Humor und Pressefreiheit in Ägypten

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„Tickling Giants“ ist ein Dokumentarfilm über einen Mann, der die Mächtigen mit seinem Humor herausfordert

Der legendäre Satiriker Bassem Youssef musste vor Präsident Al-Sisi ins Ausland fliehen. Seine Geschichte wird in dem Film "Tickling Giants" porträtiert. Wir sprachen mit Medienexpertin Dr. Hanan Badr über den Film und die derzeitige Situation der Medien- und Pressefreiheit in Ägypten.

In Kooperation mit der „Cinema for Peace Foundation“ wurde am 25. Januar 2017 in der Heinrich-Böll-Stiftung Berlin der Dokumentarfilm „Tickling Giants“ der Regisseurin Sara Taksler gezeigt.

Er erzählt die Geschichte des ägyptischen Chirurgen Bassem Youssef, der 2011 in Kairo die Demonstrationen gegen den damaligen Präsidenten Mubarak miterlebt und beschließt, seine eigene Comedy-Show zu starten.

Während der Proteste beginnt er, kleine Satirefilmen zu produzieren, die sich auch über die Herrschenden lustig machen – ein Novum in der ägyptischen Medienlandschaft. Die Youtube-Videos entwickeln sich zum Hit. Youssef wird berühmt und bekommt seine eigene Show im Fernsehen, in der er humorvoll und kritisch die politischen Entwicklungen des Landes begleitet. Dies beinhaltet auch kritische Spitzen gegen die jeweiligen Präsidenten, die seit 2011 ins Amt kommen.

Unter jeder Regierung wird er zur Zielscheibe von Machthabern und Teilen einer aufgebrachten Zivilgesellschaft, die seine Satire als Beleidigung auffassen. Unter dem aktuellen Präsidenten Al-Sisi verliert er schließlich seinen Sendeplatz, wird strafrechtlich verfolgt und flieht aus Ägypten.

Sehen Sie hier den Trailer sowie eine Filmkritik von René Wildangel.

Nach der Vorführung des Films gab die Kommunikationswissenschaftlerin und Medienexpertin Dr. Hanan Badr einen tieferen Einblick in die derzeitige Situation der Medien sowie der Pressefreiheit in Ägypten.

Frau Badr, Bassem Youssef wollte Sie mal für seine Show engagieren?

Hanan Badr: Zu Beginn seiner Karriere als Comedian hat Bassem Youssef noch in seiner Wohnung gefilmt, mit Bildern im Hintergrund, die an eine Wand geklebt waren. In dieser Phase habe ich ihn besucht und er wollte, dass ich in seinem Team arbeite. Leider hat es damals nicht in meinen beruflichen Werdegang gepasst.

In Ägypten waren seit 2011 drei verschiedene Präsidenten an der Macht. Welche Konsequenzen hatten diese knapp aufeinander folgenden, radikalen Regierungswechsel im Hinblick auf die Medienfreiheit?

Der ägyptische Journalismus hat sich eigentlich seit seinen Anfängen vor zweihundert Jahren immer im Kampf um die Pressefreiheit befunden. Es gab eine Phase zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, die wir als liberales Experiment oder den liberalen Versuch bezeichnen. Sie war durch einen Pluralismus gekennzeichnet, der sich auch in der Medienfreiheit wiedergespiegelt hat – selbst, wenn es nicht zu offiziellen Zugeständnissen an die Pressefreiheit kam. Das Machtzentrum hat aber immer im eigenem Interesse gehandelt - sei es durch direkte Zensur, indirekte Einschränkungen wie inszenierte Papier- oder Druckereiprobleme oder Lizensierungspolitik.

Je nachdem, wer gerade im Amt war, kam es zu mehr oder weniger Restriktionen. Zwischen 2011 und 2013 konnte man kurz aufatmen, vor allem wegen der Instabilität des damaligen Regimes. Doch auch in jener Zeitspanne konnte es passieren, dass Medienschaffende von Loyalisten Mubaraks angegriffen wurden, obwohl dieser längst abgelöst war.

In manchen Ländern, zum Beispiel in Russland, ist oftmals unklar, welche Inhalte von der Regierung als bedrohlich aufgefasst werden und welche nicht. Lässt sich dieser Faktor der Willkür auch in Ägypten feststellen oder gibt es klare rote Linien, die nicht überschritten werden dürfen?

Es gibt verschiedene Ebenen der Zensur. Einige Inhalte unterliegen einem eindeutigen Berichterstattungsverbot, das manchmal sogar von der Generalstaatsanwaltschaft ausgesprochen wird. Wer dagegen handelt, macht sich strafbar. Ein konkretes Beispiel für einen solchen Fall sind die Ereignisse auf dem Sinai. Dort kommt es zu terroristischen Attacken gegen Militär und Zivilbevölkerung. Niemand darf über die Angriffe berichten, mit der Begründung, dass dies die Sicherheit des Landes gefährdet würde. Ein Argument, das an den Patriotismus appelliert.

Neben öffentlichen Verboten gibt es dann noch die weit verbreitete Selbstzensur der Journalist/innen. Die Grenzen der freien Berichterstattung sind bekannt, werden aber auch getestet. Die Bevölkerung bringt den Medien kein Vertrauen entgegen. Das ist einerseits verständlich, in einem Land, in dem an manchen Tagen verschiedene Presseorgane mit identischen Überschriften titeln, andererseits problematisch, denn eine breite Unterstützung im Bemühen um die freie Presse fehlt.

Der Film „Tickling Giants“ handelt von einem Comedian, der den jeweiligen Präsidenten satirisch aufs Korn nimmt, schließlich aber mit seiner Show am Widerstand der staatlichen Sender und der Regierung scheitert. Auch der Wahlkampf vor der jüngsten Präsidentschaftswahl in den USA wurde von unzähligen satirischen Kommentaren begleitet, die sich über Trump lustig machten. Genützt hat es wenig. Wird Humor als politische Waffe überschätzt?

Humor ist tatsächlich ein doppelschneidiges Schwert; er hat das Potential, ein gesundes kritisches Bewusstsein zu fördern und bestimmte Dinge aufzudecken. Eine humorvolle Umgangsweise mit Kritik birgt aber auch die Gefahr des „Political Cynicism“. Bassem Youssefs Show wurde gerne an Freitagabenden im Freundeskreis angesehen, um sich zu entspannen. Da kann dann Katharsis im Vordergrund stehen, nicht Diskussion. Die Probleme werden „weggelacht“ und was eben noch eine Kritik an politischen Verhältnissen war, wird plötzlich zum Eskapismus.

Trotzdem sollte man den Humor als politische Waffe nicht unterschätzen. Oftmals kann Humor heikle Inhalte besser vermitteln, als seriöse Versuche dies gekonnt hätten. Ein gutes Beispiel ist die politische Witzkultur in der DDR. Aber auch Ägypten hat eine lange Tradition der Satire.

Youssefs Show wurde 2014 aus politischen Gründen abgesetzt. Der Film „Tickling Giants“ betont die Einzigartigkeit von Yousefs Versuchs, öffentliche Satire in Ägypten zu betreiben. Gibt es inzwischen Nachahmer oder Ansätze, ähnliche Sendungen zu entwickeln?

Es gab den Versuch einer ähnlichen Show, die allerdings nicht mit politischer Satire gearbeitet, sondern eher soziale Themen aufgegriffen hat. Sie konnten aber nicht an Bassems Erfolg heranreichen. Es gibt jetzt eine neue Show „El Plateau“, mit einem neuen Star, der vorher nicht bekannt war, Ahmed Amin, und der explizit betont hat, dass er keine politische Satire machen wird, sondern nur soziale und gesellschaftliche Themen ansprechen will. Ich persönlich bin der Meinung, dass auch soziale Themen immer politisch sind. Politik ist nicht nur ein Prozess auf höchster Ebene, sondern betrifft vor allem Alltagsbelange.

Amin hat zum Beispiel einen Song gemacht, in dem es um die Preiserhöhung geht. Er singt aus der Perspektive eines Familienvaters, der sich über die sozioökonomischen Verhältnisse beschwert, weil sein Gehalt nicht ausreicht. Das ist ein soziales Thema mit politischem Unterton. Auch bei solchen Unterhaltungsformaten gibt es strenge Vorgaben und Überprüfungen. Wenn ein Witz gemacht wird, der nur den Hauch einer Regierungskritik beinhaltet, wird er in der Postproduktion rausgeschnitten.

Die echte politische Satire hat sich eher in die sozialen Medien geflüchtet. Ein Format, das eher jüngere Menschen erreicht und nicht sehr bekannt ist, aber durchaus Potential haben könnte.

Das Interview führte Katharina Haase.