COP25 in Madrid – ein scheiternder Prozess trifft auf eine Welt in Bewegung

Analyse

Die Regierungen in Madrid haben es versäumt, die dringend nötige Klimagerechtigkeit und höhere Klimaziele auf den Weg zu bringen.

A girl speaking at COP25 in front of many young people

Am Ende der COP 25 in Madrid waren sich die wichtigsten Beobachter/innen der Gespräche einig: Die an der Konferenz teilnehmenden Regierungen hatten gegenüber den Menschen und dem Planeten versagt, weil sie sich trotz der Dringlichkeit weigerten, sinnvolle Beschlüsse zu verabschieden und sich zu einer Erhöhung der Klimaziele zu verpflichten. Selbst der UN-Generalsekretär brachte seine Enttäuschung über die Ergebnisse zum Ausdruck: „Die internationale Gemeinschaft hat eine wichtige Gelegenheit verpasst, ihre Ambitionen in den Bereichen Minderung, Anpassung und Finanzierung zur Bewältigung der Klimakrise zu verstärken.“

Die im Laufe des Jahres immer offensichtlicher und größer werdende Diskrepanz zwischen den Forderungen der Menschen und der Untätigkeit der Regierungen hatte im Vorfeld der COP dafür gesorgt, dass die Erwartungen an diese Konferenz sehr hoch waren.

Nie zuvor hatten so viele junge Menschen in den Großstädten auf dem gesamten Planeten für dringende Klimaschutzmaßnahmen demonstriert.

Nie zuvor wurden wir so eindringlich vor dem Zusammenbruch unserer Ökosysteme und den Risiken für die Menschheit gewarnt, wenn wir weiterhin unsere Abhängigkeit von der Artenvielfalt ignorieren.

Nie zuvor waren Menschen in so vielen Ländern auf die Straße gegangen, um die zunehmende soziale Ungleichheit und den Mangel an Gerechtigkeit anzuprangern.

Und dennoch wurden die in Madrid versammelten Regierungen nicht der Notwendigkeit gerecht, für mehr Klimagerechtigkeit und höhere Klimaziele zu sorgen.

Die Situation in Chile

Schon das Ringen um den Austragungsort der COP ist bezeichnend dafür, wie schwierig das politische Umfeld für die diesjährigen Verhandlungen war. Ursprünglich war Brasilien als Gastgeberland der COP 25 vorgesehen, aber die rechtsextreme Regierung von Jair Bolsonaro widerrief kurz nach ihrem Wahlsieg Brasiliens Angebot zur Ausrichtung der Konferenz. Stattdessen sorgte sie dafür, dass Brasilien innerhalb eines Jahres von einem wichtigen Befürworter von Klimaschutzpolitik zu einem aktiven Leugner des Klimawandels wurde, der Klimaschutzmaßnahmen behindert. Gleich nach dem Rückzug Brasiliens bot sich Chile – auf der COP 24 – zusammen mit Costa Rica als Gastgeber der COP 25 an. Aber nur wenige Wochen vor dem geplanten Beginn der Veranstaltung, als alle Planungen dafür schon abgeschlossen waren, sah sich der chilenische Präsident Sebastian Piñera gezwungen, Chiles Angebot, die Konferenz in Santiago auszurichten, wieder zurückzunehmen. Aufgrund der zunehmenden sozialen Ungleichheiten war in dem Land eine beispiellose Welle sozialer Unruhen ausgebrochen und die chilenische Regierung sah sich nicht in der Lage, den Forderungen der Menschen entgegenzukommen.

Nach Tagen der Ungewissheit und nur fünf Wochen vor dem planmäßigen Beginn der COP erklärte sich Spanien bereit, die Konferenz in Madrid zu veranstalten, wobei Chile nach wie vor die Präsidentschaft innehaben sollte. Spaniens Entscheidung sorgte zwar dafür, dass die COP nicht ausgerechnet in einem Moment verschoben werden musste, in dem wichtige Klimamaßnahmen ohne weiteren Zeitverzug zu beschließen waren, aber die Verlegung der Konferenz in ein anderes Land auf einem anderen Kontinent führte doch dazu, dass die Teilnahme kleinerer Staaten und Hunderter zivilgesellschaftlicher Organisationen erschwert wurde – unter anderem auch die Teilnahme sozialer Bewegungen und indigener Völker aus Chile und ganz Lateinamerika, die sich intensiv für eine Mobilisierung der Öffentlichkeit rund um die COP engagiert hatten.

Trotz der Verlegung der COP nach Madrid fanden der geplante Alternativgipfel der chilenischen Klimabewegung SCAC (Sociedad Civil por la Acción Climática) und der People’s Summit nach wie vor in Santiago de Chile statt. Auch wenn die internationale Beteiligung erheblich kleiner war als ursprünglich erwartet und auch die internationale Presse weitgehend durch Abwesenheit glänzte, organisierten beide Plattformen in der Stadt hervorragende Workshops, Podiumsdiskussionen mit Expert/innen und kulturelle Aktivitäten. Eine der wichtigsten Botschaften vor dem Hintergrund der noch immer das Land erschütternden politischen Unruhen war, dass Menschenrechte und klimawandelbedingte Probleme aufs Engste miteinander verflochten sind. Die auf den Alternativgipfeln in Santiago und Madrid vertretenen lateinamerikanischen Organisationen fassten ihre Forderungen in einem Lateinamerikanischen Manifest zum Klimaschutz zusammen, das am 9. Dezember zeitgleich in beiden Städten veröffentlicht wurde. In dieser Erklärung wird nicht nur der große Stellenwert von Menschen-, indigenen und Frauenrechten in den internationalen und regionalen Klimaschutz-Agenden hervorgehoben, sondern auch betont, wie wichtig eine Umweltgerechtigkeit für die Bewältigung der aktuellen sozialen Probleme und der Klimakrise in der Region ist.

Während die mit größeren Finanzressourcen und Netzwerken ausgestatteten Nichtregierungsorganisationen ihre Aktivitäten nach Madrid verlagern konnten, fehlten vielen der kleineren Organisationen die Mittel dazu. Das war aber nicht die einzige Enttäuschung für diejenigen, die sich eine starke lateinamerikanische Mitwirkung an den Klimaverhandlungen erhofft hatten. Besonders misslich war, dass sich die chilenische Präsidentschaft auf der Eröffnungssitzung in eine politische Sackgasse manövrierte, als ihr das Fingerspitzengefühl fehlte, ein starkes Bündnis zwischen den lateinamerikanischen und karibischen Ländern zu schließen, insbesondere mit den progressiveren Blöcken wie den AILAC-Ländern (Asociación Independiente de America Latina y Caribe), das ein hilfreiches Gegengewicht gegen Brasilien, den Klimawandel-Leugner aus der Region, hätte bilden können. Das war vor allem deshalb bedauerlich, weil die besonders vom Klimawandel betroffenen Länder der Region ihre Hoffnungen auf eine „lateinamerikanische COP“ gerichtet hatten, auf der ihren Belangen und Prioritäten im Zusammenhang mit Schäden und Verlusten angemessenes Gewicht und Gehör eingeräumt worden wäre.

