Intensivfeldbau: Industrielle Landwirtschaft mit Zukunftsproblemen

Mit sinkendem Humusgehalt lässt die natürliche Fruchtbarkeit der Äcker nach – das kann keine Düngung beheben. Und neue Anbaumethoden bringen neue Belastungen. Ein Kapitel aus dem Bodenatlas.

Europa verfügt im weltweiten Vergleich über sehr widerstandsfähige Böden. Das Klima ist vielerorts milde und strapaziert das agrarisch genutzte Land wenig. Die Landwirtschaft selbst unterliegt vielerlei Auflagen, die dem Schutz der Umwelt dienen sollen. Dennoch zeigen 35 Prozent der landwirtschaftlichen Böden in der EU Verdichtungserscheinungen. 17 Prozent sind degradiert, also in ihrer Qualität deutlich verschlechtert bis zerstört. Auf 42 Millionen Hektar aller Flächen in Europa ist Winderosion zu erkennen, 105 Millionen Hektar sind von Wassererosion geschädigt.

Durch die landwirtschaftliche Nutzung haben 45 Prozent von Europas Böden deutlich an organischer Substanz – dazu gehören Humus und Bodenlebewesen – verloren. Die natürliche Fruchtbarkeit der Äcker ist gesunken. Ihr schlechter Zustand lässt sich in den gemäßigten Klimazonen vielerorts durch Mineraldünger- und Kalkgaben verbergen. Obwohl die Ernteerträge heute stabil sind, ist zukünftig mit Ausfällen zu rechnen.

Flüsse transportieren hohe Überschüsse an Dünger ins Meer. Dort zerstören sie das ökologische Gleichgewicht

Woher kommt diese Entwicklung? Ähnlich wie in Nord- und Südamerika, Australien und Nordchina sorgte auch in Europa über Jahrzehnte der Einsatz „moderner“ Techniken dafür, dass die Erträge stark gestiegen sind: durch Hochleistungssaatgut, Mineraldünger und Pflanzenschutzmittel, durch Monokulturen und intensive Bewässerung. Die landwirtschaftliche Produktion hat sich in den vergangenen 50 Jahren weltweit fast verdreifacht. In der gleichen Zeit ist die landwirtschaftlich genutzte Fläche nur um 12 Prozent gewachsen.
Zugleich führen genau diese Maßnahmen in Kombination mit engen Fruchtfolgen und geringem Zwischenfruchtanbau dazu, dass der Humusgehalt – also die organische Substanz – der Böden immer mehr abnimmt. Der Lebensraum der Organismen, die für eine Auflockerung der Böden sorgen, schrumpft. Die Bodenstruktur verfällt, die Böden verdichten sich. Ihre Funktionen sind gestört:

  • die Lebensraumfunktion (Artenvielfalt, Nützlinge),
  • die Regelungsfunktion (Wasseraufnahme, -speicherung, -reinigung, Abbau von Pestiziden und anderen Schadstoffen) sowie
  • die Produktionsfunktion (Nährstoffaustausch, natürliche Fruchtbarkeit).

Als neues Mittel gegen Bodenerosion gilt seit rund zwei Jahrzehnten die pfluglose Bodenbearbeitung. Dabei wird die neue Saat ohne weitere Bodenbearbeitung nach der Ernte in den Boden eingebracht. Unter Schlagworten wie „conservation agriculture“ (wörtlich: „Erhaltungslandwirtschaft“) und „no tillage“ („keine Bodenbearbeitung“) diskutieren Fachleute das Konzept. Es ist inzwischen weit verbreitet. 2011 waren bereits 125 Millionen Hektar unter „no till“, 55 Millionen davon in Lateinamerika, 40 Millionen in den USA und Kanada sowie 17 Millionen in Australien. Und der Zuwachs bleibt rasant.

Doch allein der Verzicht auf den Pflug hilft nicht gegen Verdichtung und Humusverlust. In der Regel wird die Direktsaat nicht mit erweiterter Fruchtfolge kombiniert, die mit ihrer besseren Durchwurzelung den Boden lockern und das Bodenleben aktivieren würde. Auch kommt meist kein organischer Dünger zum Einsatz, um den Humus aufzubauen. Wenn der Boden nicht umbrochen wird, „verkrautet“ er, Schädlinge wie Schnecken und Pilze können sich schnell ausbreiten. Deswegen werden bei dieser Anbaumethode viele Totalherbizide und Pestizide eingesetzt – ein großer Markt für die Agrochemie und die Hersteller genmanipulierten Saatguts: Die Gifte töten alle Pflanzen und Tiere ab, die nicht resistent gemacht wurden. Vor allem in Lateinamerika werden riesige „no till“-Monokulturen mit Sojapflanzen von Flugzeugen aus besprüht. Dort wird das Oberflächen- und Grundwasser mit Glyphosat belastet, dem weltweit meistverkauften Herbizid.
Ein anderes Zukunftsproblem der industriellen Landwirtschaft stellt Phosphor dar. Für das Wachstum der Pflanzen ist es unersetzbar.

Steigende Phosphatpreise

Phosphate werden konventionell genau wie Stickstoff als zugekauftes mineralisches Düngemittel eingesetzt. Nur gehen die globalen Vorräte zu Ende; bei derzeitiger Nachfrage sind die bekannten in 50 bis 100 Jahren verbraucht. Ob die maximale Förderung um 2030 erreicht sein wird, ist umstritten. Aber viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Verbrauch perspektivisch nicht mehr vom Abbau bestimmt wird, sondern vom Recycling.

Der Einsatz von immer mehr synthetischen Nährstoffen vor allem in Asien nützt nichts: Die globalen Erträge nehmen zwar noch zu, aber immer langsamer

Derzeit werden Phosphate verschwendet. Der Umgang mit ihnen muss effizienter und nachhaltiger werden. Zugleich werden die Phosphatpreise steigen, was neue Techniken wirtschaftlich macht. Aber die Phosphorkreisläufe zu schließen, ist sehr aufwändig.
Das Augenmerk liegt dabei vor allem auf Klärschlamm. Er enthält viel Phosphor, denn ein Erwachsener scheidet pro Tag 1,7 Gramm dieses Stoffes aus, 60 Prozent davon im Urin. Klärschlamm enthält allerdings zu viele Schadstoffe, um ihn in der Landwirtschaft zu verwenden, und das Herausfiltern des Phosphors, eine großtechnische Lösung, ist sehr teuer.

Ein weiterer Ansatz ist die Untersuchung von Mykorrhizapilzen. Diese Symbionten, die in jedem lebendigen Boden natürlich vorhanden sind, siedeln an den Wurzeln von Pflanzen und können ihre Träger mit erheblich mehr Wasser, Stickstoff und Phosphor versorgen als sie sich selbst. Es ist noch kaum erforscht, auf welchen Wegen diese Pilzarten, von denen mehrere tausend bekannt sind, das Phosphor aus ihrer Umgebung extrahieren und wie dieser Prozess auch in degradierten Böden und bei verschiedenen Nutzpflanzen verläuft. Es ist aber bereits vorstellbar, dass effizientere Ausbeutungsmethoden die menschlichen und agrarischen Abfälle und Abwässer zu weit wertvolleren Gütern machen, als sie es heute sind.
 

Quellen und weitere Informationen: