US-Wahl: Trumps "America First" ist ein globales Risiko

Trumps America First ist ein Weg ins Ungewisse
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Trumps America First ist ein Weg ins Ungewisse

Mit "America First" als Leitmotiv hat Donald Trump die Wahlen gewonnen. Dahinter verbirgt sich ein aggressiver Nationalismus mit Business-Kalkül, der für die ganze Welt ein Risiko zu werden droht. 

“America First“ - das war der Name einer Bewegung, die 1940 und 1941 Franklin D. Roosevelt davon abhalten wollte, Großbritannien und die Sowjetunion gegen Nazi-Deutschland zu unterstützen. Es war eine bunte Mischung von traditionellen Isolationisten, ethnischen und kulturellen Migranten-Gruppierungen - insbesondere von Iren, Italienern, Deutschen, Gegnern von „Ostküsten-Eliten“ britischer Herkunft - und nicht zuletzt Ideologen mit dem Glauben an Amerikas moralische Überlegenheit. „Lasst die Europäer ausbluten, wir werden die Erde beerben“, so die Hoffnung der bewegten Protestler.

America First heißt vor allem Egoismus

Trumps Vater war an der „America First“-Bewegung beteiligt. 75 Jahre später machte Donald Trump diese Losung zum Leitmotiv seines Wahlkampfs. Doch für Trump bedeutet “America First” nicht nur oder vor allem nicht in erster Linie Fürsorge für die eigenen Landsleute. Im Vordergrund steht ein aggressiver Nationalismus mit Business-Kalkül, in seinem persönlichen Fall getragen von der Skrupellosigkeit eines Marktspekulanten. Von Bündnissen mit gleichberechtigten Nationen als Partnern kann nicht die Rede sein. Trumps Welt ist eine Spätausgabe vom Sozialdarwinismus ohne moralische Hemmungen. Kein Wunder, dass er Lob für Putin und al-Sisi gefunden hat. Jetzt wird es unsere Welt also mit einem sehr rücksichtslosen Machtpolitiker zu tun haben.

Trump fehlt es an menschlichen Eigenschaften

Wieviel von dieser Welt versteht der zukünftige Präsident Trump? Nicht allzu viel. Komplizierte internationale Verflechtungen, die oft unsichtbaren Akkumulationsprozesse von kollektiven Erfahrungen, die Eigentümlichkeiten anderer Nationen - dies alles interessiert ihn nicht. Was beschert seinem Charakter diese eruptive und primitive Kraft, die wir im Wahlkampf zu Genüge erleben durften? Er liest nicht, scheint keine Neugier gegenüber Natur und Mensch zu haben, Empathiefähigkeit kaum zu besitzen – warum sonst würde er so unverschämt über andere lästern?

Viele bedauern, dass er ohne politische Erfahrung ins Amt kommt. Mag sein, aber noch bedauerlicher ist sein Mangel an menschlichen Eigenschaften.

Trumps Team ohne Expertise

Für gewöhnlich kompensiert ein amerikanischer Präsident seinen eigenen Mangel an Erfahrung und Wissen, indem er kluge Leute in die Regierungsämter bringt. Trumps enger Mitarbeiterkreis ist aber wenig beeindruckend. Und viele ehemalige Regierungsbeamte und akademische Experten aus dem außenpolitischen Bereich, die wichtige Erfahrung und Wissen mitbringen könnten und über Netzwerke und Beziehungen verfügen, haben schon ihre Abneigung gegenüber Trump gezeigt.

Die Leute, die Trump gewählt haben, gehören nicht zur Leserschaft von Foreign Affairs oder The New York Times. Trump hat seine Wählerschaft ermutigt, sich gegen „Washington“ aufzubegehren, indem sie ihn wählen. Nun braucht er, in allen Bereichen, eine zuverlässige Gruppe von erfahrene Menschen, die ihm helfen, die höchst komplizierte Aufgabe von Regierenden zu meistern. Sicher, viele sind bereit zu dienen - aber die Besseren wittern kommendes Unheil und werden nicht zu Verfügung stehen.

Rachefeldzug gegen das Establishment

Was Trumps größte Stärke in diesem Wahlkampf war, ist nun sein größtes Problem. Er hat den vorherrschenden Meinungen, auch in seiner eigenen Partei, getrotzt und hat dabei richtig gelegen. Er setzte auf die große Anzahl von Amerikaner/innen, die nichts von den Eliten halten, die fest daran glauben, dass diese Eliten Selbstbedienung zum höchsten Staatsprinzip erhoben haben. Diese Menschen fühlen sich kulturell und wirtschaftlich übergegangen. Trump hat diesen Menschen gegeben, wonach sie sich gesehnt haben - das Leitmotiv einer sozialen Rache. Aber ohne langfristige Programme kann auch Trump seine Wählerschaft nicht zufriedenstellen. Erst recht deswegen nicht, weil er just diejenigen, die ihm helfen könnten, als Gegner/innen abgestempelt hat.

America First - Europa auf Distanz

Der Umgang mit dringenden politischen Herausforderungen können wir nicht getrennt von der Frage betrachten, wie kompetent unsere Politiker/innen sind. Dies gilt für die wichtigsten Themen der politischen Agenda, ob bei der Lösung militärischer Konflikte oder Klimaschutz, ob er bei der Stärkung internationaler Bündnisse oder Handelsbeziehungen. Die USA steht vor einem gigantischen Schritt ins Ungewisse. Die Bürger/innen sind ein großes Risiko eingegangen. Vielleicht ist es an der Zeit, dass die Europäer/innen lernen, mit einer gewissen Distanz auf die USA zu schauen.