Zudem trugen das begrenzte politische Kapital der chilenischen Präsidentschaft und die düstere Menschenrechtsbilanz des Landes im Vorfeld der COP dazu bei, dass die Verhandlungsergebnisse so mager ausfielen. Alejandro Alemán vom lateinamerikanischen Climate Action Network beklagte, dass „die dürftigen Konferenzergebnisse die sozialen und politischen Bedingungen in vielen Ländern unserer Region widerspiegeln, insbesondere aber die Situation in dem Land, das die Präsidentschaft der COP 25 innehat (Chile). Die enttäuschenden Ergebnisse machen deutlich, dass der Übergang zu nachhaltigeren Gesellschaften schwieriger ist, wenn die Grundfesten der Demokratie und der Menschrechte geschwächt sind.“ Das SCAC-Bündnis kritisierte öffentlich, dass „die chilenische Führung den Herausforderungen nicht gewachsen war und sich mehr an den Interessen der umweltverschmutzenden Industrien orientierte als an den Bedürfnissen der Menschen.“ Zudem äußerte es seine Besorgnis, dass die Regierung nicht auf die sozialen Forderungen der Bürgerinnen und Bürger eingehe. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Chile sich weiterhin weigert, das Abkommen von Escazú zu unterzeichnen, das dazu beitragen würde, Menschenrechtsaktivist/innen zu schützen und die Partizipation von Bürger/innen in der Klimapolitik und Umweltfragen zu garantieren.

Ambition

Aufgrund mangelnder politischer Führungsstärke auf der COP 25 wurden zwei wesentliche Grundsätze des UN-Prozesses zum Klimawandel unterminiert: Ambition und Klimagerechtigkeit (auf Letzteres kommen wir weiter unten noch zurück.)

Die COP 25 war mit der schwierigen Aufgabe betraut, auf eine Erhöhung der Klimaziele zu drängen. Sowohl die Glaubwürdigkeit des Abkommens von Paris als auch die 2015 vereinbarte Begrenzung der Erderwärmung hängen zum großen Teil von der Bereitschaft der Länder ab, noch vor Ende 2020 höhere Minderungszusagen zu machen. In der Tat machen die zusehends düsteren Warnungen des Weltklimarats und der Wissenschaft im vergangenen Jahr die Dringlichkeit deutlich, die Klimaziele nicht erst nach 2020 zu erhöhen, sondern bereits früher. Der unbedingte Handlungsbedarf in Sachen Klimaschutz war das Schlüsselthema des gesamten Jahres 2019 – sowohl als Reaktion auf die Mobilisierung durch die Fridays-for-Future-Bewegung und die Millionen von Menschen, die sich weltweit für den Klimaschutz einsetzen, als auch aufgrund der Tatsache, dass sich die Auswirkungen des Klimawandels immer verheerender bemerkbar machen. Drei Monate vor der COP hatte der UN-Generalsekretär mit der Einberufung eines Klimasondergipfels in New York versucht, Dynamik in die Verstärkung des Klimaschutzes zu bringen. Der Gipfel wurde jedoch zu einer Enttäuschung, da keins der Länder mit den höchsten Emissionen zusagte, ihre Ambitionen vor Ende 2020 zu erhöhen. Zwar versprachen 67 Länder, ihre Ziele in den kommenden 12 Monaten zu erhöhen, aber die betreffenden Länder sind nur für 8% des globalen Treibhausgasausstoßes verantwortlich.

Obwohl es so dringend erforderlich ist, diesen Zustand zu ändern und noch vor dem so wichtigen Zeitfenster im nächsten Jahr höhere Klimaziele durchzusetzen, stand die Erhöhung der Klimaziele nicht einmal ausdrücklich auf der Tagesordnung der COP 25. Letztlich spiegelte sich die Wichtigkeit einer Anhebung der Klimaziele in lediglich zwei Elementen der auf der COP 25 angenommenen Beschlüsse wider. Zum einen enthält das in Madrid verabschiedete Abschlussdokument einige verworrene Hinweise auf die Wichtigkeit, im nächsten Jahr möglichst ehrgeizige höhere Klimaschutzzusagen zu machen. Aber in den vorsichtigen Formulierungen und der fehlenden eindeutigen Forderung an die Vertragsstaaten, Minderungsziele in einer Höhe zuzusagen, die für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens nötig wären, zeigt sich der Widerstand vieler wichtiger Akteure, ihren Verpflichtungen nachzukommen, die Erderwärmung unter 1,5º zu halten. Zum anderen versuchten die Regierungen weiterhin, die Initiativen von Akteuren, die keine Vertragsparteien sind (vor allem subnationale Regierungen und Unternehmen), herauszustellen, obwohl es diesen Initiativen an Rechenschaftspflicht und Überwachungsmechanismen mangelt, mit denen sichergestellt werden könnte, dass die angekündigten Minderungsziele auch tatsächlich erreicht werden.

Als einzige der großen Emittenten machte die Europäische Union auf der COP 25 eine bedeutsame Ankündigung, als die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekannt gab, dass die Kommission einen europäischen Grünen Deal vorlegen werde. Dieser auf die gesamte Wirtschaft abzielende Plan wurde im Laufe der COP öffentlich gemacht und beinhaltet das Ziel, Europa durch Investitionen in nachhaltige Lösungen und durch eine Reihe von Maßnahmen in allen wichtigen Wirtschaftssektoren zum ersten „klimaneutralen Kontinent“ zu machen. Auch wenn viele der Maßnahmen im Vergleich zu vorhergehenden Strategien tatsächlich einen Fortschritt darstellen, bleibt der „Grüne Deal“ der Kommission in vielerlei Hinsicht hinter den Erwartungen zurück.

Erstens verlässt sich der Deal trotz seiner Anspielung auf Franklin Delano Roosevelts tiefgreifende Reformen in den 1930er-Jahren in erster Linie auf private Akteure, um die Dekarbonisierung zu beschleunigen, statt auf Reformen und Anordnungen seitens der Regierungen. Im europäischen Grünen Deal wird zwar auf die Bedeutung eines gerechten Übergangs und auf Maßnahmen hingewiesen, mit denen sichergestellt werden soll, dass durch die Dekarbonisierung des Kontinents keine Arbeiterinnen und Arbeiter zurückgelassen werden, aber im Vordergrund des Deals steht doch vor allem, die Wettbewerbsfähigkeit von EU-Unternehmen zu sichern und ökonomische Anreize für Wirtschaftsakteure zu bieten. Auch trägt der Plan wenig zu Gerechtigkeit bei, da er die Appelle von Entwicklungsländern und die Verantwortung der EU gegenüber diesen Ländern ignoriert. Wenn im Deal von Drittländern die Rede ist, dann überwiegend im Zusammenhang mit Wettbewerbsfähigkeit im Handel. Darüber hinaus geht es bei dem Deal nicht darum, die Konzerne zur Rechenschaft zu ziehen, die am meisten für die Klimakrise verantwortlich sind. Trotz seines Namens hat der Plan der Kommission sehr wenig mit den in den USA oder Großbritannien vorgelegten Green New Deals gemeinsam.

