Zukunftsfähiges Deutschland – zukunftsfähige Schule

6. Mai 2010
Von Stephan Ertner

Veröffentlicht in der Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik (ZEP)

140 Lehrerinnen und Lehrer diskutierten am 21. April in der Heinrich-Böll-Stiftung über die Perspektiven von Bildung für nachhaltige Entwicklung und erarbeiteten Wege, die Themen der Studie „Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt“ in den Unterricht einfließen zu lassen.

Von Stephan Ertner

Achtzehn Jahre nach der Weltkonferenz von Rio ist Nachhaltigkeit als Leitbegriff längst im Zentrum gesellschaftlicher Diskurse angekommen – im Alltag der Schulen ist das weit noch weniger der Fall, trotz großer Anstrengungen und zahlreicher Programme wie der UN-Dekade Bildung für Nachhaltige Entwicklung. Dabei ist unbestritten, dass Nachhaltigkeit als Modernisierungsstrategie nicht zuletzt auf schulischer Bildung aufsetzen muss. Denn Nachhaltigkeit zielt auf mehr als politische Regulierung und technische Innovation. Sie basiert auch auf die Veränderung individueller Verhaltens- und Konsummuster, auf Gerechtigkeitsüberlegungen und die individuelle Befähigung zur politischen Partizipation. Der Schule kommt die Aufgabe zu, Schülerinnen und Schüler zur aktiven Gestaltung ihrer Zukunft zu befähigen. Sie muss sich daher zwingend Fragen nachhaltiger Entwicklung annehmen.

Die Tagung „Zukunftsfähiges Deutschland – zukunftsfähige Schule“ am 21. April in Berlin nahm die Studie «Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt» des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie zum Anlass, um über Perspektiven nachhaltiger Bildung zu diskutieren. Die Veranstaltung, die von der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung, von Brot für die Welt, dem Evangelischen Entwicklungsdienst, BUND, EPIZ, INKOTA-Netzwerk, Berlin 21 und der Heinrich-Böll-Stiftung durchgeführt wurde, richtete sich an Lehrerinnen und Lehrer und erarbeitete Strategien, wie Bildung für nachhaltige Entwicklung im Alltag der Schulen verankert werden kann.

Zu Beginn der Veranstaltung stellte Tilman Santarius, einer der Autoren, zentrale Themen und Perspektiven der Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“ vor. Eine grundlegende Wende auf einen umweltverträglichen, sozial gerechten und ökonomisch tragfähigen Entwicklungspfad sei noch immer nicht gelungen. Für den notwendigen Kurswechsel bedürfe es nicht zuletzt der Fähigkeit und Motivation junger Menschen zur politischen Partizipation. In der Schule dürfe es nicht alleine um Wissensvermittlung gehen, vielmehr müssten Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt werden, sich aktiv einzumischen.

Wie viel Begeisterung Bildung für nachhaltige Entwicklung hervorrufen kann, zeigte die Präsentation von Schülerinnen und Schülern verschiedener Berliner Schulen, die von ihren Aktivitäten in Unterrichtsprojekten und Schülerfirmen berichteten. Beispielsweise zeigte das Mikrokreditprojekt der Evangelischen Schule Berlin-Zentrum, wie es gelingt, die Erfahrungswelt von Schülerinnen und Schülern mit globalen Zusammenhängen zu verknüpfen: Schülerinnen und Schüler verdienen sich dabei durch kleine Jobs ein wenig Geld, das in der Schule gesammelt, in Dollar getauscht und über die Bank von Nobelpreisträger Muhammad Yunus in Bangladesh als Mikokredit vergeben wird.

Den Kern der Tagung bildeten Workshops, in denen Themenfelder der Studie vertieft wurden: die Zukunft der Mobilität, faire Produktionsketten, der Zusammenhang von Klima und Gerechtigkeit, neue Regeln für die Weltwirtschaft und energiepolitischen Fragen wurden jeweils in einer doppelten Perspektive behandelt. Die Workshops boten thematische Vertiefung und diskutierten die schulgerechte Aufarbeitung und didaktische Vermittlung.

Die Tagung schloss mit einer Debatte über die zukunftsfähige Schule. Gerhard de Haan vom Institut Futur der Freien Universität Berlin und Vorsitzender des Nationalkomitees der UN-Dekade «Bildung für nachhaltige Entwicklung» betonte, dass Bildung für nachhaltige Entwicklung ein Impuls für eine bessere Schule sein kann. Sie bringt Schulen dazu, ihre Inhalte auf die Relevanz für die Gestaltung der Welt von morgen zu überprüfen. Damit geht eine Orientierung nicht an den Fächern, sondern an den Schülern einher. Für Andrea Börner, Seminardirektorin in der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung liegt die Stärke von Bildung für nachhaltige Entwicklung vor allem darin, dass sie für Schülerinnen und Schüler sinnstiftend ist. Das gelte nicht nur für Kinder aus bildungsnahen Familien, sondern auch für die sogenannten „Risikoschüler“. Wie jedoch kann BNE weiter befördert werden? Tom Stryck, Leitender Oberschulrat in Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung vertrat die Auffassung, dass BNE nicht verordnet werden könne. Schulen muss der Freiraum zur eigenen Profilbildung eröffnet werden. Wie dieser genutzt werde, müssten Schulen selbst entscheiden, Nachhaltigkeit als Schulschwerpunkt sei nur eine von mehreren Optionen. Gerd de Haan und Georg Krämer, der Fachkoordinator für Globales Lernen am Welthaus Bielefeld hingegen forderten eine aktive politische Förderung von Bildung für nachhaltige Entwicklung durch entsprechende Anreize. Andreas Huber, der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft The Club of Rome wies darauf hin, dass es letztlich auf die Motivation der Lehrkräfte für das Thema ankomme und begrüßte es, wenn Veranstaltungen wie die in der Heinrich-Böll-Stiftung zur Ermutigung beitragen, dieses Thema weiter zu stärken.

Stephan Ertner ist Referent für Bildung und Wissenschaft in der Heinrich-Böll-Stiftung