Sammlung alternativer Begriffe (und Narrative) rund um Identitätspolitik
Es gilt das gesprochene Wort, heißt es manchmal im Alltag, aber eigentlich gilt das gesprochene Wort immer, denn Sprache schafft Tatsachen. Sie ist ein mächtiges Werkzeug, kann das eine beschönigen, das andere kleinreden. Manchen Dingen verleiht sie eine neue Bedeutung, manche verkehrt sie ins Gegenteil. Ein Beispiel dafür sind die Begriffe und Narrative, die das Feld der sogenannten Identitätspolitik umschreiben. Teile dieses Vokabulars sind in den alltäglichen Sprachgebrauch übergegangen, werden in persönlichen Gesprächen, in Medien, teilweise auch in Wissenschaft und Politik verwendet. Selbst Verfechter*innen der Idee von mehr Teilhabe und Gerechtigkeit – um beides geht es im Kern bei „Identitätspolitik“ – benutzen die Begriffe, weil sie plakativ sind und man sofort weiß, was damit ungefähr gemeint ist. Darin liegt ihr Vorteil. Der Nachteil: Die Komplexität, um die es in all den Diskussionen um Teilhabe und Gerechtigkeit geht, wird auf Schlagworte reduziert. Das wird spätestens dann zum Problem, wenn bestimmte Schlagworte die Ideen hinter konkreten Begriffen und Narrativen nicht nur verkürzen, sondern regelrecht delegitimieren.
„Menschen verändern sich durch die Worte, mit denen wir sie beschreiben. Sie werden zu dem, was ihnen zugeschrieben wird.“ Was die Essayistin Kübra Gümüşay formuliert, gilt nicht nur für Menschen. Es gilt insgesamt für unsere Art, auf die Welt zu blicken und über sie zu sprechen. Es ist kein einseitiger Prozess. Andere Beschreibungen, neue Begrifflichkeiten werden so zu einer Möglichkeit, andere und neue Perspektiven einzunehmen. Darum geht es in der folgenden Sammlung von Begriffen und Narrativen zum Feld der sogenannten Identitätspolitik. Statt den Blick zu verengen, soll die Sammlung helfen, den Blick zu weiten für das, worauf die vielen Debatten und Diskussionen abzielen.
Begriff |
alternativer Begriff |
Identitätspolitik |
Anerkennungs- und Teilhabepolitik |
cancel culture |
consequence culture oder: Kultur der Verantwortlichkeit |
woke |
sensibel für das Thema Diskriminierung |
Schneeflocken |
Menschen, die darauf achten, Minderheiten und Marginalisierte nicht auszugrenzen |
Diktatur der Political Correctness |
Berücksichtigen der Interessen von Minderheiten und Marginalisierten |
moralisierend |
ethische Aspekte mitdenkend |
Sprachpolizei |
Menschen, die darauf hinweisen, dass und wie Sprache diskriminieren und ausgrenzen kann |
Sprechverbot |
Aufforderung, auf diskriminierende und marginalisierende Sprache zu verzichten |
Opferidentität |
Bewusstsein für Marginalisierung und Diskriminierung bei Betroffenen |
Gender-Ideologie |
Gender-Gerechtigkeit |
Angriff auf die Meinungsfreiheit |
Forderung, diskriminierenden und ausgrenzenden Haltungen im gesellschaftlichen Diskurs keinen Raum zu geben |
Gutmensch |
Mensch, der sich solidarisch gegenüber Minderheiten und Marginalisierten verhält |
Spaltung der Gesellschaft |
Markieren verschiedener Haltungen innerhalb der Gesellschaft |
berufsempört |
dauerhaft aufmerksam für Fragen sozialer Gerechtigkeit |
umgekehrter Rassismus |
Nicht-Zentrieren w e i ß e r Menschen bzw. deren Ausschluss, um sichere Räume für BIPoCs zu Post-Migrant*innen zu schaffen |
Tugendwächter |
Kritiker*innen von Machtstrukturen, die dazu dienen, Marginalisierte und Minderheiten auszuschließen |
Denkverbote |
Aufforderungen, die Konsequenzen diskriminierenden und marginalisierenden Verhaltens in ihrer Mehrdimensionalität zu bedenken |