Zweitens – und möglicherweise am verantwortungslosesten aus der Sicht des Abkommens von Paris – kündigt die Kommission in ihrem Grünen Deal an, bis zum Sommer 2020 einen Plan vorzulegen, mit dem ein höheres Emissionsminderungsziel von 50 bis 55% bis 2030 erreicht werden soll. Diese Ankündigung verfehlt das Ziel in zwei wichtigen Punkten. Zum einen wäre dieses Maß an Emissionsreduktionen nicht mit dem im Pariser Klimaabkommen zugesagten Ziel vereinbar, die gefährlichsten Klimaauswirkungen zu verhindern. Um die dort gemachten Zusagen einzuhalten, müsste die EU ihre Emissionen bis 2030 um mindestens 65% reduzieren. Außerdem ist diese Ankündigung ein gefährlicher Schritt zurück von dem früheren Versprechen der Kommission, innerhalb der ersten 100 Tage ihres Mandats einen Vorschlag zu höheren Klimazielen vorzulegen. Angesichts des Zeitrahmens für die Entscheidungsfindung in der EU hätte ein im Sommer 2020 vorgelegter Vorschlag kaum die Chance, von den Mitgliedstaaten rechtzeitig vor der Einreichungsfrist neuer Klimaziele vor der COP 26 in Glasgow gebilligt zu werden. Wenn die EU diese Zeitschiene und Zielsetzung bei den Emissionen nicht überdenkt, riskiert sie, noch weiter von ihrer Rolle als konformer Block abzuweichen und könnte zu einem gefährlichen Vorbild für andere Regierungen werden.

In Madrid konnten einige Entwicklungsländer die Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass die Industrieländer ihre Emissionen im letzten Jahrzehnt nicht wesentlich reduziert haben. Als sich die Regierungen 2011 darauf einigten, ein neues Rahmenabkommen auszuhandeln, das für alle Länder gelten sollte – das sich schließlich im Abkommen von Paris manifestierte –, bestanden die Entwicklungsländer auf der Verantwortung der Industrieländer, eine Führungsrolle zu übernehmen und bis 2020 ihre Emissionen deutlich zu senken. Von der UN während der COP herausgegebene Berichte deuten jedoch darauf hin, dass die Annex-1-Staaten – also Länder, die als Industrie- oder zur Zeit der Unterzeichnung des UNFCCC als Übergangsstaaten galten – dieser Verpflichtung nur sehr begrenzt nachkamen und offenbarten, dass die Annex-1-Staaten, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion keinen Prozess der Deindustrialisierung durchmachten, ihre Emissionen zwischen 1990 und 2017 gerade mal um 1,8% reduzierten. Für Klimagerechtigkeit ist es unerlässlich, die Industrieländer für ihre Verantwortung in der Klimakrise und für ihr Scheitern, die Vorreiterrolle beim Klimaschutz zu übernehmen, wozu sie sich 1992 verpflichtet hatten, zur Rechenschaft zu ziehen. Mit Blick nach vorn bleibt jedoch abzuwarten, ob die Gruppe der sogenannten „gleichgesinnten Entwicklungsländer“ (Like-Minded Developing Countries) diese Herausstellung der fehlenden Fortschritte der Annex-1-Staaten als Hebel nutzen werden, um höhere Zusagen – einschließlich Finanzzusagen – von den Industrieländern zu sichern, oder als Schild, um ihr eigenes verzögertes Handeln zu rechtfertigen. Letzteres würde die Aussichten weiter untergraben, die im Pariser Klimaabkommen vereinbarte lebenswichtige Begrenzung der Erderwärmung zu erreichen.

Erfolg durch Aufschub: Die fehlende Einigung über Regelungen für den Emissionshandel unter Artikel 6 verhinderte eine Unterminierung des Abkommens von Paris

Artikel 6 war das heiße Eisen der COP 25. Der wichtigste nach der COP 24 in Katowice noch offene Punkt des Regelwerks zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens sollte nach dem Willen der chilenischen Präsidentschaft und der Vertragsstaaten zum „vorrangigen“ Ergebnis der COP werden. Dieser Fokus setzte die Vertragsparteien unter Druck, zu einer Einigung zu gelangen und überschattete andere kritische Aspekte der COP 25, wie das Thema Schäden und Verluste. Zudem stand dieser Einigungsdruck hinsichtlich Artikel 6 gewissermaßen im Widerspruch zur Zusage, ökologische Integrität zu bewahren und schürte bei vielen Menschen in der Zivilgesellschaft (einschließlich derer, die überzeugt sind, dass es für die in Artikel 6 geschaffenen Märkte weder einen Bedarf noch eine Berechtigung gibt) die Angst, dass sich die Vertragsstaaten auf schlechte Regelungen einlassen würden, nur um überhaupt zu einer Einigung zu kommen.

Eine Hauptsorge vieler Vertragsstaaten und Beobachter gleichermaßen war die Sicherstellung, dass der in Artikel 6 verankerte Mechanismus nicht die Umweltintegrität des Abkommens von Paris unterminiert. Die Verhandlungen konzentrierten sich vor allem auf zwei Anliegen: Zum einen die doppelte Anrechnung von Emissionsminderungen durch entsprechende Anpassungen und strengere Berechnungsregeln zu verhindern und zum anderen den Übertrag von unter dem Kyoto-Protokoll vergebenen Gutschriften auf die national festgelegten Beiträge (NDCs) zu verbieten. Die meisten Länder schienen sich einig zu sein über die Notwendigkeit, eine Doppelzählung zu verhindern, wobei Brasilien sich als einziges Land lautstark dagegen aussprach und die Anwendung entsprechender Anpassungen anfangs in Frage stellte. Dagegen erwies sich der Übertrag der Gutschriften aus den Kyoto-Mechanismen, insbesondere aus dem Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (Clean Development Mechanism, CDM), als schwerwiegender Knackpunkt. Mit dem Argument, dass der Klimaschutz, der mit Gutschriften aus diesem Mechanismus belohnt wurde, schon in der Vergangenheit erbracht wurde, sprach sich die Mehrheit dagegen aus, einen Übertrag zu erlauben, da dies die Ziele und Integrität des Pariser Klimaabkommens aushöhlen würde. Einige Länder, darunter Brasilien, Indien und Australien, machten sich jedoch dafür stark, den Übertrag der alten Gutschriften in das neue System zuzulassen. Vor allem Australien plant ausdrücklich, die alten Gutschriften zu nutzen, um seine NDCs zu erreichen; damit würde das Land allerdings sinnvolle Maßnahmen durch heiße Luft und wertlose Gutschriften ersetzen.

