Diplomatischer Frühling

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Der diesjährige Amerikagipfel in Panama

Langes Warten auf einen Handschlag: Das erste Treffen von Barack Obama und Raúl Castro auf dem Amerikagipfel ist historisch. Die politische Eiszeit zwischen den USA und Kuba scheint damit ein Ende gefunden zu haben.

Der Amerika-Gipfel der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), fand dieses Jahr vom 10. bis 11. April in Panama unter dem Motto "Wohlstand und Gerechtigkeit" statt und gilt als eines der wichtigsten Treffen im Integrationsprozess auf dem amerikanischen Kontinent. Bereits zum siebten Mal kamen die 34 Staats- und Regierungschefs der karibischen, nord-, mittel- und südamerikanischen Staaten zusammen, um über die politischen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen der Region zu verhandeln.

Der Gipfel wurde ursprünglich auf Initiative Bill Clintons 1994 in Miami ins Leben gerufen, um das US-amerikanische Vorhaben einer neoliberalen Freihandelszone für den gesamten Kontinent voranzutreiben. Dieses Vorhaben galt als eines der wichtigsten außenpolitischen Ziele des sogenannten Miami-Plans und sollte auf dem Gipfeltreffen im Jahr 2005 in Argentinien in Kraft treten. Doch eine Mehrheit der amerikanischen Staaten widersetzte sich der US-dominierten Handelspolitik und es kam während des Gipfels zu starken Protesten gegen die Bush-Regierung, sodass der Plan einer „Gesamtamerikanischen Freihandelszone“ (ALCA) letztendlich für gescheitert erklärt wurde.
In den Folgejahren konzentrierten sich die Treffen inhaltlich auf die Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise sowie die “Kuba-Frage“. Aufgrund der fehlenden diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Kuba seit dem Ausschluss Kubas aus der OAS im Jahr 1962, wurde dem sozialistischen Inselstaat seit Beginn des Amerika-Gipfels die Teilnahme an den Treffen verweigert, was zu zunehmender Kritik von Seiten der mittel- und südamerikanischen Staaten führte.

Veto von Kanada und den USA

Der letzte Amerikagipfel im Jahr 2012 in Kolumbien endete nach zwei Tagen heftiger Diskussionen ohne eine Abschlusserklärung. Der Streit um Kuba dominierte hierbei die Agenda des Forums. Bereits im Vorfeld hatten die Staatschefs von Venezuela, Ecuador und Nicaragua ihre Teilnahme aus politischen Gründen verweigert, um ihre Kritik an dem Ausschluss Kubas deutlich zu machen. Auf der Konferenz forderte die Mehrheit der teilnehmenden Regierungschefs, darunter auch der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos und Brasiliens Staatschefin Dilma Rousseff, die Aufnahme Kubas in das Forum. Dagegen legten die USA und Kanada ein Veto ein, sodass es am Ende zu keiner Einigung kam. «Wenn universelle Menschenrechte vorenthalten werden, die Unabhängigkeit der Rechtsprechung, der Gesetzgebung oder der Pressefreiheit bedroht werden, dann werden wir die Stimme erheben», rechtfertigte US-Präsident Barack Obama seine politische Haltung im Hinblick auf die Kuba-Frage.

Als Reaktion auf die Isolierungspolitik der USA gegenüber Kuba, kündigten mehrere Staats und Regierungschefs an, zukünftige Gipfeltreffen zu boykottieren, falls Kuba weiterhin ausgeschlossen bleibe. Das Gastgeberland Panama ging daraufhin auf diese Forderungen ein und verschickte eine offizielle Einladung zum siebten Amerika-Gipfel an Kubas Präsident Raúl Castro. In seiner Einladung an die Staats- und Regierungschefs erklärte Panamas Präsident Juan Carlos Varela, dass der Gipfel zum Ziel habe, ein Forum für den Dialog zu sein, um die Verpflichtung der Länder der Region zu erneuern, sowie „eine größere Annäherung und Zusammenarbeit zwischen den Völkern von Amerika zu erreichen."

In einer offiziellen Meldung bestätigte die Vizepräsidentin Panamas, Isabel Saint Malo de Alvarado, kurze Zeit später die Teilnahme Kubas an dem Gipfel und bekräftigte Panamas Intention als Gastgeberland einen Raum für einen politischen Dialog zwischen den verschiedenen amerikanischen Staaten zu schaffen. Die USA und Kanada reagierten nach Angaben des panamaischen Außenministeriums mit „Verständnis“ auf die Einladung der Castro-Regierung, machten aber deutlich, dass die Teilnahme Kubas an dem kommenden Gipfeltreffen keine Legitimierung der kubanischen Regierung von ihrer Seite bedeute. 

