Zwangsprostitution, Menschenhandel und der Freier

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1. Oktober 2008



Freitag, 26. Januar 2007

Während der Vorbereitung dieser Veranstaltung hatte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries angekündigt, ein weiteres Gesetz in den Bundestag einzubringen, nach dem die Freier von Zwangsprostituierten zur Rechenschaft gezogen werden können. Die UNO ging 2004 von 200.000 Zwangsprostituierten in Deutschland aus, andere Schätzungen liegen bei 120.000. Dem gegenüber standen 289 Ermittlungsverfahren mit 811 Opfern bundesweit. Die Initiative der Justizministerin folgte auf die Strafrechtsreform von 2004, die - in Revision des rot-grünen Gesetzes von 2002 - Verschärfungen bei Menschenhandel und Zwangsprostitution regeln will.

In welchem Maß sie zum Opferschutz beiträgt und in welchem aus ihr eine erneute Verschlechterung der Arbeits-resp.Lebensbedingungen Prostituierter resultiert, wurde in Fachkreisen kontrovers diskutiert. Die Debatten ähneln sich im Hinblick auf die Freier-Bestrafung. Nach geltendem Gesetz ist Menschenhandel illegal und strafbar, dazu bedarf es keiner neuen Regelung. Indem jedoch der Freier unter Strafverdacht fällt, stellt sich die Situation neu dar (siehe dazu z.B. die Debatten und Berichte im Bundesweiten Koordinierungskreis gegen Frauenhandel KOK e.V., http://www.kok-potsdam.de/).

Die juristischen Aspekte der Frage nach dem "Freier" standen nicht im Zentrum dieses Werkstattgesprächs, wohl aber unterschiedliche politische und gesellschaftliche Aspekte des Problems Frauenhandel und (Zwangs-)Prostitution. Die Hauptvorträge richteten den Blick gewissermassen antizyklisch auf den Prostitutionskunden gerichtet: In fast allen bisherigen Untersuchungen über Prostitution stehen die Hure oder der Zuhälter im Fokus der Betrachtung. Der Kunde hingegen erscheint als „der große Abwesende der internationalen Konventionen und Untersuchungen über die Prostitution“ (Jacques Poulin).

Anders als oft angenommen, stellt der Freier kein Unterschicht-Phänomen dar. Puff-Besucher sind heute vor allem Bildungsbürger. Ein zweiter Blick verweist auf den generellen Zusammenhang von Kapital und Prostitution. „Nur die Transaktion um Geld trägt jenen Charakter einer ganz momentanen Beziehung, die keine Spuren hinterläßt, wie er der Prostitution eigen ist.“ (Simmel). Die Sexindustrien gelten heute als der ´Sektor’ mit der höchsten Expansionsrate“ (Poulin) und machen einen beachtlichen Anteil des Wirtschaftsvolumens vieler Länder aus. So stellt sich also neben der Frage nach dem zahlungswilligen Freier auch die nach dem Verhältnis von nationaler Ökonomie und Sex. Wurde die Prostitution noch im 19. Jahrhundert mit einem mächtigen (biologisch bedingten) Sexualtrieb des Mannes erklärt, so scheint dieser Trieb heute eher im Dienst der Ökonomie zu stehen.

Eben dies scheint die große Neuerung auf dem Sektor der Prostitution im 20. Jahrhundert zu sein: die freiwillige und massive Unterwerfung der Prostitutionskonsumenten unter eine symbolische Ordnung, die den engen Zusammenhang zwischen Globalisierung und Sextourismus, abstraktem digitalem Geld (ohne nationale Deckung) und Sexkonsum herstellt. Wie gering sie selbst die „Männlichkeit“ ihrer Prostitutionsklienten einschätzen, offenbarten die Vertreterinnen französischer Prostituiertenverbände in einem öffentlichen Aufruf vom Sommer 2006, in dem sie sich gegen eine gesetzliche Einschränkung der Prostitution in Frankreich aussprachen: „Unsere Klienten sind keine Fleischfresser, die nach Sex hungern, so wie sie beschrieben werden. Sie sind oft sehr schüchtern und verlangen nach Diskretion. An Fußballabenden bleiben sie unter sich und sind zu betrunken, um Sex zu haben.“

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