Ein weiteres Hauptthema der Diskussion war die Gesamtreduktion des weltweiten CO2-Ausstoßes. Die Allianz der kleinen Inselstaaten (AOSIS) wollte die Idee durchsetzen, dass ein Teil der Gutschriften bei ihrer Ausstellung automatisch annulliert würde, damit die Aktivitäten unter Artikel 6 zu einer Gesamtreduktion führen. Diese automatische Löschungsrate würde dazu führen, dass einige Gutschriften nie von einem Land genutzt werden könnten, wodurch rund um die Welt tatsächliche Emissionsreduktionen statt Offsets durch Handel erreicht würden. Auch wenn dieses Konzept allmählich an Zuspruch gewann, wurde heftig darüber debattiert, ob es nur auf die Aktivitäten und Mechanismen unter Artikel 6.4 Anwendung finden sollte oder auch auf Aktivitäten unter Artikel 6.2, wobei im letzten Text nur von der Anwendung einer automatischen Löschungsrate auf Aktivitäten unter erstgenanntem Artikel die Rede ist.

Als die Verhandlungen zum Artikel 6 auf der COP 25 in die Verlängerung gingen, brach Costa Rica aus dem jahrelangen Bündnis mit Chile aus und veröffentlichte die „San-José-Prinzipien“, in denen die gemeinsame Sichtweise zahlreicher Länder - ihre Zahl stieg in den letzten 24 Stunden der Konferenz auf über 30 an - zum Ausdruck gebracht wurde. Mit diesen elf, schon in Diskussionen vor der COP verhandelten Prinzipien wurden Minimalstandards festgelegt, denen die Regelungen zur Umsetzung des Artikel 6 gerecht werden sollten. Im Mittelpunkt der San-José-Prinzipien standen die Bewahrung der Umweltintegrität und die Sicherstellung, dass die Aktivitäten unter Artikel 6 tatsächlich zu einer Erhöhung der Klimaziele und Minderung der Emissionen führen.

Keinerlei Erwähnung in den San-José-Prinzipien fand die Diskussion über Menschenrechte und die besonderen Rechte indigener Völker. Diese Themen wurden aber in den Verhandlungen selbst aufgegriffen. Eine der von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Gruppen und Organisationen indigener Völker hervorgehobenen Hauptsorgen war, dass Aktivitäten unter Artikel 6 die Fehler der Vergangenheit wiederholen und zu Menschenrechtsverletzungen führen würden. Deshalb setzten diese Gruppen sich intensiv dafür ein, dass die Regelungen zu Artikel 6 Hinweise auf den Schutz von Menschrechten enthalten müssen. Zu Beginn der COP 25 hatten sich nur wenige Länder, nämlich Tuvalu, die Schweiz, Mexiko und Costa Rica, dafür ausgesprochen, dass die Regelungen Menschenrechte miteinschließen sollten. Im Verlauf der Konferenz schlossen sich weitere Länder dieser Forderung an: Kanada, das sich dafür aussprach, darüber hinaus auch die Rechte indigener Völker in den Paragrafen mitaufzunehmen, sowie Norwegen, Australien, Neuseeland und schließlich die EU. Aber trotz dieser Forderungen enthielt der von der chilenischen Präsidentschaft entworfene Abschlusstext keine wesentlichen Hinweise auf Menschenrechte oder Sozial- und Umweltstandards und erwähnte lediglich die mögliche Erarbeitung von diesbezüglichen Standards im Jahr 2028. Wäre dieser empörende Vorschlag angenommen worden, hätten die Vertragsstaaten es bewusst zugelassen, dass der im Pariser Abkommen verankerte Mechanismus zu schädlichen Handlungen beitragen würde, mit denen Fehler der Vergangenheit wiederholt, die Umwelt zerstört, Gemeinschaften geschädigt und Menschenrechtsverletzungen hingenommen würden, und zwar für mindestens neun Jahre, wenn nicht länger.

Letztlich sorgten diese Meinungsverschiedenheiten und die Verpflichtungen der Vertragsstaaten zur Umweltintegrität dafür, dass die COP 25 zu Ende ging, ohne dass man sich auf Regelungen zur Umsetzung des Artikel 6 geeinigt hatte. Fast alle Länder brachten auf der abschließenden Plenarsitzung ihre Enttäuschung zum Ausdruck, betonten aber auch, dass die Umweltintegrität bewahrt werden müsse.,Einige Länder, allen voran Tuvalu, Costa Rica, die Schweiz, Kanada, Neuseeland und Australien äußerten, dass die abschließenden Regelungen für Artikel 6 den Schutz der Menschenrechte und der besonderen Rechte indigener Völker enthalten müssen.

Während die Vertragsstaaten sich enttäuscht zeigten, dass diese Verhandlungen ergebnislos blieben, hielten viele in der Zivilgesellschaft es für einen Erfolg, dass der Beschluss schlechter Regelungen vermieden werden konnte. Diese hätten möglicherweise Schlupflöcher bei der Anrechnung offen gelassen, zu einer Doppelzählung von Emissionsreduktionen geführt, sowie einen Übertrag der Kyoto-Gutschriften erlaubt und Menschrechtsverletzungen zugelassen. Erfahrungen mit dem Kyoto-Mechanismus zeigen, dass Regierungen selten, wenn überhaupt, verabschiedete Regelungen verbessern, um Schlupflöcher zu schließen und Fehler zu beheben. Wären also schlechte Regelungen verabschiedet worden, wäre es schwierig gewesen, diese nochmals zu ändern und sie hätten außerdem die soziale und ökologische Integrität der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens unterminiert. Zudem bestehen ernsthafte Bedenken, dass die unter Artikel 6 geschaffenen Märkte einfach nur den weltweiten Handel mit C02-Kompensationen (Offsets) ermöglichen werden, während eigentlich eine ernsthafte Reduktion von Emissionen nötig ist. Es wurde schon argumentiert, dass für eine Begrenzung der Erderwärmung auf unter 1,5° gar keine Offsets zugelassen werden dürften. Angesichts der Gefahr schlechter Regelungen und der grundsätzlichen Bedenken, dass die Märkte die Klimaziele aushöhlen könnten, erschien es vielen eher als positiv, dass die Verhandlungen zum Artikel 6 zu keinem Ergebnis führten.

Die Diskussionen über Artikel 6 werden auf der Zwischenverhandlung SB 52 im Juni 2020 in Bonn weitergeführt. Alle drei von der COP-Präsidentschaft vorgelegten Texte werden die Grundlage für weitere Verhandlungen bilden, die auf der COP 26 in Glasgow zum Abschluss gebracht werden sollen. Es wird entscheidend sein, dass die Vertragsstaaten auf ihrer Haltung beharren und sicherstellen, dass die Regelungen nicht den San-José-Prinzipien zuwiderlaufen und den Schutz der Menschenrechte und der besonderen Rechte indigener Völker miteinbeziehen. Alles andere würde die Integrität des Abkommens von Paris aushöhlen und die Fähigkeit, der Klimakrise entgegenzuwirken, noch weiter gefährden.

Anerkennung der Notwendigkeit, die vom Klimawandel am stärksten Betroffenen besser zu unterstützen, aber keine konkreten Zusagen

In den Monaten vor der COP überschattete der Fokus auf Artikel 6 die Tatsache, dass auf der COP 25 auch weiter über Entschädigungen für klimawandelbedingte Schäden und Verluste verhandelt werden sollte. Dieses Thema ist für die am meisten vom Klimawandel bedrohten Länder von vorrangiger Bedeutung, denn derzeit tragen sie den Großteil der durch Klimawandelfolgen entstandenen Kosten. Genauer gesagt hatte die COP 25 den Auftrag, die Überprüfung des 2014 eingerichteten „Warschauer Internationalen Mechanismus für Verluste und Schäden aufgrund des Klimawandels“ (WIM) abzuschließen. In den letzten fünf Jahren haben der WIM und die von ihm eingerichteten Fachgremien dazu beigetragen, die Bedürfnisse der betroffenen Gemeinschaften und Länder an vorderster Front der Klimakrise zu ermitteln und regulatorische Antworten zu erkunden, die zur Schließung der Lücken beitragen könnten.

In dieser Zeit hat der WIM allerdings wenig getan, dem Bedarf an Unterstützung von Entwicklungsländern, die vor steigenden menschlichen und wirtschaftlichen Verlusten durch den Klimawandel stehen, tatsächlich zu begegnen. Da weder ein Fonds noch ein Finanzmechanismus eingerichtet wurde, um die Unterstützung für Schäden und Verluste zu kanalisieren, müssen die Entwicklungsländer allein für die steigenden Kosten aufkommen, die von den größten Emittenten und deren Untätigkeit beim Klimaschutz verursacht werden. Die Industrieländer weisen zwar häufig auf ihre humanitären Hilfen hin, mit denen sie bei Schäden durch Extremwetterereignisse Unterstützung leisten, aber diese ist völlig unzureichend und deckt in keiner Weise die Kosten im Zusammenhang mit den langsam einsetzenden Schäden des Klimawandels.

Die am stärksten vom Klimawandel bedrohten Länder konzentrierten ihre Forderungen auf der COP 25 daher auf die Notwendigkeit, die institutionellen Kapazitäten des WIM durch die Einrichtung eines „Implementierungszweigs“ zu stärken, der die dritte Priorität des Mechanismus in die Tat umsetzen soll: „Verbesserung der Maßnahmen und der Unterstützung, einschließlich Finanzen, Technologie und Kapazitätsaufbau, um die durch die negativen Auswirkungen des Klimawandels bedingten Verluste und Schäden zu bewältigen.“ Im Abschlussdokument von Madrid spiegelt sich diese Forderung wider: Es wird mehrfach darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, „die Ressourcenmobilisierung zu stärken, um die Anstrengungen zu unterstützen, Verluste und Schäden durch die negativen Auswirkungen des Klimawandels abzuwenden, zu minimieren und zu bewältigen“. Darüber hinaus ist in dem Dokument die Rede davon, dass der WIM mit entsprechenden Organen zusammenarbeiten soll, darunter auch dem Grünen Klimafonds, um den Zugang zu internationaler Finanzierung für Projekte zur Bewältigung von Verlusten und Schäden zu erleichtern, und dass der WIM das Mandat erhält, eine Expertengruppe zu Maßnahmen und Unterstützung einzurichten. Im Bemühen um höhere Unterstützung ist in dem Beschluss auch noch vorgesehen, ein „Santiago-Netzwerk zur Abwendung, Minimierung und Bewältigung von Verlusten und Schäden im Zusammenhang mit den negativen Folgen des Klimawandels“ einzurichten, um die bereits stattfindenden Initiativen zu katalysieren.

Auch wenn diese Entwicklungen positiv sind, werden sie letztlich den grundsätzlichen Kampf der am meisten betroffenen Länder kaum erleichtern: Zur Unterstützung der Länder an vorderster Front der klimawandelbedingten Auswirkungen stehen nur minimale Ressourcen zur Verfügung. Jede zusätzlich ausgestoßene Tonne CO2 erhöht die finanzielle Last erheblich. In diesem Zusammenhang erscheint der Hinweis im Madrider Beschluss auf „die große Vielfalt an Finanzquellen, öffentlichen und privaten, bilateralen und multilateralen, einschließlich alternativer Finanzquellen“, die angeblich für Verluste und Schäden zur Verfügung stehen, bestenfalls Wunschdenken, wenn nicht reine Heuchelei zu sein.

Die USA versuchten in Madrid, den Rahmen der Diskussion über Verluste und Schäden auf die Umsetzung des Abkommens von Paris zu begrenzen. Damit wollen sie sich klar und deutlich ihrer Verantwortung für Verluste und Schäden entziehen, denn im November 2020 steigen sie aus dem Abkommen aus. Ian Fry, der Chefverhandler Tuvalus, brachte das Befremden vieler zum Ausdruck, als er die USA im Abschlussplenum für ihre Haltung kritisierte, die „eine Tragödie und eine Farce“ für die vom Klimawandel am stärksten Betroffenen sei: „Millionen von Menschen in der ganzen Welt leiden bereits unter den Folgen des Klimawandels. Diesen Fakt zu bestreiten, könnte von einigen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit interpretiert werden.“ Nachdem die chilenische Präsidentschaft die Gelegenheit verpasst hatte, die regionale Unterstützung zu bündeln, wies sie in den letzten Verhandlungsstunden auch noch darauf hin, dass keine Einigung darüber erzielt werden konnte, ob der WIM auch für Vertragsparteien außerhalb des Pariser Klimaabkommens gelten sollte – womit sie den USA genau das aushändigte, was sie wollten.

Die lateinamerikanischen Mitglieder des Climate Action Network (CAN) äußerten sich enttäuscht darüber, dass die Vertragsstaaten nicht ausdrücklich den Zusammenhang zwischen Menschenrechtsverletzungen und den Auswirkungen der Klimakrise auf die gefährdeten Gemeinschaften anerkannten. Diese Schnittstelle ist der Schlüssel zur Klimagerechtigkeit; ein besseres Klimaregime stellt sicher, dass die Menschenrechte von gefährdeten Gemeinschaften geschützt werden.