Ein Ende der Eiszeit

Bereits im Vorfeld bezeichneten politische Beobachter den Panama-Gipfel als historisch, da es bei diesem hochrangigen Treffen der 35 Staats- und Regierungschefs der Region zum ersten Mal in der Geschichte des Gipfels zu einer direkten Begegnung zwischen Obama und Castro kommen sollte. Mit Spannung wurde erwartet, wie die Verhandlungen der Regierungen beider Länder über die politischen Maximalforderungen voranschreiten und inwiefern es trotz des weiterbestehenden US-Handelsembargos zu einer Einigung kommen könne.

Die Forderungen der Castro-Regierung waren auf die Rückgabe des US-Militärstützpunktes Guantánamo sowie die Streichung Kubas von der schwarzen Liste der „Terrorstaaten“ ausgerichtet. Präsident Obama machte deutlich, dass Verhandlungen langfristig nur möglich sind, wenn Meinungsfreiheit und Menschenrechte respektiert werden und der kubanischen Bevölkerung freier Zugang zur amerikanischen Botschaft gewährt wird.

Bereits im Januar hatte Präsident Obama den Auftrag an US-Außenminister John Kerry vergeben, eine eventuelle Streichung Kubas von der schwarzen Liste der Terrorstaaten zu überprüfen, da diese Forderung laut Experten einfacher zu erfüllen sei, als der jahrzehntelange Streit um den Pachtvertrag über den Stützpunkt Guantánamo. Wenige Tage vor dem Gipfel sprach das US-Außenministerium daraufhin die Empfehlung aus, Kuba von der Liste der Unterstützerstaaten des Terrorismus zu streichen. Der Demokrat Ben Cardin, führendes Mitglied des Ausschusses für internationale Beziehungen im US-Senat sagte, dies sei ein wichtiger Schritt in Richtung der US-Bemühungen, „ein fruchtbareres Verhältnis zu Kuba aufzubauen".

Die Annäherungspolitik der USA in der Kuba-Frage fand unter den übrigen lateinamerikanischen Staaten breite Zustimmung. Doch viele Regierungschefs, darunter Boliviens Präsident Evo Morales, forderten nicht nur das Ende der Blockade gegen Kuba, sondern auch die Rücknahme des Dekrets gegen Venezuela. Anfang März hatte Präsident Obama das südamerikanische Land angesichts der aktuellen politischen Situation zur „Bedrohung für die nationale Sicherheit“ der USA erklärt. Dies wurde damit begründet, dass die USA "verpflichtet" seien, den Respekt vor den Menschenrechten und demokratischen Institutionen zu fördern sowie ihr Finanzsystem vor "illegalen Geldflüssen aus öffentlicher Korruption" in Venezuela zu schützen. In der Folge wurden gegen sieben Regierungsfunktionäre Sanktionen verhängt.

Zehn Millionen Unterschriften

Der venezolanische Präsident Nicolás Maduro rief daraufhin zu einer internationalen Twitter-Aktion und einer Unterschriftensammlung „für den Frieden und die Souveränität“ auf, mit der Forderung das Dekret aufzuheben und dem Ziel zehn Millionen Unterschriften an Präsident Obama auf dem Gipfel zu überreichen. Insbesondere die regionalen Bündnisse Union südamerikanischer Nationen (UNASUR) und die Bolivarische Allianz (ALBA) verurteilten die Entscheidung Obamas und solidarisierten sich mit Venezuela, ebenso wie die Regierungen Chinas und Russlands sowie die Bewegung der Blockfreien Staaten. Bei einem von Präsident Maduro einberufenen Sondergipfel der ALBA-Staaten Mitte März in Caracas bekräftigte auch Kubas Staatschef Raúl Castro die Unterstützung seiner Regierung für Venezuela und „die zivil-militärische Union unter Führung von Nicolás Maduro" und erklärte es als „undenkbar“, dass von Venezuela eine Bedrohung für die Sicherheit der USA ausgehen könne.

Die Verschlechterung der politischen Beziehungen zwischen den USA und Venezuela, einem der engsten Verbündeten Kubas, bedeuten für den Inselstaat einen diplomatischen Balance-Akt. Venezuela ist der wichtigste Handelspartner der Castro-Regierung, doch die Wiederaufnahme der politischen Beziehungen mit den USA ist für das wirtschaftlich schwache Kuba von großer Bedeutung. Der Kurs der US-Regierung hingegen ist zum einen durch das Ende der Isolationspolitik gegen Kuba gezeichnet - die Präsident Obama selbst als gescheitert bezeichnet hatte - zum anderen aber durch den Unilateralismus im Hinblick auf Venezuela.

Der Generalsekretär der UNASUR, Ernesto Samper, forderte im Vorfeld des Gipfels eine Neuordnung der Beziehungen zwischen den USA und Lateinamerika, bei der von Einseitigkeit und "Zertifizierungen" seitens der Regierung von US-Präsident Barack Obama unter anderem im Bereich Menschenrechte oder im Kampf gegen Drogen abgesehen werden müsse. Der politische Kurs der USA wird von vielen lateinamerikanischen Staaten insbesondere vor dem Hintergrund der Drogen-Skandale, in die US-amerikanische Sicherheitskräfte in Kolumbien verwickelt waren, und dem schwindenden Einfluss Nordamerikas auf dem südlichen Kontinent scharf kritisiert.

Um ein eventuelles Scheitern des Gipfels aufgrund der sich zuspitzenden Situation zwischen den USA und Venezuela zu verhindern, reiste der Lateinamerika-Berater des US-Außenministeriums, Thomas Shannon, vergangenen Mittwoch nach Caracas, um mit Venezuelas Präsident Nicolás Maduro und Außenministerin Delcy Rodríguez zu sprechen. Während des Zusammentreffens versuchte Shannon die politischen Wogen zu glätten, indem er das Dekret zu einem "Format" herabstufte, das die Verhängung von Sanktionen gegen ausgewählte Funktionäre der venezolanischen Administration erlaube.

Der Handschlag

Bereits einen Tag vor Beginn des offiziellen Gipfels kamen US-Außenminister John Kerry und Kubas Außenminister Bruno Rodríguez zu einem Gespräch zusammen, um den Annäherungsprozess der beiden Regierungen zu betonen. Zur Eröffnung des Gipfels kam es dann zu dem mit Spannung erwarteten Handschlag während der Begrüßung zwischen Barack Obama und Raúl Castro. In seiner Rede nannte Präsident Obama den Gipfel einen historischen Wendepunkt für den gesamten amerikanischen Kontinent und rief zugleich den Kongress in Washington zur Aufhebung der Wirtschafts- und Handelssanktionen gegen Kuba auf. Er räumte ein, dass die US-Politik nicht immer konsistent im Hinblick auf Demokratie und Menschenrechte gewesen sei, betonte aber, dass er die Geschichte hinter sich lassen wolle und einen Neubeginn der US-lateinamerikanischen Beziehungen anstrebe.

Im Anschluss sprach Kubas Präsident Castro über die jahrzehntelange Isolierungspolitik der USA und die Folgen des Wirtschaftsembargos für die kubanische Bevölkerung und übte scharfe Kritik an den Vorgänger-Regierungen Obamas. Aber auch Castro zeigte sich kooperationsbereit und bezeichnete Obama als einen „ehrlichen Mann“, mit dem er einen „respektvollen Dialog“ zwischen Washington und Havanna zu etablieren versuche.

Ehrlich und erfolgreich

Im Verlauf des zweiten Tages trafen sich Obama und Castro zu einer einstündigen bilateralen Konferenz bei dem die Neugestaltung der diplomatischen Beziehungen besprochen werden sollte. Obama nannte es ein „ehrliches und erfolgreiches Gespräch“, betonte aber das es immer noch viele Differenzen zwischen den beiden Staaten gebe, die es in der Zukunft zu überwinden gilt. Auch Raúl Castro sagte nach dem Zusammentreffen mit Obama aus, dass beide Parteien „bereit seien über alles zu sprechen“, aber das dieser Prozess sehr viel Geduld erfordere. 

Kritik an Obama gab es vonseiten der bolivianischen, ecuadorianischen und argentinischen Regierungen, hauptsächlich im Bezug auf das gegen Venezuela verhängte Dekret. Die Rede von Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro, der die Rücknahme des Dekrets mit dem Verweis auf etwa elf Millionen gesammelte Unterschriften forderte, fiel aber weniger aggressiv aus, als politische Beobachter im Vorfeld angenommen hatten. Das im Anschluss stattfindende Zusammentreffen zwischen Maduro und Obama dauerte jedoch nur wenige Minuten und verlief ohne eine nennenswerte Einigung.

Lob bekam Obama unter anderem von Kolumbiens Ministerpräsident Juan Manuel Santos und vom Gastgeber des Gipfels, Panamas Staatschef Juan Carlos Varela, der die lang erwartete Teilnahme Kubas an dem Gipfel als Fortschritt in den Kooperationsverhandlungen bezeichnete ebenso wie Chiles Außenminister Heraldo Munoz, der die Ergebnisse des Gipfels als den „Anfang vom Ende des Kalten Krieges“ bewertete.

Auch Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff begrüßte die Annäherungspolitik der USA in der Kuba-Frage und vereinbarte mit Obama anlässlich eines bilateralen Zusammentreffens am zweiten Tag des Gipfels, eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Brasilien hatten sich seit dem Spionageskandal im Jahr 2013, bei dem US-Geheimdienste die persönliche Korrespondenz der brasilianischen Staatschefin abgehört hatten, verschlechtert und Dilma Rousseff hatte in der Folge ihren geplanten Besuch im Weißen Haus im Oktober 2013 abgesagt. Nun einigten sich die beiden Staatsoberhäupter auf eine Zusammenkunft in Washington für den 30. Juni diesen Jahres.

 

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