Was war eigentlich mit der DDR?

Berlin, Palast der Republik aufgenommen 1979
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Auf Seiten der DDR gab es kein Interesse, politische Beziehungen mit Israel anzustreben

DDR und Israel:  Anfangs noch voller Hoffnung blickte die DDR auf die israelische Kibbuz-Bewegung. Doch erlebten Jüdinnen und Juden in der DDR Feindseligkeit und Verfolgung.

Im Jubiläumsjahr der deutsch-israelischen Beziehungen wird von allen Seiten - politisch, medial wie wissenschaftlich - über die guten Beziehungen der vergangenen 50 Jahre gesprochen. Es stellt sich aber die Frage: Was war eigentlich mit der DDR? Tatsächlich zeichnete sich das Verhältnis der DDR zu Israel im Wesentlichen durch Nicht-Kontakte aus. Dies hatte zwei Ursachen: Zunächst einmal betrachtete sich die DDR im Gegensatz zur Bundesrepublik nicht als Nachfolgestaat des nationalsozialistischen Regimes und sah daher auch keine Veranlassung, Verantwortung für die Entschädigung der Opfer zu übernehmen. Diese Verantwortung und die damit verbundene politische Rhetorik von Moral und Versöhnung beruhte allerdings auch auf bundesdeutscher Seite auf pragmatischen Interessen, nämlich der Reintegration in die westliche Staatengemeinschaft und den guten Beziehungen zu den USA. Insofern scheint die zweite Ursache entscheidender zu sein: Die DDR mit ihrer Zugehörigkeit zum Ostblock hatte, im Gegensatz zur BRD, keinerlei Veranlassung, an politischen Beziehungen zu Israel interessiert zu sein. Im Gegenteil.

In den frühen 1950er Jahren sondierte die israelische Regierung die Möglichkeiten strategischer Beziehungen zu beiden deutschen Staaten. Der 1948 gegründete jüdische Staat war zu dieser Zeit in extremer finanzieller Notlage auf wirtschaftliche Hilfe von außen angewiesen. Die beiden Deutschlands schienen sich für dieses Anliegen am besten zu eignen, aufgrund ihrer moralischen Verpflichtung ob des Holocausts. Als Kalkül kamen allerdings auch die Angst vor einem wiederbewaffneten Deutschland und das Bestreben, dieses möglichst rasch politisch an sich zu binden, hinzu. Da die sozialistische Partei Mapam damals an der israelischen Regierung beteiligt war, wurde in den ersten Jahren nach der israelischen Staatsgründung die DDR sogar als potentieller Partner bevorzugt. Auch ließ die damals noch sehr starke Kibbuz-Bewegung, auf der die Identität des Staates Israels aufbaute, im sozialistischen Block Hoffnung entstehen, dass Israel sich diesem zuwenden würde. Dies hätte geopolitisch einen entscheidenden Vorteil im Kalten Krieg bedeutet.

Zwei politische Konkurrenten

Nach ersten Verhandlungen mit Konrad Adenauer entschied sich Israel aber für den "zahlungskräftigeren" Partner BRD und damit auch für die Seite des kapitalistischen Westens. Aus ersten Gesprächen seit 1949 entstand im September 1952 das Luxemburger Abkommen mit einer Vereinbarung zu Reparationszahlungen an Israel über einen Zeitraum von 14 Jahren in einer Höhe von 3,2 Milliarden D-Mark. In der Folge, und vor allem seit dem Suezkrieg von 1956, der die militärischen Auseinandersetzungen des Kalten Krieges schlussendlich auch auf den Nahen Osten ausweitete, wandte sich die politische Führung der DDR vollständig von Israel ab. In den folgenden Jahrzehnten polemisierte sie heftig gegen den jüdischen Staat, indem sie den "unterdrückerischen Zionismus" mit Kapitalismus und Faschismus gleichsetzte. Hierin wird das antisemitisch geprägte Weltbild der DDR-Führung deutlich. Ziel der Angriffe waren auch die westdeutschen Zahlungen, die als Unterstützung des "Feindes" galten. Denn mit dem formulierten Alleinvertretungsanspruch der BRD war eine politische Konkurrenz zwischen beiden Staaten entstanden: Die 1956 entworfene Hallstein-Doktrin besagte, dass die BRD alle Staaten boykottieren werde, die die DDR als legitimen Staat anerkannten.

Im Gegenzug verstärkte die DDR ihre Bemühungen um Kontakte zu den blockfreien arabischen Staaten. Für die Werbung des sozialistischen Blocks im Kreis der Arabischen Liga waren die offene Ablehnung und verbale Diffamierung des jüdischen Staates äußerst hilfreich. Die Polemik gegenüber Israel diente neben der Anbiederung an die arabische Welt, die darauf abzielte, der eigenen internationalen Isolation entgegenzuwirken, vornehmlich dazu, von innenpolitischen Problemen abzulenken. Sie war Teil der Kampagnen gegen ideologische Dissidenten und Juden im eigenen Land.

Erst in den späten 1980er Jahren, als sich die Frage der eindeutigen Zuordnung zu den beiden Blöcken langsam auflöste und die Führung der DDR Interesse an Beziehungen zu den Vereinigten Staaten entwickelte, wurden auch politische Kontakte zu Israel wieder in Erwägung gezogen. Mit der kurz bevorstehenden Wiedervereinigung gab die ehemalige DDR-Führung schließlich alle demonstrative Feindschaft auf und die Volkskammer erklärte am 12.April 1990, sie "bitte die Juden um Verzeihung für Feindseligkeit und für anhaltende Verfolgung in der DDR". Die nun aufgenommenen Verhandlungen um diplomatische Beziehungen wurden durch den raschen Prozess der Wiedervereinigung allerdings schnell obsolet.

Mit dem Zerfall des sozialistischen Blocks und dem Siegeszug des kapitalistischen Westens war auch die Epoche der Nicht-Beziehungen zwischen der DDR und Israel beendet. Der Versuch seitens der DDR, in den letzten Jahren ihres Bestehens und noch im Jahr 1990 eine diplomatische Annäherung herbeizuführen, muss als strategischer Zug bewertet werden: Mit den Bekenntnis zu Versöhnung und zur Anerkennung des geschehenen Unrechts sollte nunmehr eine möglichst reibungslose und rasche Angliederung an die Europäische Gemeinschaft und die USA vollzogen werden.

Zum Weiterlesen:

  • Yeshayahu Jelinek: Deutschland und Israel 1945-1965. Ein neurotisches Verhältnis, München 2004, S. 319-334.
  • Niels Hansen: Aus dem Schatten der Katastrophe. Die deutsch-israelischen Beziehungen in der Ära Konrad Adenauer und David Ben Gurion, Düsseldorf 2002, S. 521-539.
  • Angelika Timm: Hammer Zirkel Davidstern. Das gestörte Verhältnis der DDR zu Zionismus und Staat Israel, Bonn 1997.