Viele zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter das lateinamerikanische Climate Action Network  und das Vulnerable Central America Forum, halten es für inakzeptabel, dass die Industrieländer nicht ihren Verpflichtungen nachkommen, den Gemeinschaften der Region finanzielle Entschädigungen für die erlittenen klimawandelbedingten Verluste und Schäden zu leisten. Es ist unerlässlich, eine neue Finanzstruktur zu schaffen, die zügig zusätzliche Mittel in die Bewältigung des Klimanotstands lenkt. Verbleibt diese Finanzierung bei Institutionen wie dem Grünen Klimafonds, dessen Mittelvergabe über äußerst bürokratische und langwierige Wege erfolgt, ist nicht garantiert, dass die Ressourcen rechtzeitig – oder überhaupt – bei den Betroffenen ankommen. Ebenso dürfen Mittel, die für Anpassungs- und Minderungsmaßnahmen vorgesehen sind, nicht in Konkurrenz zur Finanzierung von Verlusten und Schäden stehen.

Zunehmende Anerkennung der Bedeutung von Gender und traditionellen Wissens indigener Völker für den Klimaschutz

Wie aus einer Reihe von Verweisen und Entscheidungen zu diesen Themen hervorgeht, zollten die Regierungen den führenden Vertreter/innen indigener Völker und der Zivilgesellschaft mehr Anerkennung und messen den Zusammenhängen zwischen sozialen Ungleichheiten und Klimaauswirkungen jetzt eine größere Bedeutung bei. Im einleitenden Satz der in Madrid verabschiedeten Abschlusserklärung heißt es, dass sich die Vertragsstaaten „der Bemühungen und Anliegen der Zivilgesellschaft, insbesondere der jungen und indigenen Menschen, die sofortige und ehrgeizige globale Klimaschutzmaßnahmen fordern, bewusst sind,“ Bedauerlicherweise hat dieses Bewusstsein die Regierungen nicht dazu beflügelt, tatsächlich eine ehrgeizigere Klimapolitik in die Wege zu leiten, wie sie auf den Straßen gefordert wird.

Die COP überprüfte und erneuerte erfolgreich den Gender-Aktionsplan des UNFCCC, indem sie einen Fünfjahresplan zur Förderung der Geschlechtergleichstellung bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen verabschiedete. Obwohl die Aussichten für diese Verhandlungen zur Halbzeit der Konferenz noch eher düster wirkten, da einige Regierungen versuchten, Formulierungen früherer Beschlüsse neu zu verhandeln und zu schwächen, wurden im abschließenden Beschluss wesentliche Hinweise auf die Zusammenhänge zwischen Geschlechtergleichberechtigung, Menschenrechten und einer gerechten Transformation beibehalten und die Probleme anerkannt, vor denen indigene Völker in ihrem Bemühen um Klimaschutz stehen. Der neue Arbeitsplan verspricht, zu einer durchgängigen Berücksichtigung von Genderfragen quer durch alle Klimaschutzmaßnahmen beizutragen, unter anderem durch einen verstärkten Kapazitätsaufbau und die Durchsetzung klimagerechter Lösungen.

Die Erklärung enthält auch wichtige Aussagen, die für ein unter dem Dach des UNFCCC verabschiedeten Text erstaunlich fortschrittlich sind. Die Vertragsstaaten anerkannten, dass „die Auswirkungen des Klimawandels sich oft aufgrund historischer und aktueller Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern und multidimensionaler Faktoren voneinander unterscheiden können.“ Das ist der erste Verweis auf Diskriminierung und auch auf Intersektionalität, der je in einer im Rahmen der Klimaverhandlungen verabschiedeten Erklärung gemacht wurde.

Die Vertragsstaaten billigten auch den ersten für zwei Jahre geltenden Arbeitsplan der Plattform für lokale Gemeinschaften und indigene Völker, einem 2017 eingerichteten Gremium, in dem Vertreter/innen von Regierungen und Organisationen indigener Völker gleichberechtigt sitzen. Der Arbeitsplan enthält einen detaillierten Fahrplan für die verstärkte Anerkennung des Wertes traditioneller Kenntnisse indigener Völker bei der Erarbeitung und Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen sowie mögliche Schritte zur Erhöhung der Beteiligung indigener Bevölkerungsgruppen an der Klimapolitik, einschließlich der Umsetzung der NDCs.

Auch im Beschluss zu Verlusten und Schäden wurde wiederholt, wie wichtig es sei, den WIM zu implementieren, damit er sich mit „Segmenten der Bevölkerung [befasst], die aufgrund ihres geografischen Lebensraums, sozio-ökonomischen Status, Existenzgrundlage, Geschlechts, Alters, Zugehörigkeit zu einer indigenen Bevölkerungsgruppe bzw. zu einer Minderheit oder aufgrund einer Behinderung ohnehin schon gefährdeter sind“. Diese Empfehlung stammte ursprünglich aus einer vom Menschenrechtsrat verabschiedeten Resolution, weshalb darin auch die typischerweise eher in Menschenrechtsrahmenwerken verwendete Sprache widerhallt.

Diese Entwicklungen bauten auf der zunehmenden Erkenntnis in den Berichten des Weltklimarats (IPCC) auf, dass es überaus wichtig sei, die sozialen Dimensionen der Klimakrise, ihrer Ursachen und Auswirkungen zu berücksichtigen. Auch wenn diese Entscheidungen hinter bestehenden Rechtsrahmen und den Verpflichtungen zurückbleiben, die alle Vertragsstaaten des Pariser Klimaabkommens unter den entsprechenden internationalen Menschenrechtsabkommen schon zugesagt haben, so enthalten sie doch die Verheißung, dass eine intensive Interessenvertretung und ein Kapazitätsaufbau vornehmlich von Vertreter/innen indigener Völker und Verfechter/innen einer Geschlechtergleichstellung sich auszahlen und zukünftige Entwicklungen im Rahmen des internationalen Klimaschutzprozesses beeinflussen könnten.

Der Zusammenhang zwischen Klimakrise und Ökosystemen, Artenvielfalt und „ökosystembasierten“ Lösungen

Von Anfang an hatte Chile der COP 25 den Beinamen „Blue COP“ gegeben, um dem Zusammenhang zwischen Ozeanen und Klimawandel einen höheren Stellenwert einzuräumen, ein Zusammenhang, der auch durch den vom IPCC herausgegebenen „Sonderbericht über den Ozean und die Kryosphäre in einem sich wandelnden Klima“ betont wurde. Daher fanden auf dieser COP eine größere Zahl an Veranstaltungen zu Ozeanen und Klimawandel statt, unter anderem auch zu Kopplungen mit NDCs und Ländern, die sich verpflichteten, Ozeane in ihre NDCs miteinzubeziehen. Mit dieser höheren Aufmerksamkeit ging jedoch auch eine beunruhigende Veranstaltung zu Geoengineering in den Ozeanen einher, die sich auf die Regulierung von Technologien konzentrierte, mit denen das Meeresklima verändert werden kann. Letztlich betonten die Vertragsstaaten in der Abschlusserklärung nicht nur die wichtige Bedeutung von Ozeanen „als wesentlichen Teil des Klimasystems der Erde“, sondern auch im Zusammenhang mit der Notwendigkeit, die Integrität der Ozeane und Küstenökosysteme zu sichern. Zudem einigten sie sich darauf, dass während der Juni-Sitzung der Nebenorgane (Subsidiary Bodies) ein Dialog über Ozeane und Klimawandel stattfinden solle.

