Thailands Plastikmüll-Dilemma

Analyse

Jährlich werden immer noch bis zu 250.000 Tonnen Kunststoffabfälle aus dem Ausland nach Thailand importiert. Gleichzeitig wird die thailändische Regierung im Jahr 2022 vier weitere Arten von Einwegkunststoffen verbieten. Die Politik bemüht sich den Kurs zur Verringerung der Plastikverschmutzung beizubehalten, aber es gibt immer noch Herausforderungen bei der Mülltrennung und -sammlung vor Ort.

Eine Deponie voller Plastikmüll in Ayutthayas Bang Ban District

Als ein junger Dugong namens Mariam, ein Social-Media-Liebling, im August 2019 an Plastikmüll in seinem Magen starb, wurde das Problem der Kunststoffverschmutzung in Thailand schnell zu einem dringenden Anliegen.

Da die Öffentlichkeit in höchster Alarmbereitschaft war, formulierte das Umweltministerium Absichten, dieses chronische Problem anzugehen. Es kündigte an, Verschmutzungen 2020 besser zu kontrollieren und startete eine Kampagne gegen die Nutzung von Plastiktüten. Ziel war es, das Plastikmüllaufkommen bis Ende 2020 um 30 Prozent zu senken.

Gleichzeitig verabschiedete das thailändische Kabinett im Jahr 2019 auch die sogenannte „Roadmap on Plastic Waste Management“ (RPWM) als Fahrplan und Rahmenbedingung für den Zeitraum von 2020 bis 2030, die den politischen Rahmen für die Arbeit der entsprechenden Behörden zur Erreichung der Ziele bildet. Unter anderem wurde beschlossen, sieben verschiedene Arten von Einwegkunststoffen zu verbieten, sowie alle Haushaltsabfälle aus Plastik bis 2030 vollständig zu recyceln. Zum Ende von 2019 wurden bereits drei Einwegkunststoffe verboten – dazu zählen beispielsweise Verschlusskappen, oxidative abbaubare Kunststoffe und Mikroplastik.

Aber seit die COVID-19-Pandemie Thailand im Jahr 2020 traf, haben Bemühungen die Plastikverschmutzung zu reduzieren abgenommen. Laut der Abteilung für Umweltschutz hat sich die Menge an Kunststoffabfällen seit der Pandemie um 40 Prozent erhöht. Dennoch versicherte Generaldirektor Athapol Charoenshunsa, dass an dem Fahrplan (RPWM) festgehalten werde, insbesondere wenn das Land im nächsten Jahr den Meilenstein erreiche,  vier weitere Einwegkunststoffe zu verbieten.

Die „Roadmap on Plastic Waste Management“ (RPWM)  bleibt trotz Pandemie auf Kurs

Da die Frist für das vollständige Verbot von Plastiktüten, dünner als 36 Mikrometer, Styropor-Lebensmittelbehälter, Kunststoffgläser dünner als 100 Mikrometer, und Plastikstrohhalmen nähert rückt, sagte Athapol, dass die Behörden bereit seien, das Verbot dieser vier Arten von Einwegkunststoffen auch innerhalb des nächsten Jahres zu realisieren.

„Wir können die RPWM wie geplant umsetzen, auch wenn wir mit der COVID-19-Pandemie zu kämpfen haben“, versicherte er. „Es gab bereits viele Gespräche mit allen relevanten Akteur*innen und Geschäftspartner*innen  um einen geeigneten Aktionsplan für das Verbot dieser vier Einwegkunststoffe zu entwickeln und reibungslos einzuführen, ohne zu große Auswirkungen auf einen der Stakeholder zu haben.“

„Wir sind sicher, dass die Umsetzung der RPWM wie geplant weitergehen wird, auch wenn wir mit der COVID-19-Pandemie zu kämpfen haben.“

Er räumte jedoch ein, dass eine Verordnung unter dem Arbeitsschutzgesetz (Factory Act) von 2019, welche die vier Einwegkunststoffe verbietet, schwieriger zu verabschieden sein wird, weil sie während des öffentlichen Anhörungsprozesses auf Widerstand aus der Wirtschaft stoßen könnte. Einige Unternehmen hätten bereits ihre Sorge geäußert, dass sich das Verbot negativ auf ihr Geschäft auswirken könnte. „Abgesehen von dieser rechtlichen Herausforderung, haben wir von der politischen Seite angefangen, auch die Kunststoffhersteller zu ermutigen, ihre Produktionslinien von nicht-recycelbaren Einwegkunststoffen auf abbaubare und recycelbare Kunststoffarten umzustellen“, sagte er.

Neben dem Verbot von vier Einwegkunststoffen, erklärte Athapol, dass alle beteiligten Behörden auch innerhalb der RPWM hart daran arbeiteten, Kunststoffabfallrecycling stärker zu fördern und bis 2022 50 Prozent der Abfälle zu recyceln, und bis zu 100 Prozent in 2027.

Die Abteilung für Umweltverschmutzungskontrolle von Thailand, Ministerium für natürliche Ressourcen und Um-welt

„Die Abteilung für Umweltverschmutzungskontrolle (PD) hat bereits mit dem Innenministerium, das für die Sammlung und Verwaltung von Siedlungs- und Kunststoffabfällen zuständig ist, diskutiert, um die Recyclingkapazität des Landes zu verbessern und strengere Maßnahmen zur Abfallsortierung zu ergreifen und um sicherzustellen, dass Kunststoffabfälle aus Haushalten ordnungsgemäß sortiert und recycelt werden“, sagte er. „Die Abteilung für Umweltverschmutzungskontrolle hat auch bereits eine neue Verordnung zur Verbesserung der Abfallsortierung und des Recyclings entworfen, aber bisher konnte die Verordnung aufgrund der Pandemie nicht durchgesetzt werden.“

Dennoch betonte er, um das Ziel eines vollständigen Recyclings von Plastikabfällen zu erreichen, liege es an uns allen, dass wir uns mit den neuen Regeln zur Abfallsortierung vertraut machten, denn wenn die Bevölkerung recycelbaren Kunststoff entsprechend aussortiert, werde das die Abfallbewirtschaftung von Kunststoffen erheblich verbessern.

Prem Pruktayanon, CEO von “Green2Get” und Administrator von “3WheelsUncle”.

Prem Pruktayanon betreibt ein Unternehmen zur Kunststoffabfallsammlung und ist Administrator der beliebten Facebook-Seite „3WheelsUncle“. Er glaubt, dass die Bemühungen der Regierung unterstützenswert seien, im nächsten Jahr vier Einwegkunststoffarten zu verbieten, da sie nicht recycelbar seien und ein Verbot dazu beitragen könne, die schweren Verschmutzungen des Landes einzudämmen.

Darüber hinaus sagte Prem, dass das Verbot zusätzlich fördern könnte, robustere Kunststoffe zu verwenden, die nicht nur einen höheren Handelswert haben, sondern auch einfacher zu recyceln seien. Er kommentierte jedoch, dass er nicht glaube, dass die Plastikmüllprobleme bloß durch ein einfaches Verbot gelöst werden könnten, da viele weitere Maßnahmen erforderlich seien, um die gesamte Kunststofflieferkette von den Produzent*innen über die Verbraucher*innen bis hin zu den Recyclingunternehmen zu reformieren.

„Auf Seiten der Wirtschaft sollten die Kunststoffhersteller Produkte herausbringen, die leichter recycelt werden können, damit Kunststoffabfälle einfacher sortiert und verwertet werden können.“

Doch bevor das Land 100 Prozent aller Kunststoffabfälle recyceln könne, seien laut Prem strengere Maßnahmen auf der Verbraucherseite erforderlich, die eine angemessene Sortierung förderten. Gleichzeitig müssten die Behörden auch das Abfallsammelsystem verbessern, um sicherzustellen, dass der sortierte Abfall entsprechend seiner Art behandelt werde. „Auf Seiten der Wirtschaft sollten die Kunststoffhersteller Produkte herausbringen, die leichter recycelt werden können, damit Kunststoffabfälle einfacher sortiert und verwertet werden können.“, fügte er hinzu.

Kunststoffabfallhandel: Ein großes Hindernis auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft

Als Inhaber eines Unternehmens das Kunststoffabfälle sammelt, sagte Prem, dass die Regierung einen relativ guten Fahrplan habe, um inländische Kunststoffabfälle besser zu verwalten und zu recyceln. Er merkte jedoch an, dass all diese guten Maßnahmen leicht durch importierten Plastikmüll aus dem Ausland zunichte gemacht werden könnten, da die Regierung den Import von billigen Kunststoffabfällen für das Recycling nach Thailand weiterhin zulasse.

„Der Import von solchen Abfällen ist sehr schädlich für den inländischen Kunststoffabfallmarkt und schadet den Unternehmen, die Kunststoffabfälle sammeln, da er den Preis für recycelbaren Kunststoff stark sinken lässt, was zum Zusammenbruch lokaler Recyclingunternehmen führt“, sagte er. „Es ergibt überhaupt keinen Sinn, dass die Regierung zulässt, dass mehr Plastikmüll aus wohlhabenden und weiter entwickelten Ländern importiert wird, während unser Land immer noch an Plastikverschmutzung leidet.“

Kunststoffmüllimporte sind in Thailand seit 2017, als China, der damalige Hauptimporteur von Kunststoffabfällen die Einfuhr von 24 Kunststoffabfallarten verboten hatte, ein umstrittenes Thema. Aufgrund dieses Importverbots strömte eine Welle von Plastikmüll aus wohlhabenden Ländern stattdessen in südostasiatische Länder, einschließlich Thailand.

Plastikmüllimporte, ein umstrittenes Thema in Thailand. Lizenzinformationen.

Laut Statistiken des Zollministeriums stieg die Menge der importierten Kunststoffabfälle im Jahr 2018 auf mehr als 500.000 Tonnen, das ist 10-mal höher als die durchschnittliche Menge an Kunststoffabfällen, die vor 2015 mit rund 56.000 Tonnen pro Jahr importiert wurden.

Aufgrund des sprunghaften Anstiegs dieser Importe, hatte der Unterausschuss zur Überwachung der integrierten Bewirtschaftung von Elektronik- und Kunststoffabfällen ein Verbot der Einfuhr von Kunststoffabfällen bis September 2020 beschlossen.

Dennoch flossen die importierten Kunststoffabfälle in den folgenden Jahren und über diese Frist hinaus weiterhin in das Land. Statistiken des Zollministeriums zeigen, dass die Gesamtmenge der importierten Kunststoffabfälle von 2017 bis 2020 mehr als 1 Million Tonnen betrug, während in den ersten fünf Monaten des Jahres 2021 über 58.000 Tonnen Kunststoffabfälle nach Thailand verschifft wurden.

Die Menge der Kunststoffabfallimporte nach Thailand 2012 - Jan/Mai 2021

Dass der Kunststoffabfallhandel nach Thailand fortgesetzt wurde, war das Ergebnis der politischen Überarbeitung durch den Unterausschuss, der die ursprüngliche Frist verlängerte. Somit sollen die Kunststoffabfallimporte jährlich um 20 Prozent reduziert werden, bis es schließlich erst in 2026 zum vollständigen Verbot kommen soll. Als Grund nannte der Unterausschuss, dass die Kunststoffrecyclingindustrie des Landes immer noch bis zu 685.190 Tonnen importierter Kunststoffabfälle pro Jahr benötigt. Aus diesem Zusammenhang haben Umweltaktivist*innen und lokale Kunststoffabfallsammler*innen noch einmal eine Kampagne ins Leben gerufen, um den Importen von Kunststoffabfällen innerhalb diesen Jahres ein Ende zu setzen.

Thailands steiniger Weg zur nachhaltigen Bekämpfung der Plastikverschmutzung

24. Mai 2019 - eine junge Studentin hält ein Plakat mit einem Aufruf zum Verbot von Einwegplastik beim Protest von Climate Strike Thailand in Bangkok

Penchom Saetang, Direktorin von „Ecological Alert and Recovery – Thailand (EARTH), betonte, dass die Regierung den Import von Kunststoffabfällen sofort stoppen müsste, da dies im Widerspruch zu Thailands Ziel stehe, bis 2027 100 Prozent des Kunststoffabfalls im Land gemäß der RPWM zu recyceln.

„Es gibt viele Mythen darüber, dass wir gereinigten Plastikmüll aus anderen Ländern importieren müssten, weil Plastikmüll aus Thailand von zu schlechter Qualität sei, um recycelt zu werden. All diese Mythen sind nicht wahr“, sagte Penchom. „Darüber hinaus ist die Kunststoffrecyclingindustrie eine sehr schmutzige Industrie. Kunststoffabfälle nach Thailand zu importieren um sie hier zu recyceln ist so, wie anderen zu erlauben ihren Müll in unserem Haus abzustellen. Das verstößt außerdem gegen den Grundsatz, dass Abfälle am Ort ihres Ursprungs entsorgt werden sollten.“

„Es gibt viele Mythen darüber, dass wir gereinigten Plastikmüll aus anderen Ländern importieren müssten, weil Plastikmüll aus Thailand von zu schlechter Qualität sei, um recycelt zu werden. All diese Mythen sind nicht wahr.“

Penchom glaubt, dass die Menge an inländischem Kunststoffabfall für die Recyclingindustrie mehr als genug Volumen biete, aber Thailands Systeme zur Abfallsortierung und -sammlung noch immer unzureichend seien, um recycelbaren Kunststoffabfall für die weitere Verwendung richtig zu sortieren.

Penchom Saetang, Direktorin von „Ecological Alert and Recovery“ (EARTH)

Nach Angaben der Abteilung Umweltverschmutzungskontrolle wurden in Thailand innerhalb der letzten zehn Jahren jährlich etwa zwei Millionen Tonnen Kunststoffabfälle erzeugt, aber nur ein Viertel dieser Menge (rund 500.000 Tonnen) wurde ordnungsgemäß gesammelt und recycelt. Unterdessen gab das Industrieministerium bekannt, dass die Nachfrage für recycelbare Kunststoffabfälle der Recyclingindustrie in diesem Jahr 680.000 Tonnen betrug.

Darüber hinaus wies Penchom darauf hin, dass der importierte Kunststoffabfall verschmutzt sei, da er auch andere gefährliche Abfälle aufweise, die dem Land weitere Umweltprobleme bereiteten.

Das Wichtigste, so sagte sie, was die Regierung tun müsse, bestehe darin, die Abfalltrennung in den Haushalten umfassend zu fördern und das Abfallsammelsystem zu verbessern, um recycelbare Kunststoffabfälle effizienter von nicht-recycelbaren Abfällen trennen zu können. Sie müsste auch das Prinzip der erweiterten Herstellerverantwortung anpassen, um Kunststoffproduzenten in das Abfallmanagementsystem einzubeziehen, sagte sie. „Ohne das richtige Abfallsortier- und Sammelsystem wird der Traum die Plastikverschmutzung zu beenden und einer Kreislaufwirtschaft niemals wahr werden.“


Die vom Autor geäußerten Ansichten sind nicht notwendigerweise die der Heinrich-Böll-Stiftung.