Es muss nicht bleiben, wie es ist

Noch ist das fossil betriebene Auto in Deutschland vorherrschend. Doch eine repräsentative Umfrage der Heinrich-Böll-Stiftung zeigt, dass die Menschen bei entsprechenden Anreizen und Verbesserungen der Infrastruktur auch ein E- oder Hybridauto fahren würden.

 


Autoland Deutschland

In Deutschland werden an einem durchschnittlichen Tag rund 3,2 Milliarden Kilometer zurückgelegt (Bundesverkehrsministerium 2018). Für ca. 57 Prozent der Wege bzw. drei Viertel der Personenkilometer wird dabei das Auto genutzt. Mobilität in Deutschland ist also weiterhin zumeist Auto-Mobilität. Schon aus diesem Grund stellt sich die Frage, welche Antriebstechnologien diese Fahrzeuge haben. Gegenwärtig sind in Deutschland fast 47,1 Millionen Pkw zugelassen, deren Durchschnittsalter liegt bei 9,5 Jahren (Kraftfahrtbundesamt 2019). 98 Prozent dieser Fahrzeuge werden von Benzin oder Diesel angetrieben, alternative Antriebsarten spielen eine Nebenrolle. Allerdings ist dieses – im Gesamtanteil noch zu vernachlässigende – Segment der alternativen Antriebe auch in Deutschland höchst dynamisch. Während die Zahl der Neuzulassungen etwa von Dieselfahrzeugen stark rückläufig ist, steigen die Neuzulassungen von E- und Hybrid-Fahrzeugen deutlich (Anteil der alternativen Antriebe bei Pkw-Neuzulassungen 2018 etwa 5 Prozent). Es finden sich zunehmend Autofahrer/innen, die sich für alternative Antriebsarten beim Autokauf entscheiden. Von einer erfolgreichen Verkehrswende kann aber mit Blick auf die weiterhin geringen Gesamtanteile noch keine Rede sein.

Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel Norwegen: Durch staatliche Förderprogramme und einen massiven Ausbau der Lade-Infrastruktur ist der Anteil an Elektro-Pkw im Gesamtbestand auf gut 7 Prozent gestiegen, dazu kommen rund 3,5 Prozent Plug-in-Hybride. Trotz der bereits hohen Bestandswerte liegt zudem der E-Auto-Anteil unter den Neuzulassungen bei mehr als 30 Prozent. Dies zeigt: Staatliche Förderprogramme können wirksame Anreize für den Umstieg setzen, alternative Antriebsarten können schon heute eine weitaus größere Rolle einnehmen, als es in Deutschland derzeit der Fall ist.

 


Bereit zum Umstieg

Noch ist der Bestand an Elektrofahrzeugen in Deutschland gering. Ein Grund dafür dürfte die fehlende Wechselbereitschaft der Autokäufer/innen sein. Die politisch gesetzten Wechselanreize sind zu gering, um bei einer kostenintensiven Anschaffung zu einer vergleichsweise neuen und damit aus der Praxis oftmals unbekannten Technologie zu wechseln. Verbrenner-Autos sind bekannt und damit für die Autokäufer/innen (noch) erste Wahl. Aber: Aus Sicht der Bevölkerung muss dies nicht so bleiben. Eine repräsentative Bevölkerungsbefragung der Heinrich-Böll-Stiftung zeigt, dass im Grundsatz durchaus die Bereitschaft besteht, beim Autokauf zu alternativen Antriebstechnologien zu wechseln. Dabei ist der Anteil derer, die bereits vom Umstieg überzeugt sind, noch vergleichsweise gering. Allerdings ist auch rund ein Drittel der Befragten durchaus offen für einen Umstieg, wenn die Bedingungen stimmen. Denn auffällig, aber mit Blick auf die medialen Debatten um Reichweite und Ladeinfrastruktur nicht gänzlich überraschend ist: Besteht Zugang zu einer Ladestation, dann ist die Gruppe der Wechselbereiten deutlich größer. Dies gilt besonders deutlich für den Wechsel zum reinen Elektroauto, das für die Mehrheit derzeit noch keine attraktive Alternative darstellt. Dies verdeutlicht: Der Ausbau einer gut erreichbaren Ladeinfrastruktur ist ein zentraler Ansatz, um die Bereitschaft zum Technologiewechsel zu befördern – gerade wenn es um reine Elektroautos geht. Dabei ist die erst seit wenigen Jahren in der breiten Masse verfügbare Technologie bereits jetzt einigermaßen akzeptiert, wenngleich noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten sein wird.