Auch Ökosysteme, Biodiversität und „ökosystembasierte“ Lösungen spielten auf der COP 25 eine große Rolle. Die Veröffentlichung des Berichts des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) über den Zustand der Artenvielfalt und Ökosystemleistungen, der ein düsteres Bild über diesen Zustand malte, warf ein neues Licht auf die Schnittstelle zwischen Klimawandel und Biodiversität. Die Klimakrise und die Biodiversitätskrise passieren gleichzeitig und sind untrennbar miteinander verbunden. Diese Verflechtungen wurden in der Abschlusserklärung von Madrid offiziell anerkannt, in der es heißt: „Die Konferenz der Vertragsstaaten (...) unterstreicht den wesentlichen Beitrag der Natur zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen sowie die Notwendigkeit, den Verlust an Artenvielfalt und den Klimawandel ganzheitlich zu bekämpfen.“ Diese Erkenntnis kommt genau zur richtigen Zeit, denn dem Schutz der Artenvielfalt wird 2020 eine besondere Aufmerksamkeit zukommen, da die Regierungen auf der COP 15 der Konvention über biologische Vielfalt neue Zielvorgaben für den Naturschutz bis 2030 erarbeiten wollen. In der Abschlusserklärung heißt es zudem, dass es bei der anstehenden Sitzung der Nebenorgane im kommenden Juni einen Dialog über die Beziehung zwischen Landnutzung und Klimawandel geben soll. Diesen Vorschlag hatte Brasilien vehement, aber vergeblich zurückgewiesen, um eine mögliche Diskussion über den Einfluss von Waldrodungen auf die Klimakrise zu verhindern.

Zudem waren im Vorfeld der COP 25 „ökosystembasierte“ Lösungen immer öfter als ein wesentlicher Weg zur Bewältigung der Klimakrise im Gespräch und erhielten auf dem Sondergipfel des UN-Generalsekretärs im September 2019 sogar einen eigenen Diskussionsstrang. Auf der COP 25 gab es zahlreiche Nebenveranstaltungen zu „ökosystembasierten“ Lösungen, sowohl in Bezug auf Landnutzung als auch auf das Meer. Was jedoch anfangs als Begriff benutzt wurde, um die Zusammenhänge zwischen Biodiversität und Klimawandel zu bestätigen und die wichtige Rolle anzuerkennen, die Landnutzung und Ökosysteme bei der Bewältigung der Klimakrise spielen können, wurde nach und nach von anderen Akteuren für ihre Zwecke vereinnahmt. Am deutlichsten wurde dies bei einer Veranstaltung, auf der Sprecher großer Ölkonzerne über die Wichtigkeit von „ökosystembasierten“ Lösungen sprachen. Diese Entwicklungen zeigen die wachsende Gefahr, dass der Begriff „ökosystembasierte“ Lösungen sowohl eine Agenda fördert, die mit einer Kommodifizierung der Natur verknüpft ist, als auch von der Industrie der fossilen Brennstoffe als Möglichkeit benutzt wird, eine Wandlung ihrer Geschäftsmodelle zu vermeiden, ähnlich ihrer Unterstützung für Geoengineering-Lösungen. In Zukunft muss diese beunruhigende Verschiebung sorgfältig überprüft werden, da der Ständige Finanzausschuss in Erwägung zieht, „ökosystembasierte“ Lösungen zu finanzieren, der Grüne Klimafonds Richtlinien für Land- und Forstwirtschaft erarbeiten will (und REDD-Projekte mit ergebnisabhängiger Finanzierung zunehmen könnten) und die Verhandlungen über die Umsetzung von Artikel 6 weitergehen, wobei möglicherweise Land (oder REDD+, wie mindestens eine Vertragspartei vorschlug) im Rahmen der Marktmechanismen für Offsets genutzt werden könnte.

Der Fokus auf Erhöhung der Klimafinanzierung ohne wirkliche Zusagen

Das ganze Jahr 2019 hindurch standen Finanzen verstärkt im Blickpunkt, da der Grüne Klimafonds (GCF) in seine erste offizielle Wiederauffüllungsphase trat. Finanzen waren auch auf der COP ein heißes Thema, da die Vertragsstaaten über Vorgaben für den GCF, für die Arbeit des Ständigen Finanzausschusses, über Fortschritte in der langfristigen Klimafinanzierung und über die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen sowie Verlusten und Schäden (wie oben erörtert) nachdachten.

Über den GCF und Vorgaben für den Fonds wurde auf der COP 25 ausführlich diskutiert. Letztlich begrüßten die Vertragsstaaten den Fortschritt, den der GCF bei der Erhöhung der Projektfinanzierung, bei der Akkreditierung von Durchführungsorganisationen und bei der Schließung von Lücken in seinen Richtlinien machte. Insbesondere empfahlen die Vertragsstaaten, dass der GCF sich weiterhin um Wege bemühen sollte, die Unterstützung für Anpassungsmaßnahmen zu erhöhen und die Zusammenarbeit mit dem Climate Technology Centre and Network auszubauen. Die Empfehlung stellte auch die Notwendigkeit für den GCF heraus, sich Privilegien und Immunitäten zu sichern. Da der GCF in zahlreichen Ländern aktiv ist und in vielen davon keine Privilegien und Immunitäten genießt, war dies ein zentrales Thema und Anliegen. Und schließlich forderten die Vertragsstaaten den GCF auf, auch die verbliebenen Lücken in den Richtlinien zu schließen, ohne die Richtlinien ausdrücklich zu benennen (beispielsweise Umwelt- und Sozialstandards).

Die Vertragsstaaten diskutierten auch über die Arbeit des Ständigen Finanzausschusses (SCF). Anerkennung fanden vor allem die fortlaufenden Bemühungen des SCF um mehr Offenheit und Transparenz sowie die Einbindung von Menschen, unter anderem durch Pläne, die Beteiligung von Interessengruppen auszuweiten sowie die verstärkten Anstrengungen, bei der Umsetzung seiner Arbeit Geschlechtergerechtigkeit sicherzustellen. Nach einer weiteren Überprüfung des SCF begrüßten die Vertragsstaaten die Entscheidung des Ausschusses, die Finanzierung von „ökosystembasierten“ Lösungen zu seinem Inhalt des Jahres 2020 zu machen.

