CCUS: Kann abgeschiedener Kohlenstoff sinnvoll genutzt werden?

Analyse

Die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von Kohlenstoff (Carbon Capture Use and Storage, CCUS) ist ein Vorschlag, abgeschiedenes Kohlendioxid (CO2) in Industrieerzeugnissen wie Brennstoffen auf Kohlenstoffbasis, kohlensäurehaltigem Wasser oder Chemikalien zu „speichern“. Diese Technik wird von verschiedenen staatlichen, internationalen und industriellen Förderinitiativen als ein mögliches Instrument zur Bekämpfung der Erderwärmung betrachtet. Anja Chalmin unterzieht diese Ansätze hier einer kritischen Prüfung.

Buggenum Pilot CO2-Abscheidung
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Möglichkeiten der Nutzung und des Recyclings: CO2-Abscheidung - Pilotprojekt von Vattenfall in den Niederlanden

Die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von Kohlenstoff (Carbon Capture Use and Storage, CCUS) ist ein Vorschlag, abgeschiedenes Kohlendioxid (CO2) in Industrieerzeugnissen wie Brennstoffen auf Kohlenstoffbasis, kohlensäurehaltigem Wasser oder Chemikalien zu „speichern“. Diese Technik wird von verschiedenen staatlichen, internationalen und industriellen Förderinitiativen als ein mögliches Instrument zur Bekämpfung der Erderwärmung betrachtet.

Im Folgenden finden sich eine Einführung in die CCUS-Technologie, einige Fallbeispiele von CCUS-Pfaden mitsamt kritischer Einschätzung, inwieweit diese CCUS-Ansätze einen sinnvollen Beitrag zum Klimaschutz leisten können, sowie ein Überblick über öffentliche Förderprogramme für CCUS und Investitionsprogramme der Industrie zur Entwicklung von CCUS-Projekten.

In der Bilanz ist festzuhalten, dass das Potenzial von CO2 als Rohstoff für industrielle Prozesse im Verhältnis zu den globalen CO2-Emissionen verschwindend gering ist. Dasselbe gilt für die Speicherungsmöglichkeiten von CO2, weil CCU(S)-Produkte den Großteil des Kohlenstoffs nach kurzer Zeit wieder freisetzen. Der hohe Energiebedarf von CCU(S)-Methoden und die damit verbundene Kohlenstoffbilanz sollten genauestens überprüft werden.

Einführung in die CCUS-Technologie: das CO2-Abscheidungsverfahren

CCUS beginnt immer mit dem Prozess der Abscheidung von CO2 und beruht auf Technologien, die CO2 aus Industrieabgasen oder der Umgebungsluft herausfiltern können. Alle Verfahren zur CO2-Abtrennung basieren auf chemischen Reaktionen, um CO2 aus der Atmosphäre oder aus Abgasen auszuwaschen. Die beiden am weitesten entwickelten Prozesse sind flüssige Lösungs- und feste Sorptionsmittel: CO2 löst sich in flüssigem Lösungsmittel auf oder haftet an der Oberfläche eines festen Sorptionsmittels. Das CO2-Filterverfahren ist jedoch nur ein erster Schritt: Um die Filter wiederholt zu nutzen, müssen diese in der Lage sein, das abgeschiedene CO2 wieder freizusetzen. Dieser Erneuerungsprozess benötigt in der Regel hohe Temperaturen (80°C bis 800°C), was wiederum einen hohen Energiebedarf mit sich bringt:

  • Das Direct-Air-Capture-Verfahren (DAC) benötigt 5 bis 11 GJ elektrischer oder thermischer Energie für die Abscheidung einer Tonne CO2. Um den hohen Energieverbrauch dieses Abscheidungsverfahren zu veranschaulichen, sei hier zum Vergleich angeführt, dass der durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Stromverbrauch in den Haushalten der EU-28 im Jahr 2018 bei 5,68 GJ lag.
  • Die Abscheidung von CO2, das beispielsweise in Kohlekraftwerken bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe ausgestoßen wird, erhöht den Verbrauch fossiler Brennstoffe um bis zu 30 Prozent. Das heißt, dass bei dieser CO2-Abscheidungs-Technologie sogar mehr fossile Brennstoffe gewonnen und verbrannt werden müssten, um dieselbe Menge Energie zu gewinnen.

Im Anschluss an diesen energieintensiven Abscheidungsprozess werden weitere Energiemengen benötigt, um das CO2 zu komprimieren, zu reinigen und zu seiner Weiterverwendung zu transportieren. Dieser zusätzliche Energieverbrauch ist in dem gerade errechneten Energieverbrauch nicht berücksichtigt.

Einführung in die CCUS-Technologie: verschiedene CCUS-Pfade

Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) liegt der jährliche Bedarf an CO2 als Rohstoff weltweit bei etwa 230 Mio. Tonnen, wobei die Düngemittelindustrie der größte Abnehmer ist (ca. 130 Mt), gefolgt von der auf CO2 basierenden tertiären Ölgewinnung (70 bis 80 Mt).

CO2 wird bereits zur Verbesserung des Pflanzenwachstums in Gewächshäusern sowie in der Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln genutzt. Zu weiteren möglichen CCU(S)-Pfaden, die derzeit in der Entwicklung sind, gehören auf CO2 basierende Chemikalien und Treibstoffe, CO2 als Rohmaterial für Kunststoffe oder für die Nutzung als Baumaterial. Allerdings ist CO2 ein thermodynamisch äußerst stabiles Molekül, weshalb Reaktionen mit CO2 in der Regel weitere energieintensive Verarbeitungsschritte erfordern.

Fallstudie: CO2-Düngung in Gewächshäusern

Die schweizerische Climeworks AG, ein Spin-Off der ETH Zürich, entwickelte eine Technologie zur Filterung von CO2 aus der Umgebungsluft. Dieser DAC-Filterungsprozess benötigt zwischen 8,6 und 11,2 GJ thermischer und elektrischer Energie, um eine Tonne CO2 zu erfassen. Diese Energiemenge ist ausreichend, um 1,5 bis 2 Menschen in Europa ein ganzes Jahr mit Strom zu versorgen.

Die erste DAC-Anlage von Climeworks wurde 2017 im schweizerischen Hinwil in Betrieb genommen und liefert das abgeschiedene CO2 an ein nahegelegenes Gewächshaus. Auch wenn die Ventilationsrate in modernen Gewächshäusern niedrig ist, kann ein Luftaustausch mit der Außenluft nicht völlig ausgeschlossen werden. Anders gesagt, gibt es keine Garantie, dass das abgeschiedene CO2 komplett von den Pflanzen absorbiert wird. Die Temperatur und Feuchtigkeit im Gewächshaus, weitere wichtige Faktoren für den Pflanzenwuchs, werden häufig über Lüftungsmaßnahmen gesteuert, was zu weiteren CO2-Verlusten führen kann. Und selbst wenn die Pflanzen den größten Teil des erfassten CO2 absorbieren, wird das meiste davon wieder in die Atmosphäre freigesetzt, sobald die geernteten Gewächshauspflanzen verdaut oder kompostiert werden.

Obwohl die CO2-Düngung zur Stärkung des Pflanzenwachstums für verschiedenste Gewächshauskulturen genutzt werden kann, ist dieser CO2-Pfad nicht für eine permanente CO2-Speicherung geeignet. Viele der laufenden und geplanten Projekte lassen die soeben erwähnten Fakten außer Acht. Das gilt auch für das ATHOS-Projekt, das unter anderem im Amsterdamer Hafengebiet jährlich 7,5 Mio. Tonnen CO2 abscheiden will, wobei die Nutzung in Gewächshäusern zu den geplanten „Speicher“-Optionen für das CO2 gehört. ATHOS soll ein CO2-Speicherzentrum werden, das von einem Konsortium verwaltet wird, zu dem Gasunie, Energie Beheer Nederland B.V. (EBN), der Hafen von Amsterdam und Tata Steel gehören. Im Februar 2020 wurde der Projektvorschlag vom Europäischen Parlament als ein „Vorhaben von gemeinsamem Interesse“ bestätigt.2

Der Energiebedarf und die Emissionen, die bei der Abscheidung, Kompression und dem Transport des CO2 zur Düngung in Gewächshäusern entstehen, sollten eingehend analysiert und bewertet werden, auch im Hinblick auf den vorgeschlagenen grenzüberschreitenden Transport von CO2.

Fallstudie: CO2 als Rohstoff für die Düngerproduktion

Mit vier Anlagen in den Bundesstaaten Andra Pradesch und Uttar Pradesch ist Indien derzeit das Land mit der größten Anzahl an CCU(S)-Projekten zur Düngemittelproduktion. Alle Anlagen scheiden jährlich zwischen 0,05 und 0,15 Mio. Tonnen CO2 aus Abgasen ab, die bei der Ammoniakherstellung entstehen und nutzten das abgeschiedene CO2 als Rohstoff für die Produktion von Harnstoff.

Die Herstellung von Harnstoff ist ein energieintensiver Prozess, weil dazu hohe Temperaturen und hoher Druck benötigt werden. Der durchschnittliche Energiebedarf pro Tonne Harnstoff beträgt mehr als 5 GJ, wobei Kohle die primäre Energiequelle bei der Harnstoffproduktion ist. Der CO2-Verbrauch pro Tonne Harnstoff wird auf etwa 740 kg geschätzt. Shi et al. (2020) errechneten, dass die Menge an Treibhausgasen, die bei jeder produzierten Tonne Harnstoff erzeugt wird, einem CO2-Äquivalent von über 2.180 kg entspricht.

Die Harnstoffproduktion ist aus mehreren Gründen ungeeignet für die CO2-Speicherung. Beim Herstellungsprozess werden große Mengen an Treibhausgasen erzeugt. Kommt dann noch ein energieintensives CO2-Abscheidungsverfahren dazu, würde das den Energieaufwand pro Tonne produziertem Harnstoff weiter in die Höhe treiben. Zudem würde ein erheblicher Anteil des „gespeicherten“ CO2 nach kurzer Zeit wieder in die Atmosphäre gelangen, nachdem der Dünger auf landwirtschaftliche Anbauflächen ausgebracht wurde.

Fallstudie: CO2 als Rohstoff für Lebens- und Futtermittel

Die in den USA ansässige Air Company füllt Wodka ab, der auf CO2 basiert, das aus der Luft abgeschieden wurde. Andere CCU(S)-Produzenten nutzen abgeschiedenes CO2 als Rohstoff für Produkte wie Proteine für Lebens- und Futtermittel, eiweißreiches Fleisch, kohlensäurehaltige Getränke und Trockeneis. Für die Herstellung proteinhaltiger Nahrungs- und Futtermittel wird das abgeschiedene CO2 häufig an Algen und/oder Mikroorganismen verfüttert und die dabei entstehende Biomasse ist der Ausgangsstoff für die Extraktion der Proteine. Der finnische Produzent SolarFoods entwickelte einen anderen Ansatz: Das Unternehmen entzieht der Umgebungsluft das CO2 und wandelt es mit Hilfe von Elektrizität und Luft in Proteine um.

Dieser CCU(S)-Pfad zeichnet sich auch durch kurze Produktlebenszyklen aus. Daher kann keines dieser so gefertigten Lebens- und Futtermittel eine permanente Speicher-Option bieten. Wenn ein solches Produkt konsumiert wird, wird der größte Teil des CO2 innerhalb kurzer Zeit wieder in die Atmosphäre freigesetzt. Das energieintensive CO2-Abscheidungsverfahren wird sich auf die Ökobilanz der hergestellten Nahrungs- und Futtermittel auswirken, aber es liegen noch keine transparenten Bewertungen vor.

Fallstudie: CO2 als Rohstoff für Brennstoffe

CO2 kann als Rohstoff für die Produktion von Brennstoffen genutzt werden, beispielsweise durch die Fischer-Tropsch-Synthese. Bei diesem Pfad wird abgeschiedenes CO2 normalerweise mit Wasserstoff kombiniert. Dieser Vorgang erfordert beträchtliche Energiemengen, da CO2 ein inertes (reaktionsträges) Molekül ist. Trotz des hohen Energieverbrauchs nimmt die Zahl der öffentlichen und privaten Projekte zur Entwicklung von Brennstoffen auf CO2-Basis stetig zu und es werden Gelder in Hülle und Fülle dafür bewilligt. Im Juni 2020 wurden zwei neue Kooperationen bekannt:

  • Norsk e-Fuel AS gab bekannt, bis 2023 die erste Anlage für seine Power-to-Liquid-Technologie im norwegischen Herøya bauen zu lassen, in dem Kraftstoffe aus CO2, Wasser und Strom hergestellt werden sollen. Die Anlage wird mit der CO2-Filtertechnologie von Climeworks ausgestattet. Die deutsche Sunfire GmbH liefert die Technologie zur Herstellung von Synthesegas mit Hilfe hoher Temperaturen und hohem Druck. Beide Produktionsschritte sind sehr energieintensiv.
  • Die Lufthansa Group, Climeworks und Synhelion unterzeichneten eine Absichtserklärung, gemeinsam synthetische Flugkraftstoffe produzieren zu wollen. Auch hier würde Climeworks wieder seine DAC-Technologie einbringen und Synhelion, ein weiterer Ableger der ETH Zürich, würde seine Solarthermie-Technologie beisteuern, um CO2 und H2O in Synthesegas umzuwandeln, ein Prozess, der Temperaturen von 1.500°C benötigt. Das Synthesegas wird anschließend durch die Fischer-Tropsch-Synthese zu Kraftstoffen verarbeitet.

Das deutsche Unternehmen CAPHENIA entwickelte einen etwas anderen Ansatz und produziert Synthesegas aus Biogas (Methan), CO2, H2O und Strom. Zum energieintensiven Produktionsprozess gehören die folgenden Schritte: (1) Methan spaltet sich bei 2.000°C in Kohlen- und Wasserstoff auf, (2) erhitzter Kohlenstoff und vorgewärmtes CO2 werden gemischt und bei 1.000°C in Kohlenmonoxid umgewandelt, (3) Wasser wird hinzugefügt und reagiert zu Kohlenmonoxid und Wasserstoff, (4) Synthese der Kraftstoffe auf Basis von Wasserstoff und Kohlenmonoxid. CAPHENIA will synthetische Kraftstoffe für Flugzeuge, Schiffe und Autos entwickeln. Die Lufthansa AG sowie die Luftfahrtverbände der Schweiz und Österreichs unterstützten die F&E-Aktivitäten mit über 9 Mio. Euro.

Die Produktion auf Kraftstoffen aus CO2 basiert erneut auf energieintensiven CO2-Abscheidungsverfahren, gefolgt von ebenfalls sehr energieintensiver Weiterverarbeitung und der produzierte Kraftstoff wird kurz- oder mittelfristig verbraucht. Daher kommt auch dieser Pfad nicht als CO2-Speicheroption in Frage.

Fallstudie: CO2 als Rohmaterial für die Bauindustrie

Abgeschiedenes CO2 kann als Rohstoff für die Herstellung verschiedener Baumaterialien genutzt werden, zum Beispiel für Bausteine oder Dachziegel. Dazu ist ein Verfahren zur mineralischen Karbonisierung notwendig: CO2 reagiert mit einem Metalloxid und bildet dabei Magnesium- oder Calciumcarbonat. Das Karbonisierungsverfahren selbst ist energieintensiv. Dazu kommt noch der erforderlich Abbau und Transport der Mineralien.

In weiteren Ansätzen wird versucht, Zement oder Beton zu ersetzen: Terra CO2Technologies Ltd. entwickelt ein Verfahren zur Umwandlung von abgeschiedenem CO2 und bergbaulichen Abfällen in zementartige Materialien und die Firma Carbicrete stellt Beton aus Stahlschlacke und abgeschiedenem CO2 her.

