Der Gerichtsentscheid belastet aus Sicht europäischer Stiftungen und Kulturinstitutionen die europäisch-türkischen Beziehungen erheblich und entbehrt jeglicher rechtsstaatlichen Grundlage.
Die Deutsch-Türkische Jugendbrücke, die European Cultural Foundation, das Goethe-Institut, die Heinrich-Böll-Stiftung und die Stiftung Mercator kritisieren das heute von einem türkischen Gericht verkündete Urteil gegen Osman Kavala scharf. Der türkische Förderer von Kunst, Kultur und Zivilgesellschaft ist bereits seit 2017 unter wechselnden, haltlosen Vorwürfen in Haft und wurde entgegen einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) heute zu einer lebenslangen Haftstrafe unter verschärften Bedingungen verurteilt.
„Das heutige Urteil ist eine schwere Belastung für die türkisch-europäischen Beziehungen. Es sendet ein fatales Zeichen an alle Menschen, die sich in der Türkei für die Zivilgesellschaft engagieren. Die unfaire Behandlung, der Osman ausgesetzt ist, bestärkt uns in unserem Eintreten für Austausch und Begegnungen“, sagt Dr. Anne Duncker, Leiterin des Bereichs Europa in der Welt bei der Stiftung Mercator. „Wir hoffen, dass eine höhere gerichtliche Instanz die Entscheidung bald revidiert, so dass Osman endlich wieder mit seiner Familie und seinen Freunden vereint sein wird.“
Kavalas Inhaftierung verletzt laut Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Dezember 2019 die Europäische Menschenrechtskonvention, die auch die Türkei unterzeichnet hat. Nach einem Freispruch durch ein Istanbuler Gericht im Februar 2020 ließ ihn die Staatsanwaltschaft am selben Tag erneut verhaften.
Die Weigerung der türkischen Behörden, Osman Kavala aus der Haft zu entlassen, hatte das Ministerkomitee des Europarats im Dezember 2021 dazu bewogen, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Türkei einzuleiten. Die heutige Verurteilung macht eine Sanktionierung der Türkei durch den Europarat wahrscheinlicher. Als Organisationen mit dem Ziel die europäisch-türkischen Beziehungen zu stärken, wollen wir, dass die Türkei ein wichtiges Mitglied des Europarats bleibt. Deshalb hoffen wir, dass das Land im Revisionsverfahren den von ihm freiwillig unterzeichneten Verpflichtungen nachkommt und Osman Kavala freilässt.
Dies wäre ein wichtiger Schritt, um das angespannte Verhältnis zwischen der Türkei und Europa zu verbessern und gleichzeitig die Demokratie in der Türkei zu stärken. Dr. Ellen Ueberschär, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung: „Zivilgesellschaft ist das Rückgrat jeder freiheitlichen Demokratie. Als Mensch und als Mäzen ist Osman Kavala unersetzlich für eine demokratische Türkei.“
Johannes Ebert | Vorsitzender des Vorstands, Generalsekretär | Goethe-Institut e.V.
Dr. Daniel Grütjen | Geschäftsführer | Deutsch-Türkische Jugendbrücke
Dr. Wolfgang Rohe | Geschäftsführer | Stiftung Mercator
Dr. Ellen Ueberschär | Vorstand | Heinrich Böll Stiftung
André Wilkens | Direktor | European Cultural Foundation
Annegret Wulff & Jotham Sietsma | Geschäftsführung | MitOst e.V.
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