Die Bedeutung von Swing states: Kann Pennsylvania bei der Wahl 2020 wieder gedreht werden?

Hintergrund

Wie in anderen Regionen der USA haben sich seit dem „Wahlschock“ von 2016 in Pennsylvania viele Initiativen von Aktivist/innen gebildet, die den Demokraten nahe stehen. Die Hoffnung der Demokraten, die Mehrheit in Pennsylvania in 2020 zurückzugewinnen, ist nicht unbegründet.

Pittsburgh Panorama
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Pittsburgh Panorama

Rückblick: Zur Überraschung vieler Beobachter gewinnt Donald Trump in der Wahlnacht im November 2016 einen Bundesstaat nach dem anderen. Darunter befinden sich auch sogenannte Swing states wie Pennsylvania, den Trump mit dem geringen Vorsprung von nur 0,72% der Stimmen gegenüber Hillary Clinton gewinnt. Dadurch gingen die 20 Wahlmänner-Stimmen aus Pennsylvania, die im „Electoral College“ (Wahlmännergremium) den US-Präsidenten wählen, an Trump. Ähnlich überraschende Ergebnisse erzielte Trump in Michigan und Wisconsin, welche ihm letztlich die Präsidentschaft sicherten. Diese Staaten müsste Trump wahrscheinlich auch 2020 gewinnen, um wiedergewählt zu werden. Deshalb werden sich die Bemühungen der Demokraten und Republikaner im Wahlkampf verstärkt auf diese Swing states ( „schwankender Staat“ ) oder auch Battleground states konzentrieren. Kann Pennsylvania im November 2020 wieder „gedreht“ werden?

Pennsylvania traditioneller Swing state

Pennsylvania wird je nach Perspektive entweder zur Ostküste oder zum Mittleren Westen gezählt. Wie in vielen Bundestaaten verläuft die Trennlinie zwischen republikanischen und demokratischen Wähler/innen zwischen Großstädten und ländlichen Gegenden. So wählten Philadelphia, Pittsburgh, Harrisburg und Scranton in der Vergangenheit „traditionell“ demokratisch, während die Republikaner einen starken Rückhalt in den ländlichen Kreisen (counties) haben, in denen häufig konservative Wertvorstellungen wie das Recht auf Waffenbesitz und das Verbot von Abtreibungen vorherrschen.

Pennsylvania ist ein typischer Swing state, worunter man Staaten versteht, in denen es über Jahre hinweg zu engen Wahlergebnissen zwischen Demokraten und Republikanern kommt. Zwar haben die demokratischen Kandidaten in den sechs Präsidentschaftswahlen zwischen 1992 und 2012 die Mehrheit der Stimmen in Pennsylvania gewonnen, das aber häufig in Kopf-and-Kopf-Rennen (gleiches gilt übrigens für Michigan und Wisconsin). Ebenso gewann Trump 2016 mit dem Vorsprung von nur 44,292 Stimmen (bei einer Gesamtzahl von 6.1 Millionen abgegebenen Stimmen) die Wahl in Pennsylvania. Während die Demokraten seit 2014 den Gouverneur von Pennsylvania stellen, ist die Legislative seit Jahren in Hand der Republikaner (vermutlich auch mithilfe von Gerrymandering): In der Pennsylvania General Assembly stellen die Republikaner seit 2010 die Mehrheit im Repräsentantenhaus und sogar seit 1994 die Mehrheit im Senat.

Überraschungserfolg für Trump in 2016

In den Wochen und Monaten vor der Wahl 2016 deuteten fast alle Meinungsumfragen darauf hin, dass Clinton die Wahl in Pennsylvania gewinnen würde. Im Vergleich zu Trump konzentrierte sich Clintons Wahlkampf aber weniger auf Swing states wie Pennsylvania, in denen Trump in den Wochen vor der Wahl viel Zeit verbrachte. Dort zielte Trumps „Rust belt strategy“ besonders auf die Arbeiterschaft in den ländlichen Regionen ab, der er neue Arbeitsplätze durch ein Wiedererstarken der Kohl- und Stahlindustrie und ein Ausscheiden aus Handelsverträgen wie NAFTA versprach. Damit konnte er gute Ergebnisse in den alten Bergbau- und Industrieregionen im Nordosten und Südwesten Pennsylvanias erzielen. Hier kam es teilweise zu dramatischen Wählerabwanderungen von den Demokraten hin zu Trump, beispielsweise in den ländlichen Counties um die Großstadt Pittsburgh: Während es in Beaver County viel mehr registrierte Demokraten als Republikaner gab, konnte Trump hier mit einem Vorsprung von 16,000 Stimmen gewinnen. Ähnliche Überraschungsergebnisse konnte Trump in Fayette County, Washington County und Westmoreland County erzielen. Daneben konnte Trump in den Vororten von Philadelphia („suburbs“), die in der Vergangenheit mehrheitlich für die Demokraten gestimmt hatten, überraschende Wahlsiege einfahren. Auch in Erie County im nordwestlichen Pennsylvania, das bis dahin als Hochburg der Demokraten galt und in dem Barack Obama 2012 noch mit 16 Prozentpunkten Vorsprung vor Mitt Romney gewonnen hatte, konnte Trump gegen Clinton gewinnen. Zum Teil kann die Unterstützung für Trump in Pennsylvania auch auf die Abneigung vieler Wähler/innen gegen Hillary Clinton zurückgeführt werden.

Die Zustimmung zu Trump ist seit seiner Wahl 2016 in Pennsylvania allerdings kontinuierlich gesunken, insbesondere unter Frauen. Laut einer Umfrage vom Mai 2019 sind 42% der Wähler/innen in Pennsylvania mit Trumps Arbeit als Präsident zufrieden, während ihm 54% ein schlechtes Zeugnis ausstellen.

Zwischenwahlen 2018 bringt Demokraten neue Hoffnung

Ein erster Hoffnungsschimmer für die Demokraten, dass Pennsylvania 2020 wieder „gedreht“ werden könnte, war der Erfolg des Demokraten Conor Lamb, der im März 2018 eine Nachwahl für einen Sitz im US-Repräsentantenhaus in einem Bezirk gewinnen konnte, den Trump 2016 noch mit 20 Prozentpunkten Vorsprung gewonnen hatte. Wie in anderen Regionen der USA haben sich seit dem „Wahlschock“ von 2016 in Pennsylvania viele Initiativen von Aktivist/innen gebildet, die den Demokraten nahe stehen. Auch ihrem Einsatz ist es zu verdanken, dass die Demokraten bei den Zwischenwahlen zum Kongress im November 2018 in Pennsylvania drei Sitze im Repräsentantenhaus von den Republikanern gewinnen konnten. Damit sitzen jeweils neun Demokraten und Republikaner aus Pennsylvania im US-Repräsentantenhaus. Der Erfolg der Demokraten beruhte vor allem darauf, dass sie in den Vororten der großen Städte, insbesondere Philadelphia, in denen viele gut ausgebildete Amerikaner/innen leben, Wähler/innen mobilisieren und auf ihre Seite ziehen konnten. Die Wahlbeteiligung lag mit 58% historisch hoch – im Schnitt liegt die Wahlbeteiligung bei den Zwischenwahlen nur bei ca. 40%.

Die Hoffnung der Demokraten, die Mehrheit in Pennsylvania in 2020 zurückzugewinnen, ist nicht unbegründet, denn die Demokraten liegen laut aktuellen Umfragen vor Trump. Vieles hängt aber auch davon ab, welche/r Kandidat/in sich auf Seiten der Demokraten durchsetzt und nominiert wird. Bis dahin ist noch viel Zeit; die ersten Vorwahlen der Demokraten in Iowa, New Hampshire, Nevada und South Carolina werden erst im Februar 2020 gehalten. Bis zu den Vorwahlen in Pennsylvania am 28. April 2020 werden die Spitzenreiter unter den Kandidat/innen aber bereits feststehen.

Wahlkampf 2020 läuft auch in Pennsylvania bereits auf Hochtouren

Da Pennsylvania für die Vorwahlen nicht sehr relevant ist mag es überraschend erscheinen, dass viele der demokratischen Kandidat/innen, darunter Joe Biden, Bernie Sanders, Amy Klobuchar und Cory Booker, bereits Wahlkampf in Pennsylvania betreiben. Besonders der in Scanton geborene Biden setzt große Hoffnung auf Pennsylvania und leitet seinen Wahlkampf von Philadelphia aus. Als zentristischer Kandidat wirbt er unter anderem mit dem Argument, in Swing states wie Pennsylvania, Michigan oder Wisconsin die besten Aussichten auf einen Sieg gegen Trump zu haben. Das belegen tatsächlich aktuelle Meinungsumfragen für Pennsylvania. Allerdings würden nach diesen Umfragen auch die demokratischen Kandidat/innen Bernie Sanders und Elizabeth Warren Trump in Pennsylvania und anderen Swing states schlagen. Zwar sind die Chancen gut, dass Biden, der trotz schwacher Auftritte bei den bisherigen TV-Debatten und den Schlagzeilen um die Ukraine-Geschäfte seines Sohns Hunter Biden laut aktuellen Umfragen immer noch einer der aussichtsreichsten Kandidat/innen für die Nominierung der Demokraten ist, in den Vorwahlen in Pennsylvania ein gutes Ergebnis erzielen wird. Sollte er vorher aber keine nennenswerten Erfolge bei Vorwahlen in anderen Bundesstaaten erzielen, wird der Sieg in Pennsylvania unbedeutend sein.

Wirklich wichtig wird Pennsylvania als Swing state also erst während der Präsidentschaftswahl im November 2020. Das weiss auch Donald Trump, der seit seinem Amtsantritt 2017 den Wahlkampf praktisch nie beendet hat und auch bereits mehrere Wahlkampfauftritte in Pennsylvania hatte. Im Gegensatz zu 2016, als noch große Teile der Republikanischen Partei Trump skeptisch gegenüberstanden, weiss er nun die Parteimaschinerie auf seiner Seite. So konnte Trump in Pennsylvania einen loyalen Vorsitzenden der Republikanischen Partei einsetzen. Parteistrategen erwarten, dass 1,6 Millionen Freiwillige Trumps Wahlkampf in Pennsylvania unterstützen werden (im Vergleich zu 700,000 Freiwilligen im Jahr 2016). Mit neuen digitalen Strategien sollen die Wähler/innen wieder zum Wahlgang motiviert werden.

Bei seinen Unterstützern in Pennsylvania kann Trump mit einer relativ guten Wirtschaftslage, niedriger Arbeitslosigkeit, Handelsprotektionismus und dem Schutz der fossilen Brennstoff-Industrien punkten. Dazu wird ein mögliches Impeachment-Verfahren gegen Trump seine Kernwähler/innen noch weiter befeuern. Für die Demokraten wird es schwierig werden, die Counties, die Trump 2016 gewann, zurück zu gewinnen. Deshalb werden sie wahrscheinlich auf eine ähnliche Strategie setzen, die bereits 2018 erfolgreich war, und die darauf setzt, gut ausgebildete Wähler/innen in den Vorstädten und insbesondere Frauen und junge Wähler/innen zum Wahlgang zu motivieren.