Pressemitteilung

70 Jahre Londoner Schuldenabkommen: Jetzt Schuldenschnitt für Klimaschutz voranbringen

Am 27. Februar jährt sich zum siebzigsten Mal die Unterzeichnung des Londoner Schuldenabkommens von 1953, in dem der Bundesrepublik Deutschland rund die Hälfte ihrer Auslandsschulden erlassen und für die Restschulden eine großzügige Rückzahlung vereinbart wurde.

„Heute sind nach Angaben des Internationalen Währungsfonds etwa 60 Prozent der Länder mit niedrigem Einkommen hochverschuldet oder gar überschuldet. Unmittelbar liegt dies an den Folgewirkungen der Coronapandemie, die durch die ökonomischen Schocks des Angriffskrieges auf die Ukraine verschärft worden sind. Hinzu kommen die Herausforderungen durch den Klimawandel“, erklärt dazu Imme Scholz, Vorstand der Heinrich Böll Stiftung. „Riesige Überschwemmungen in Pakistan, Süd- und Westafrika, verheerende Dürren am Horn von Afrika, tropische Stürme in Bangladesch, Philippinen und der Karibik sind nur einige Beispiele für Klimaschäden in 2022, die massiv zur Verschuldung beitragen. Um diese Lage zu bewältigen und einen Strukturwandel zur sozial-ökologischen Nachhaltigkeit angehen zu können, brauchen diese Länder eine ähnlich großzügige Schuldenregelung wie wir sie damals hatten“, so Scholz.

Jörg Haas, Referent Internationale Politik erläutert weiter: „Wachsende wirtschaftliche Verluste durch Klimaschäden, in der Folge erhöhte Risikoaufschläge auf die Ausgabe von Auslandsanleihen, und nun das steigende Zinsniveau sind die Zutaten eines toxischen Cocktails, der immer mehr Staaten in die Überschuldung treibt. Der Zahlungsausfall Ghanas ist erst das jüngste Beispiel.“ Fehlende Anpassung und Emissionsminderung, Klimaschäden und erhöhte Kapitalkosten schaffen eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale.

„Ohne eine Entschuldung sind viele Staaten nicht in der Lage, selbst niedrig verzinste neue Gelder für den Klimaschutz aufzunehmen, wie sie aktuell verstärkt unter dem Namen Bridgetown Agenda diskutiert werden. Entschuldung ist ein zentraler Baustein einer Reform der internationalen Finanzarchitektur. Deutschland muss sich hier konstruktiv einbringen“ fordert Sarah Ribbert, Referentin für Entschuldung und grüne Transformation.

Zusammen mit führenden Expert*innen aus USA, Europa und dem globalen Süden hat die Heinrich-Böll-Stiftung bereits 2020 einen Vorschlag für eine umfassende Entschuldung für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung entworfen und seitdem stetig weiter ausgearbeitet. Ein Vorbild ist die 1996 beschlossene HIPC Initiative, die zahlreichen Staaten eine Entschuldung ermöglichte.

Im Zuge der Verschärfung der Schuldenkrise findet die Idee immer mehr Echo: So haben die V20 – die Finanzminister*innen von 58 am stärksten vom Klimawandel betroffenen Staaten die 1,5 Milliarden Menschen repräsentieren – sehr ähnliche Vorschläge gemacht. Auch eine neue Studie des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) bezieht sich positiv auf den Vorschlag.

Das Projekt „Debt Relief for a Green and Inclusive Recovery“ wird am 13. März einen neuen Bericht veröffentlichen, der die Schuldenkrise in ihrer Verbindung zum Klimaschutz analysiert, und Berechnungen zum Umfang der notwendigen Entschuldung anstellt.


Pressekontakt
Heinrich-Böll-Stiftung
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