
Die Heinrich-Böll-Stiftung engagiert sich in Brasilien für einen kritischen Dialog zu Klima- und Ressourcenpolitik. Außerdem fördert sie Debatten und Analysen zu Sicherheits- und Geschlechterpolitik, zum Recht auf Stadt, zum Einfluss von Religion in Politik und Gesellschaft und zur Krise der politischen Institutionen.
Unterstützt werden nationaler und internationaler Austausch zu den von uns bearbeiteten Themen und die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Organisationen und Netzwerke am politischen Dialog zwischen Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Regierungsinstitutionen. Auch klassische Menschenrechtsarbeit wird nach wie vor gefördert.
2014 war das rasante Wirtschaftswachstum Brasiliens, das die erste Dekade des Jahrhunderts geprägt hatte, zu Ende. Zur wirtschaftlichen Krise kam die politische Krise. Ausgelöst durch zahlreiche Korruptionsskandale führte sie Mitte 2016 zum Amtsenthebungsverfahren gegen die ehemalige Präsidentin Dilma Rousseff (PT) und mündet heute, 2017, in einem massiven Glaubwürdigkeitsverlust der politischen Eliten aller Parteien. Im neuen politischen Gefüge muss auch die organisierte Zivilgesellschaft neue Einflussmöglichkeiten ausloten. Hier bietet die Stiftung Raum für Debatten und fördert Dialog und Vernetzung.
Staatlicherseits wird versucht, mit radikalen Reformen (Arbeitsrecht; Renten) und der Privatisierung der öffentlichen Infrastrukturen die wirtschaftliche Entwicklung neu anzukurbeln. Großprojekte sind - unter anderem gemeinsam mit China - zur logistischen Erschließung Amazoniens und seiner Ressourcen geplant und zum Teil schon begonnen. Im sensiblen Ökosystem Cerrado, im Nordosten Brasiliens, soll mit staatlicher Förderung ein neues, riesiges Sojaanbaugebiet entstehen. Umwelt- und soziale Aspekte finden wenig Berücksichtigung. Menschen, die sich für den Schutz von Ressourcen und Umwelt einsetzen, werden zunehmend bedroht. Hier unterstützt die Heinrich-Böll-Stiftung die Partnerorganisationen FASE Amazônia und SDDH sowie den Aufbau von Netzwerken, die die Auswirkungen dieser Projekte und Entwicklungen auf Menschen und Umwelt sichtbar machen und versuchen, politische Entscheidungen zu beeinflussen.
Brasilien gilt international als Testland für Instrumente der Green Economy, insbesondere für Kompensationsmechanismen in der Klima-, Energie- und Ressourcenpolitik. In neuen Gesetzen werden Zahlungen für Umweltdienstleistungen (PES), wie REDD+ und TEEB, verankert, die Land, Wald, aber auch Biodiversität als Ressourcen, CO2-Speicher und Investitionsobjekte betrachten. Seit vielen Jahren befasst sich das Brasilienbüro mit seinen Partnern (Bündnis „Grupo Carta do Belém“, FASE, Terra de Direitos, INESC) kritisch mit den Auswirkungen und Alternativen zu den neuen Politikinstrumenten. Als einer der größten Agrarproduzenten der Erde weitet Brasilien seine Anbauflächen für landwirtschaftliche Produkte kontinuierlich aus. Nirgendwo werden in der Landwirtschaft im Pro-Kopf-Vergleich mehr gesundheitsgefährdende Pestizide eingesetzt als in Brasilien. Zum Erhalt der einzigartigen Biodiversität wird es immer wichtiger, juristisch gegen die Privatisierung von Saatgut, den Verlust der Biodiversität und den Gebrauch von Pestiziden anzugehen, wie unser Partner Terra de Direitos es tut.
Nach der Ausrichtung der sportlichen Großereignisse (Fußball-WM und Olympische Spiele) ist der Bundesstaat Rio de Janeiro bankrott. Die Sicherheitslage ist so dramatisch wie seit vielen Jahren nicht mehr, auch weil zahlreiche Sozial- und Präventionsprogramme eingestellt wurden. Da die Übergriffe von Polizei und Militär auf Bewohner der Armenviertel stark zugenommen haben, ist die Partnerorganisation Justiça Global wieder mehr mit direkter Menschenrechtsarbeit befasst, versucht aber auch weiter auf die Gestaltung der Sicherheitspolitik Einfluss zu nehmen. Auch hier unterstützt die Stiftung Netzwerkarbeit. 2017 ist klar, dass die Spiele wenig positives Erbe hinterlassen haben. Die Bewohner/innen der Armenviertel organisieren sich deshalb weiterhin, um auf strukturelle Probleme in Rio de Janeiro hinzuweisen und Veränderungen einzufordern. Hier arbeitet die Stiftung u.a. mit dem Instituto Raizes em Movimento und dem Observatorio das Favelas bei der Erstellung von Studien zum Schlüsselthema Mobilität zusammen. Partner ist in diesem Kontext auch das Forschungszentrum BRICS Policy Center.
Im Kampf für Frauenrechte und gegen Homophobie hat es durch den wachsenden Einfluss religiöser – evangelikaler und konservativ-katholischer – Gruppen auf Gesellschaft und Politik Rückschritte gegeben. Der Einfluss von Frauenorganisationen auf die Arbeit thematischer Beiräte, die in Brasilien unmittelbar beratend in viele politische Entscheidungsstrukturen eingebunden sind, ist deutlich zurückgegangen. Hier unterstützt die Heinrich-Böll-Stiftung die Bestandsaufnahme dieser Rückschritte und die Reflektion zu neuen Einflussmöglichkeiten der Frauenbewegung, u.a. gemeinsam mit den Frauenrechtsorganisationen CFEMEA, SOS Corpo und SOF. Zusammen mit dem Institut für religiöse Studien ISER bietet die Stiftung Publikationen und Veranstaltungen zum Spannungsfeld von Religion und Politik an.
Angesichts des Glaubwürdigkeitsverlustes der Politik wird sich die Heinrich-Böll-Stiftung verstärkt auch mit den wachsenden Einflusssphären von Unternehmen, Kirchen, u.a. auf politische Entscheidungen in Brasilien und Lateinamerika, befassen.
Büro Rio de Janeiro, Brasilien
Leitung: Annette von Schönfeld
Kontakt:
Fundação Heinrich Böll
Rua da Glória 190, Ap. 701
2011180 Rio de Janeiro – Gloria
Brasilien
Fon: +55-21-3221 9900
E-Mail: br-info@br.boell.org
Website: br.boell.org
Twitter: www.twitter.com/hbsbrasil
Facebook: www.facebook.com/bollbrasil
Instagram: www.instagram/heinrichbollbrasil