 


Einstieg in den Wandel

Autohersteller, Infrastrukturbetreiber und politische Akteure sind gleichermaßen gefragt, damit aus der Wechselbereitschaft auch tatsächlich ein Wechsel beim Autokauf wird. Es sind gerade alltagsrelevante Aspekte – etwa eine höhere Reichweite der Fahrzeuge und eine bessere Ladeinfrastruktur –, die einen wichtigen Anreiz für den tatsächlichen Umstieg bedeuten dürften. Hier zeigt sich, dass gewohnte Nutzungsmerkmale von Autos auf die neuen Technologien übertragen werden, auch wenn die bereits verfügbare Technik – etwa mit Blick auf die Reichweite – für die Mehrheit der üblichen Autonutzung bereits ausreicht; entscheidend ist, dass auch für längere Fahrten keine Leistungseinbußen zu befürchten sind. Ähnlich wichtig ist für die Umstiegsbereitschaft auch, dass E-Autos günstiger (wenngleich nicht günstiger als vergleichbare konventionelle Autos) und die Ladezeiten noch geringer werden.

Während die Aspekte Reichweite und Ladezeit von Seiten der Fahrzeugentwickler zu lösen sind, lassen sich infrastrukturelle und finanzielle Anreize durch Förderprogramme setzen. Dass diese beiden Aspekte letztlich maßgeblich sind, zeigt der Fall Norwegen. Weniger wichtig erscheinen den Befragten spezifische Förderansätze, etwa Steuervorteile.

Verkehrspolitische Präferenzen

Im Zuge der Klima-, Feinstaub- und Dieseldebatten wurden verschiedene Maßnahmen und Erwartungen an die Verkehrspolitik diskutiert. Dabei zeigt sich, dass Fragen der Verkehrspolitik polarisieren. Mobilitäts- und Autofragen sind nicht nur für eine Mehrheit der Bevölkerung von alltäglicher Bedeutung, sondern auch stark emotional aufgeladen. Nicht Fachargumente stehen dabei im Vordergrund, sondern individuelle Präferenzen scheinen die Einstellungen zu prägen. Dabei zeigt sich übergreifend, dass regulative Maßnahmen der Verkehrssteuerung, etwa Tempolimits auf Autobahnen und Fahrverbote bei zu hoher Feinstaubbelastung, gleichermaßen Zustimmung wie Ablehnung finden. Hier wird die Polarisierung der Bevölkerung besonders deutlich. Striktere Maßnahmen, etwa Tempolimits in der Innenstadt oder ein Ende der Verbrenner in der Zukunft, werden mehrheitlich abgelehnt, wohingegen Anreizelemente wie die Förderung neuer Antriebe mehrheitlich unterstützt werden. Auch in der Frage der umweltbezogenen Besteuerung zeigt sich eine deutliche Polarisierung, wobei zusätzliche Steuern für Verbrenner klar abgelehnt werden. Diese Daten verdeutlichen die Herausforderung, die mit verkehrspolitischen Entscheidungen– gleich welcher Ausrichtung – einhergehen: Konflikte und intensive
Debatten werden auch weiterhin die verkehrspolitische Agenda prägen.


Recherche und Text: Sebastian Bukow & Joschua Helmer

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