Im Gegensatz zu CCU(S)-Produkten wie Lebensmitteln, synthetischen Kraftstoffen oder Getränken könnten diese Verfahren theoretisch in der Lage sein, CO2 für längere Zeiträume zu speichern. Aber auch diese Ansätze haben einen sehr hohen Energieverbrauch. Zudem sind Gebäude zwar in unserer Vorstellung meist permanente Strukturen, aber auch sie haben einen begrenzten Lebenszyklus. In China, dem größten Zementproduzenten der Welt, sind gewöhnliche Häuser auf eine Lebensdauer von 50 Jahren ausgelegt. Allerdings beträgt die tatsächliche Lebensdauer von chinesischen Gebäuden aus Stein und Beton oder aus Stahlbeton einer Studie von Bai et al (2019) zufolge lediglich 30 bis 40 Jahre, was auf die eingesetzten Materialien und Bautechniken zurückzuführen ist. Eine 2016 im Auftrag des Europäischen Parlaments durchgeführte Studie ermittelte eine Austauschrate bei Gebäuden von etwa einem Prozent pro Jahr, woraus sich rechnerisch eine durchschnittliche Nutzungsdauer von Gebäuden in Europa von etwa 100 Jahren ergibt. Bis 2020 will die Europäische Kommission durchsetzen, dass 70 Prozent des Bauschutts wiederverwendet werden, darunter auch Beton, der recycelt oder als Verfüllmaterial verwendet werden kann. Um eine Wiederverwendung zu ermöglichen, muss der Betonschutt einer Wiederaufbereitung unterzogen werden, beispielsweise durch eine thermisch-mechanische Behandlung bei einer Erhitzung auf etwa 650°C für eine Stunde. Es ist noch nicht bekannt, welche Auswirkungen diese Behandlung auf abgeschiedenes CO2 hat.

Internationale Förderprogramme für CCUS

Am ACT-Programm – Beschleunigung von CCS1-Technologien (Accelerating CCS Technologies) als neue kohlenstoffarme Energieträger – sind 13 Partnerländer aus Europa und Nordamerika beteiligt. Bisher hat das Konsortium hauptsächlich in CCS-bezogene F&E investiert, aber im Juni 2020 wurde eine Ausschreibung für die Entwicklung von CCUS-Technologien lanciert, für die rund 30 Mio. Euro zur Verfügung stehen.

Die MIC3 Carbon Capture and Storage Challenge wurde von Mission Innovation in die Wege geleitet, einer staatlichen Initiative mit Mitgliedsländern aus vier Kontinenten. MIC3 begann 2017 unter der Leitung des britischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie und Industriestrategie und wurde mit rund 90 Mio. Euro ausgestattet. Der MIC3-Aktionsplan zielt auf eine erhebliche Reduzierung der CO2-Emissionen aus Kraftwerken und kohlenstoffintensiven Industrien durch die Umsetzung und Vermarktung von CCS- und CCUS-Technologien ab.

Die Öl- und Gas-Klimainitiative (Oil and Gas Climate Initiative, OGCI) wurde von Unternehmen aus der Öl- und Kraftstoffbranche gegründet und wird auch von ihnen finanziert. Zu den Unternehmen gehören unter anderem BP, Chevron, ExxonMobil, Occidental, Petrobas, Saudi Aramco, Shell und Total. Die Mitgliedskonzerne kündigten 2016 an, die OGCI über zehn Jahre mit 1 Mrd. USD zu finanzieren, um CCS- und CCUS-Innovationen zu fördern, die das Potenzial haben, Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Die Initiative plant, fünf sich herausbildende CCUS-Zentren zu unterstützen und in rund 25 Ländern neue CCUS-Zentren zu identifizieren.

Staatliche Förderprogramme für CCUS

Die meisten staatlichen CCUS-Programme werden in den USA, Europa und Großbritannien durchgeführt.

Die US-Regierung legte 2019 ein Förderprogramm für CCS/CCUS auf. Damit sollen CO2-Emissionen aus der Nutzung fossiler Energieträger reduziert werden. Geplant ist, den Einsatz von CCUS an vier Projektstandorten mit bis zu 20 Mio. USD aus dem US-Haushalt zu unterstützen. Das National Carbon Capture Centre (NCCC) in Wilsonville, Alabama, ist eine öffentlich-private Partnerschaft, die sowohl von staatlichen Einrichtungen als auch von der Öl- und fossilen Brennstoffindustrie finanziert wird, unter anderem von ExxonMobil, American Electric Power und Total. Im Mai 2020 kündete das NCCC an, seine Testprogramme auf die Entwicklung einer wettbewerbsfähigen CCUS-Option auszuweiten. Eine weitere öffentlich-private Partnerschaft ist das Wyoming Integrated Test Centre (ITC). An sechs Demonstrationsanlagen in Wyoming werden  F&E-Projekte zu CCUS und CCS mit Abgasen aus Kohlekraftwerken durchgeführt. Neben den von Washington und bundesstaatlichen Regierungen aufgelegten Programmen fließen auch öffentliche Gelder in Forschungsprojekte der Wirtschaft, beispielsweise über das Konjunktur- und Investitionsgesetz (American Recovery and Investment Act), ein Programm, das vom US-Energieministerium finanziert wird (US-DOE). Im Rahmen dieses Programms erhielt die Alcoa Inc. 13,5 Mio. USD für die Abscheidung von CO2 und seine Umwandlung in mineralische Carbonate; die Touchstone Research Laboratory Ltd. wurde mit 6,7 Mio. USD für die Abscheidung von CO2 und dessen Umwandlung in Algenlipide gefördert.

Der Innovationsfonds der Europäischen Kommission zielt darauf ab, innovative kohlenstoffarme Technologien aufzuzeigen. Anfang Juli 2020 wurde die erste Aufforderung zur Einreichung von Projektvorschlägen veröffentlicht. Über den Fonds sollen in den nächsten zehn Jahren bis zu 10 Mrd. Euro investiert werden und CCUS zählt zu den förderfähigen Innovationen. Das EU-Rahmenprogramm Horizont2020 unterstützt mehrere laufende CCUS-Forschungsprojekte, darunter STRATEGY CCUS, eCOCO2, ECO-BASE, ALIGN-CCUS und LEILAC. Das Projekt STRATEGY CCUS (Strategic Planning of Regions and Territories in Europe for Low-Carbon Energy and Industry through CCUS) will CCUS als kohlenstoffarme Energie- und Industrieoption für Süd- und Osteuropa erforschen und entwickeln. Das Programm eCOCO2 mit dem Titel „Direct electrocatalytic conversion of CO2 into chemical energy carriers in a co-ionic membrane reactor“ will ein skalierbares CO2-Umwandlungsverfahren für die Produktion von „kohlenstoffneutralen“ synthetischen Flugzeugtreibstoffen entwickeln und demonstrieren. Das mit 23 Mio. Euro ausgestattete Projekt ALIGN-CCUS (Accelerating Low Carbon Industrial Growth through CCUS) bezeichnet CCUS als eine mögliche Option, Kohlenstoff zu reduzieren, und will sechs europäische Industrieregionen in kohlenstoffarme Zentren umwandeln. Das Baltic Sea Region Network of CCS (BASRECCS), ein von den baltischen Staaten und dem Global CCS Institute gefördertes Netzwerk, kündigte 2018 seine Unterstützung für CCUS-Projekte an. Das Netzwerk strebt an, bis 2030 mindestens ein voll funktionsfähiges CCS & CCUS-Projekt im Ostseeraum zu ermöglichen, dem bis 2040 ein Netzwerk weiterer CCS & CCUS-Projekte folgen soll.

Das britische Ministerium für Energie und sauberes Wachstum brachte 2018 den CCUS – UK Action Plan auf den Weg. Mit dem Aktionsplan, einer öffentlich-private Initiative, die über ein Budget von 20 Mio. Pfund (knapp 22 Mio. Euro) verfügt, soll die Entwicklung und der Aufbau von CCUS-Technologien an Industriestandorten im gesamten Königreich unterstützt werden. Im Jahr 2019 wurde die Bildung einer CCUS-Beratungsgruppe angekündigt, die bei der Umsetzung des Aktionsplans mitwirken soll. Die auf fossilen Brennstoffen beruhende Energiewirtschaft ist in dieser Beratungsgruppe gut vertreten, unter anderem durch Shell, BP, Tata Steel und Drax. Im April 2020 kündigte die britische Regierung an, das South Wales Industrial Cluster (SWIC) finanziell zu unterstützen. SWIC will die Emissionen an kohlenstoffintensiven Standorten in Südwales reduzieren, zum Beispiel von Kraftwerken, Raffinerien oder der Bauindustrie. Zu den finanzierten Vorhaben gehören auch CCS und CCUS. Weitere öffentlich-private Programme sind HyNet und Net Zero Teesside. Beide wollen das bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe freigesetzte CO2 abscheiden und zu nahegelegenen Industriestandorten oder für Offshore-Injektionen an die Irische bzw. Nordsee transportieren.

Das UK-China Guangdong CCUS Centre (GDCCUSC) wurde 2013 gegründet und wird mit staatlicher Unterstützung aus Großbritannien, China, den USA sowie von Partnern aus der Industrie wie Alstom, Shell Cansolv und dem Global CCS Institute finanziert. Das Zentrum will die Entwicklung von CCS und CCUS in der chinesischen Provinz Guangdong fördern, beispielsweise indem der Einsatz von CCS-/CCUS-Technologie in der Raffinerie von Huizhou getestet wird.

In Japan gewährte das Research Institute of Innovative Technology for the Earth Gelder für ein CCUS-Demonstrationsprojekt in Osaka: Die japanische Firma Mitsui Chemicals errichtete eine Demonstrationsanlage für die Produktion von Methanol aus industriellen CO2-Abströmen. Das von der japanischen Regierung finanzierte Tomakomai CCS Demonstration Project scheidet CO2 an einem mit fossilen Brennstoffen betriebenen Kraftwerk ab. Ursprünglich wurde das Projekt für die Entwicklung von CCS-Technologie gegründet, aber seit April 2020 wird die Anlage auch genutzt, um CCUS-Technologie wie die Methanol-Synthese zu entwickeln und zu demonstrieren, bei der das abgeschiedene CO2 als Rohstoff dient.

Ausblick

Laut der IEA liegt der weltweite jährliche Bedarf an CO2 als Rohstoff für industrielle Prozesse bei etwa 230 Mio. Tonnen, was weniger als einem Prozent der globalen jährlichen CO2-Emissionen entspricht. Die IEA schätzt, dass der jährliche Bedarf durchschnittlich um 1,7 Prozent steigen wird (ca 2,5 Mio. Tonnen pro Jahr).

Das Interesse an CCUS-Technologien ist in den letzten Jahren gestiegen, was sich in der steigenden Zahl an Projekten und der höheren Finanzierung widerspiegelt. Der Großteil der CCUS-Projekte stellt keine Informationen über die Quellen und die Höhe der Finanzierung zur Verfügung, weshalb die Höhe der weltweiten Investitionen in CCUS schwer zu schätzen ist. Die bekannten Investitionen belaufen sich auf 715 Mio. Euro, davon 54,6 Prozent aus der Industrie, 44 Prozent aus öffentlichen Quellen und 1,4 Prozent von Stiftungen. Das US-amerikanische Energieministerium, das britische Transportministerium und die Europäische Union sind die größten öffentlichen Finanzierungsorgane. Die Liste der industriellen Geldgeber liest sich wie ein Unternehmensverzeichnis der Öl- und fossilen Brennstoff-Industrien: Audi, BP, British Airways, Chevron, China Steel Corporation, ENI, Equinor, ExxonMobil, Lufthansa Group, Occidental, Petrobas, REPSOL, Saudi Aramco, Shell, Swiss, TOTAL, Virgin Atlantic, …

CO2 zu recyceln anstelle es zu emittieren verschafft ein grünes Image – zumindest auf den ersten Blick. Aber das Klima ist mit CCU(S) nicht zu retten, weil die Anwendungsmöglichkeiten und die benötigten Mengen von CO2 für chemische Prozesse und Materialien begrenzt sind. Außerdem muss die Kohlenstoffbilanz für CCU(S)-Produkte erst noch durch unabhängige Studien bewertet werden, denn alle Reaktionen mit CO2 sind auf hohe Mengen an Energiezufuhr angewiesen. Vor allem aber ist festzuhalten, dass die vorgeschlagenen Lösungen einen Großteil des „gespeicherten“ Kohlenstoffs nach (zu) kurzer Zeit wieder freisetzen. Angesichts des beträchtlichen Energieaufwands der CCUS-Ansätze führt die Nutzung von CO2 nicht zwangsläufig zu einer Reduzierung (sondern möglicherweise sogar zu einer Erhöhung) der Emissionen und deshalb sollten Investitionen in Maßnahmen zur Vermeidung von CO2-Emissionen Priorität haben.