Ein Dauerthema war der Bedarf an mehr Anpassungsfinanzierung, da die Länder daran arbeiten, sich dem rasch wandelnden Klima anzupassen. In den Verhandlungen wurde dies besonders deutlich in der Diskussion darum, wie hoch der Anteil der Gewinne aus den Aktivitäten unter Artikel 6 sein sollte, der in den Anpassungsfonds fließt. Während die Vertragsstaaten sich weitgehend einig sind, dass ein Anteil der Erträge aus den Mechanismen unter Artikel 6.4 in den Adaptionsfonds gehen muss (auf ähnliche Weise wie heute die aus dem CDM), wurde nicht nur darüber diskutiert, wie hoch dieser Anteil sein sollte, sondern auch ob ein Anteil der Erträge aus den Aktivitäten unter Artikel 6.2 automatisch in den Anpassungsfonds gehen sollte. In dem zuletzt vorgelegten Beschlusstext hieß es dann, dass Erträge in Höhe von 2%, der gleichen Rate wie heute aus dem CDM, in den Fonds fließen sollten, und es wurde der Vorschlag unterbreitet, dass auch ein Anteil aus dem Handel unter Artikel 6.2 für die Finanzierung Anpassungsmaßnahmen verwendet werden sollte.

Angesichts der Unsicherheit, wie hoch diese Erträge ausfallen, ist es wichtig, dass anderswo weitere Gelder für den Anpassungsfonds generiert werden. Während der COP 25 wurden Zusagen für den Anpassungsfonds in Höhe von fast 90 Mio. USD gemacht, wobei Deutschland, die Schweiz, Norwegen, Polen (zum ersten Mal), Irland und die drei Regionalregierungen Belgiens dem Beispiel Schwedens, Spaniens und Quebecs folgten, die schon zuvor Beiträge angekündigt hatten.

Neben diesen positiven Beiträgen zum Anpassungsfonds gelang es auf der COP 25 jedoch nicht, dass weitere Gelder bereitgestellt oder auch nur Zusagen für die Bereitstellung von Mitteln gemacht wurden, die zur Bekämpfung der Klimakrise und von den Ländern zur Anpassung an den Klimawandel oder den Umgang mit den ständig steigenden Verlusten und Schäden gebraucht werden.

Fossile Brennstoffe – das eigentliche Problem in den Messehallen von Madrid

Da die COP von Großkonzernen mit direkten Verbindungen zur fossilen Industrie gesponsert wurde, darunter Iberdrola, Endesa (Spaniens Unternehmen mit dem höchsten CO2-Ausstoß) und Coca Cola, waren die Rolle und der Einfluss der fossilen Industrie nur allzu deutlich sichtbar. Dieses Sponsoring stand im krassen Widerspruch zu den Berichten und Forderungen der Zivilgesellschaft, die Produktion fossiler Brennstoffe zu beenden, um den Klimawandel zu bekämpfen.

Auch wenn sie nicht auf der offiziellen Tagesordnung standen, so waren die Förderung fossiler Brennstoffe und die entsprechenden Unternehmen auf der COP 25 doch das unausgesprochene Problem in jedem Raum. Der kurz vor der COP vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen herausgegebene Production Gap Report rückte die fossile Industrie in den Brennpunkt. In dem Bericht wird sehr deutlich gemacht, dass die Produktion fossiler Brennstoffe heruntergefahren werden muss, damit die Ziele des Pariser Klimaabkommens, die Erderwärmung auf 1,5º zu halten, erreicht werden können. Dagegen würden die Pläne der aktuellen Regierungen dazu führen, dass 120% mehr fossile Brennstoffe gefördert werden, als mit der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5º vereinbar ist.

Neben dem „Production Gap Report“ wurde in der ersten Woche der COP auf vielen Nebenveranstaltungen und Pressekonferenzen die Notwendigkeit diskutiert, den Einsatz fossiler Brennstoffe sofort einzustellen. Im Laufe der Woche gab eine Gruppe von Nichtregierungsorganisationen einen weiteren Bericht heraus: „Oil, Gas and Climate: An Analysis of Oil and Gas Industry Plans for Expansion and Compatibility with Global Emissions Limits.“ Wie beim „Production Gap Report“ stand auch bei diesem Bericht die Gefahr einer globalen Zunahme fossiler Brennstoffe im Mittelpunkt und es wurde an Regierungen, Investoren, Unternehmen und die Zivilgesellschaft appelliert, sofort Maßnahmen zu ergreifen, um diese Zunahme zu stoppen. Während die Staaten unter anderem über die Notwendigkeit höherer Klimaziele diskutierten und über Feinheiten des Kohlenstoffmarktes verhandelten, forderte die Zivilgesellschaft, die Nutzung fossiler Brennstoffe zu beenden. Dieses Thema war allgegenwärtig: Auf Nebenveranstaltungen, in Pressekonferenzen, bei Protesten, in Diskussionen über die sich beschleunigende Welle an Klimaklagen und nicht zuletzt in den Reden des UN-Sonderberichterstatters über Menschenrechte und Umwelt. Nur in die Verhandlungen fand dieses Thema überhaupt keinen Eingang.

Von besonderer Bedeutung war, dass die COP 25 die Kulisse für eine Großankündigung der nationalen Menschenrechtskommission der Philippinen wurde. Nach vier Jahren Recherche, inwieweit auf den Philippinen Menschenrechte durch den Klimawandel beeinträchtigt werden und inwieweit 47 „Carbon Majors“, Unternehmen mit hohem CO2-Ausstoß, zu diesen Beeinträchtigungen beitrugen - wobei nicht nur lokale Gemeinschaften an vorderster Front des Klimawandels angehört wurden, sondern auch Wissenschaftler/innen, Rechts- und Menschenrechtsexpert/innen, Forscher/innen und Mediziner/innen - gab die Kommission ihre Ergebnisse und Empfehlungen bekannt. In dieser bahnbrechenden Untersuchung kommt die Kommission zu der Erkenntnis, dass sich die Welt in einem Klimanotstand befindet und dringender Handlungsbedarf besteht. Ebenso wurde festgestellt, dass die Carbon Majors eindeutig zum Klimawandel beitragen. Daher könnten sie für die vom Klimawandel verursachten Menschenrechtsverletzungen gesetzlich haftbar gemacht werden. Zudem ging es bei dieser richtungsweisenden Untersuchung nicht nur um die Verantwortung dieser Unternehmen für Schäden, sondern sie kam zu dem Schluss, dass den betroffenen Menschen Zugang zu Rechtsmitteln und Gerichten zusteht. Daher schlussfolgerte die Kommission, dass die Carbon Majors sowohl zivil- als auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden könnten. Der beste Ort für diese Verfahren seien wahrscheinlich inländische Gerichte unter inländischer Rechtsprechung.

Auch wenn fossile Brennstoffe auf der offiziellen Tagesordnung der COP nicht vorkamen, zeigen diese bahnbrechenden Erkenntnisse zusammen mit den vielen anderen Rechtsverfahren, den Veranstaltungen auf der COP, den Berichten und Demonstrationen, dass es eine zunehmende Dynamik gibt, der Nutzung fossiler Brennstoffe ein Ende zu bereiten und diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die für den Klimawandel am meisten verantwortlich sind.

Die Autorin und der Autor danken Lili Fuhr, Steven Feit und Carroll Muffett für ihre Reviews sowie Ingrid Wehr für die Zusammenfassung der Kommentare chilenischer Kolleg/innen zu diesem Text