Perspectives 02/2017: Den Menschen (zurück) ins Zentrum stellen - Infrastrukturentwicklung in Afrika

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Afrika braucht mehr – und insbesondere eine bessere – Infrastruktur. Über 600 Millionen Menschen in Afrika, das sind beinahe zwei Drittel der Bevölkerung des Kontinents, werden derzeit nicht mit Strom versorgt. Sie sind stattdessen auf Biomasse als Brennstoff angewiesen, was häufig sowohl ihrer Gesundheit als auch der Umwelt schadet. 53 Prozent aller Straßen, die die Hauptverkehrswege des Kontinents bilden, sind unbefestigt. Entsprechend schwierig gestaltet sich für viele Menschen der Zugang zum Bildungs- und Gesundheitswesen sowie besseren Einkommensmöglichkeiten. Fast die Hälfte aller Afrikanerinnen und Afrikaner hat noch immer keinen Zugang zu Trinkwasser, und zwei Drittel leben ohne Abwasserentsorgung. Mit dem zweithöchsten Bevölkerungswachstum weltweit und immer mehr Menschen, die vom Land in die Stadt ziehen, ist Afrika mit gewaltigen Herausforderungen konfrontiert.

Auch wenn im Laufe des vergangenen Jahrzehnts mehr Mittel für den Ausbau der Infrastruktur zur Verfügung standen und China damit begonnen hatte, Verkehrs- und Energieprojekte mit erheblichen Summen zu fördern: Nach Angaben der Weltbank, müssten allein im Afrika südlich der Sahara jährlich ungefähr 93 Milliarden US-Dollar investiert werden, um das bestehende Infrastrukturdefizit auszugleichen. Tatsächlich machen die derzeitigen Aufwendungen aber gerade etwas mehr als die Hälfte aus. Damit liegt eine Finanzierungslücke von gut 45 Milliarden US-Dollar vor.

Die gute Nachricht ist, dass nach jahrzehnterlanger Vernachlässigung, Infrastrukturmaßnahmen wieder ganz oben auf der internationalen Entwicklungsagenda angekommen sind. So steht auf dem Maßnahmenplan der „Arbeitsgruppe Entwicklung“ der Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) der Auf- und Ausbau von Infrastruktur seit 2010 an erster Stelle. Seither haben die G20 und mit ihr politisch verbundene, multilaterale Entwicklungsbanken wie die Weltbank und die Afrikanische Entwicklungsbank zahlreiche Initiativen aufgelegt, die Investitionen in Infrastruktur in Afrika und andernorts ankurbeln sollten. Sie wurden initiiert u.a. vom „Zentrum für globale Infrastruktur“ der G20, der „Globalen Umweltfazilität (GEF)", der Weltbank sowie jüngst auch von Deutschland, mit dem im Rahmen der G20 vorgelegten Vorschlags „Compacts with Africa“.

Alle diese Initiativen stehen vor dem Hintergrund, dass:

1. eine mangelhafte Infrastruktur die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas hemmt und eine dauerhafte Stabilisierung des Kontinents verhindert,

2. mehr Investitionen in Infrastruktur zu mehr Wachstum und Wohlstand führen,

3. die Mittel der öffentlichen Hand nicht ausreichen, um die Finanzierungslücke in diesem Bereich zu schließen. Die Privatwirtschaft muss daher als Geldgeber und Projektentwickler mit an Bord genommen werden.

4. mehr Mittel in projektvorbreitende Maßnahmen fließen müssen, damit anschließende Projekte weniger riskant sind und entsprechend mehr Investitionen aus privater Hand in profitable Unternehmungen fließen können.

Im Einklang mit solchen Initiativen haben in Afrika Regierungen und Institutionen auf nationaler, regionaler und globaler Ebene ehrgeizige Masterpläne für Infrastrukturmaßnahmen entwickelt, für die – so die Hoffnung – finanzielle Mittel aus öffentlicher wie privater Hand aus aller Welt eingeworben werden können. Besonders hervorzuheben ist hierbei das „Programm für die Entwicklung von Infrastruktur in Afrika“ (PIDA), welches Großprojekte aus vier Bereichen bündelt: Energie, Transport, Wasser sowie Informations- und Kommunikationtechnologie, und durch die in der Region Integration und Handel gefördert werden sollen.

Viele dieser Projekte kommen zwar nur langsam voran, teils weil es an Finanzierungszusagen gebricht, teils weil die Investitionsbereitschaft fehlt, und  dennoch ist zu erwarten, dass es mit vielen von ihnen weitergehen wird. Von Anbeginn an  sollten daher kritische Fragen gestellt werden: wer entscheidet – und wer sollte entscheiden – welche Projekte vorangetrieben werden? Wie werden wirtschaftliche Interessen gegenüber den einfachen Bedürfnissen der Menschen gewichtet? Welche Mechanismen zum Schutz der Gesellschaft, der Umwelt und des Klimas, sind nötig? Können die wesentlichen Mängel bei der Infrastruktur durch Großprojekte behoben werden? Und wie gut haben unterschiedliche Formen Öffentlich-Privater Partnerschaft (ÖPP) bisher tatsächlich in den jeweiligen Sektoren und Ländern funktioniert?

Mit der aktuellen Ausgabe der Perspectives möchten wir die laufende Debatte zum Thema Infrastrukturentwicklung weiter anregen, indem wir Momentaufnahmen präsentieren, die zeigen, was in unterschiedlichen Teilen Afrikas vor sich geht, und indem wir untersuchen, wie demokratische Teilhabe aussehen kann und welche Rolle Menschen- und Umweltrechte sowie der wirtschaftliche Strukturwandel des Kontinents spielen sollten. Der gemeinsame Tenor der hier versammelten Artikel ist klar und deutlich: Wenn die derzeit großen Anstrengungen im Bereich der Infrastrukturentwicklung die Daseinsbedingungen der Menschen Afrikas verbessern sollen, dann müssen deren Interessen und Sorgen unbedingt auch bei den entsprechenden Entscheidungsfindungsprozessen in den Mittelpunkt gestellt werden.

 

Produktdetails
Veröffentlichungsdatum
Juni 2017
Herausgegeben von
Heinrich-Böll-Stiftung
Seitenzahl
42
Lizenz
Sprache der Publikation
englisch
Inhaltsverzeichnis

 

4 Vorwort

6 Öffentlich-Private Partnerschaften: Afrikas Weg zu mehr Infrastruktur? von Josua Loots
11 Interview mit Tasneem Essop: Wie man die Energiefrage löst und dabei die Menschen in den Mittelpunkt stellt – Die Afrikanische Initiative für Erneuerbare Energie (AREI)
:15 Schwer verfahren: Das Autobahnprojekt in Nigerias Cross River State von Pamela Braide
19 Interview - Nigeria: Small Infrastructure to Solve Big Problems
23 Interview - The African Development Bank: Between Financial Success and Sustainable Development Outcomes
27 When Clean Energy Gets Dirty: Experiences from Kenya von Ikal Ang'elei
33 Making the Right Energy Choices: The SDGs in the Context of South Africa’s Exclusive Economy von Louise Scholtz and Saliem Fakir
39 Large Hydropower Dams Are Not the Answer: Time to Rethink Africa’s Energy Infrastructure von Rudo A. Sanyanga

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