Der Beitrag erschien zuerst in englisch auf GeoengineeringMonitor.

Anmerkungen:

Mit Hilfe der fett gedruckten Schlagwörter sind die entsprechenden CCUS-Projekte in der interaktiven Weltkarte zu Geoengineering-Experimenten und -projekten zu finden: http://map.geoengineeringmonitor.org

Dieser Text ist zuerst in englischer Sprache und leicht abgewandelter Form auf dem GeoengineeringMonitor erschienen.

Weiterführende Informationen

ETC Group und Heinrich-Böll-Stiftung (2020) Geoengineering Map, https://map.geoengineeringmonitor.org/

Heinrich-Böll-Stiftung und ETC Group (2020) Geoengineering – Technical Briefing: Carbon Capture and Storage (CCS), Juli 2020

Heinrich-Böll-Stiftung und ETC Group (2020) Geoengineering – Technical Briefing: Carbon Capture Use and Storage (CCUS), Juli 2020

Heinrich-Böll-Stiftung und ETC Group (2020) Geoengineering – Technical Briefing: Direct Air Capture (DAC), Juli 2020

Quellen:

Artola, et al. (2016) Boosting Building Renovation: What potential and value for Europe?, Europäisches Parlament, Fachabteilung Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik, Oktober 2016, https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2016/587326/IPOL_STU(2016)587326_EN.pdf

Bai, et al. (2019) Spatial and Temporal Variations of Embodied Carbon Emissions in China’s Infrastructure, in Sustainability, Vol. 11, https://doi.org/10.3390/su11030749

Batool and Wezels (2019) Decarbonisation options for the Dutch fertilizer industry, PBL Netherlands Environmental Assessment Agency, The Hague, publication number 3657, https://www.pbl.nl/sites/default/files/downloads/pbl-2019-decarbonisation-options-for-the-dutch-fertiliser-industry_3657.pdf

Bhushan, et al. (2019) How green is the urea sector?, in: DownToEarth, published: June 05, 2019, https://www.downtoearth.org.in/news/agriculture/how-green-is-the-urea-sector–64836

ETC Group und Heinrich-Böll-Stiftung (2020) Geoengineering Map, https://map.geoengineeringmonitor.org/

Europäische Kommission (2019) Waste: Construction and Demolition Waste, Dezember 2019, https://ec.europa.eu/environment/waste/construction_demolition.htm

Heinrich-Böll-Stiftung und ETC Group (2020) Geoengineering – Technical Briefing: Carbon Capture and Storage (CCS), Juli 2020, LINK

Heinrich-Böll-Stiftung und ETC Group (2020) Geoengineering – Technical Briefing: Carbon Capture Use and Storage (CCUS), Juli 2020, LINK

Heinrich-Böll-Stiftung und ETC Group (2020) Geoengineering – Technical Briefing: Direct Air Capture (DAC), Juli 2020, LINK

EUROSTAT (2019) Electricity and heat statistics, abgerufen: Juni 2020, https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Electricity_and_heat_statistics

Internationale Energieagentur (2019) Putting CO2 to Use. Creating value from emissions, veröffentlicht: September 2019, https://maritimecyprus.files.wordpress.com/2019/11/putting_co2_to_use.pdf

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Shi, et al. (2020) Evaluation of Industrial Urea Energy Consumption (EC) Based on Life Cycle Assessment (LCA), in: Sustainability, Vol 12, https://doi.org/10.3390/su12093793

Stanghellini, et al. (2008) Carbon dioxide fertilization in Mediterranean greenhouses: when and how is it economical?, in Acta horticulturae, Vol. 807, January 2008, https://doi.org/10.17660/ActaHortic.2009.807.16

Wang, et al. (2014) CO2 Fertilization System Integrated with a Low-cost Direct Air Capture Technology, in: Energy Procedia, Vol. 63: 6842-6851, https://doi.org/10.1016/j.egypro.2014.11.718

1 Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (Carbon Capture and Storage

2 Auf der Liste zu stehen bedeutet, dass das Projekt eine vorrangige Finanzierung beantragen kann, wobei nicht garantiert ist, dass es überhaupt finanziert wird.