statt mit investitionsfeindlicher Austeritätspolitik reagiert die EU das erste Mal in ihrer Geschichte mit 800 Milliarden Anleihen um gemeinsame Investitionen zu finanzieren. Der Fonds setzt ein fiskalpolitisches Ausrufezeichen. Mit den Investitionsquoten für Investitionen in Klima und in die digitale Infrastruktur kann der Wiederaufbaufonds notwendige Investitionen auslösen und dazu beitragen, die EU aus der Covidkrise zu führen.

Um die sozial ökologische Transformation ausreichend zu unterstützen reicht der Wiederaufbaufonds aber nicht aus. Wir müssen den Wiederaufbaufonds verstetigen und über den EU Haushalt weitere Investitionen auslösen. Die Europäischen Fiskalregeln dürfen nicht zu Privatisierungen und Sozialkürzungen führen. Sie sollten investitionsfreundlicher ausgestaltet werden. 

Die Klimakrise werden wir nur bekämpfen, wenn wir Menschen Transformationsängste nehmen und die sozial-ökologische Transformation zu einem Zukunftsprojekt für alle machen. Dazu gehört der Umbau unserer Gesellschaft mit der Schaffung guter Arbeitsplätze und armutsfester Absicherung in Einklang zu bringen. Der Green Deal ist bislang sozial weitestgehend blind. Die EU Kommission blendet die soziale Frage fast aus und die Mitgliedsstaaten blockieren aus Kompetenzstreitigkeiten eine starke soziale Säule.

Vor allem für Regionen, die von den Strukturumbrüchen am meisten betroffen sind oder die insgesamt durch hohe Armut und soziale Spaltung gezeichnet sind, muss der Green Deal auch sozialpolitisch liefern. Ein hohes Lohnniveau, gute Daseinsvorsorge und Aufstiegschancen für alle – dies sollte als Ziel für die EU-Staaten formuliert werden. Wir brauchen ein neues Sozialversprechen für die Europäische Union. Es ist deshalb auch die Verantwortung Deutschlands,dafür zu sorgen, dass die EU fiskal- und sozialpolitische Kompetenzen übertragen bekommt. 

Europäische Investitionen müssen nachhaltig sein

Und ausgerechnet bei diesen Fragen schwächelt der Green Deal am meisten. Die EU-Kommission hat im April ihre Finanzierungsstrategie für den Recovery Fund vorgestellt. 30 Prozent der Anleihen, die sie tätigen will, sollen in Green Bonds fließen. Laut EU-Kommission ein Ausdruck des Green Deals. Dies ist jedoch nicht ausreichend! Bereits jetzt sind die Klima-Anleihen der EU-Kommission auf den Finanzmärkten überzeichnet. Dieses Interesse sollte genutzt werden, um deutlich mehr als diese 30 Prozent in Green Bonds zu investieren. 

Doch noch wichtiger als der Umfang ist die Qualität. Gas, Atom und der klimaschädliche Teil der Forstwirtschaft dürfen von der EU Kommission weder bei der Taxonomie noch beim Green Bonds Standard zu klimagerechten Investitionen erklärt werden.

Den ersten großen Schlag musste der Green Deal schon vergangenes Jahr bei der sogenannten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik erleben. Was da als grün verkauft wurde, sind halbgare Lösungen, um angeblich mehr Umweltschutz in die Landwirtschaft zu bringen. Statt fragwürdiger Kleinstveränderungen brauchen wir eine grundsätzliche Reform. Der Agrarsektor ist einer der größten CO2-Emittierer. Deswegen darf EU-Geld nicht mehr nach Größe der Höfe verteilt werden, sondern es müssen strenge Umweltschutzaufgaben her, damit sich die Praktiken ändern. 

Aber auch das Europäische Klimagesetz bleibt hinter unseren Erwartungen und dem wissenschaftlich Notwendigem zurück. Statt 60 Prozent  soll das CO2 Reduktionsziel bei knapp 53 Prozent festgesetzt werden. Auch wenn das erste Europäische Klimagesetz eine historische Möglichkeit bleibt, droht es an der Realität zu zerbrechen.

Für Europäische Klimapolitik braucht man einen langen Atem

Im Juni wird die EU Kommission ihre nächsten Vorschläge vorlegen, darunter auch eine Reform des Emissionshandels inkl. einer Ausweitung auf die Schifffahrt und den Flugverkehr, sowie für einen CO2 Preis für klimaschädliche Importwaren. Die grüne Fraktion im EP kämpft dafür, dass kommende Klimapakete stark genug konzipiert werden, um eine Lenkungswirkung für eine klimagerechte Umstellung unserer Industrie zu entfalten. Nur durch ordnungsrechtliche Instrumente werden Anreize gesetzt, um private Investitionen und Umstellung zu fördern.

Ob der Green Deal erfolgreich wird entscheidet sich vor allem vor Ort

Während wir Europa Grüne weiter für klimagerechte Gesetzespakete kämpfen, müssen wir vor Ort mit der Umsetzung beginnen. Viele Kommunen und Regionen machen sich mit innovativen Ideen schon längst auf den Weg. Wir setzen uns in Brüssel und Berlin dafür ein, dass die Milliarden aus dem EU-Fonds dafür genutzt werden, neue und konkrete Projekte vor Ort zu finanzieren. Durch die 30 Prozent-Klimaquote im EU Haushalt geben wir der Klimafinanzierung einen Push, den Kommunalpolitiker*innen, Unternehmer*innen und Klimabewegte vor Ort für die Umsetzung kluger Ideen nutzen können. Durch eine Quote für Biodiversität sorgen wir dafür, dass die Naturschutzfinanzierung periodisiert wird und nicht hinter klimagerechter Infrastruktur zurückstehen muss.

Ob der Green Deal erfolgreich wird entscheidet sich nur zum Teil in Brüssel. Der wahre Erfolg entscheidet sich vor Ort. Durch kluge Bürgermeister*innen, Landesminister*innen sowie innovativen Unternehmer*innen und Zivilgesellschaft.