Futtermittel: Viel Land für viel Vieh

Die industrielle Tierhaltung verschlingt Felder für den Anbau von Futter, belastet die Böden und produziert Verkehr. Ein Kapitel aus dem Bodenatlas. Jetzt umsonst downloaden, bestellen oder online lesen!

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Für die Sojaimporte wurde an der Weser extra der Hafen Brake ausgebaut. Hier holen sich die Massentierhalter Niedersachsens ihr Futter. Die Gülle aus der Massentierhaltung wird in angrenzende Regionen und Bundesländer exportiert. (Grafik ist ein Ausschnitt der Karte, die sie weiter unten komplett finden)

Immer wieder wird erzählt, dass die industrielle Tierzucht weniger Land in Anspruch nimmt, weil eine große Menge von Tieren in überfüllte Ställe gepfercht wird. Was man dabei vergisst: dass riesige Landflächen nötig sind, um das Getreide und die Sojabohnen anzubauen, mit denen die industriell gezüchteten Tiere gefüttert werden. Rund 33 Prozent der weltweiten Anbauflächen werden für die Produktion von Viehfutter verwendet. In der Europäischen Union liegt diese Zahl noch höher: Hier landen 60 Prozent des angebauten Getreides in den Trögen. Dieses Verfahren ist äußerst ineffizient. Für 100 Kalorien an Nutzpflanzen, die statt Menschen jetzt Tiere ernähren, erhalten wir durchschnittlich nur 17 bis 30 Kalorien als Fleisch zurück. Es ist also pure Verschwendung, fruchtbares Land für den Anbau von Futterpflanzen zu nutzen.

Bodenatlas 2015

Bodenatlas: Daten und Fakten über Acker, Land und Erde

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Der Bodenatlas präsentiert Daten und Fakten über die Bedeutung und den Zustand von Land, Böden und Ackerflächen in Deutschland, Europa und weltweit. In bewährter Tradition bietet der Bodenatlas in zahlreichen Grafiken und Textbeiträgen einen aktuellen Einblick in den Zustand und die Gefährdung der Böden, von denen wir leben.

Tiere könnten das Land sinnvoll nutzen, wenn sie in Weidehaltung lebten, wo sie Gras zu Nahrung veredeln, die wir verzehren. Dort können sie Flächen nutzen, die nicht als Äcker taugen, weil sie beispielsweise zu karg sind. Zudem müssten sie in einer Kombination von Ackerbau und Viehzucht aufgezogen werden, wo Reststoffe von Nutzpflanzen an sie verfüttert werden, also die Teile der Feldfrüchte, die Menschen nicht essen können.

 

In Argentinien verdrängen die Futterpflanzen Grasland und Wälder – und mit ihnen die Hirten, Weidebauern und Indigenen

Um hingegen gewaltige Mengen Futter zu produzieren, muss der Anbau intensiviert werden. Würde die Nachfrage nach Futterpflanzen sinken, könnte das Ackerland schonender bewirtschaftet werden, was bedeutet: weniger Monokulturen, weniger chemische Düngemittel und weniger Pestizide. Die Bodenqualität würde durch Fruchtwechsel, Hülsenfrüchte (die Stickstoff aus der Luft aufnehmen und an den Boden weitergeben können), Brachezeiten und natürliche Düngung wiederhergestellt werden. Und das ist dringend nötig: 45 Prozent der Böden in Europa zeigen Qualitätsverluste, wie ihr geringer Anteil an organischen Substanzen belegt.

Wenn die weltweite Nachfrage nach Nutz- als Futterpflanzen weiter ansteigt, muss der Anbau entweder ausgeweitet oder intensiviert werden – oder beides. Eine Ausweitung ginge zu Lasten von Grasland und Wäldern und hätte unter anderem folgende Auswirkungen:

  • Die Urbarmachung von Land für den Ackerbau setzt gespeicherte Kohlenstoffvorräte in die Atmosphäre frei.
  • Die biologische Vielfalt geht verloren; Agrarchemikalien sollen den Ertrag steigern.
  • Hirten und Weidebauern werden in weniger ergiebige Randgebiete verdrängt, wo sich durch unpassende Bewirtschaftung Wüsten bilden können.
  • Die Vernichtung von Wäldern bedroht die Lebensgrundlage der Bevölkerung, die in ihnen lebt.

In einigen Teilen der Welt, insbesondere in Afrika südlich der Sahara, könnte der Ertrag im Ackerbau verbessert werden. Aber in vielen Gegenden hätte eine Intensivierung der Feldwirtschaft wahrscheinlich die genannten negativen Folgen. Schwere Fahrzeuge würden zusätzlich den Boden verdichten und so das Pflanzenwachstum beeinträchtigen. Intensivierung des Ackerbaus bedeutet auch, dass der Boden stärker bewässert wird – mittelfristig droht Versalzung.

 

Für die Sojaimporte wurde an der Weser extra der Hafen Brake ausgebaut. Hier holen sich die Massentierhalter Niedersachsens ihr Futter. Die Gülle aus der Massentierhaltung wird in angrenzende Regionen und Bundesländer exportiert

Vernünftigerweise sollten nur so viele Tiere gehalten werden, wie mit Nutzpflanzenresten zu ernähren sind. Stattdessen erfordert die industrielle Viehzucht Unmengen an Sojamehl – über 90 Prozent der weltweiten Produktion ist für die Massentierhaltung bestimmt. Sojaanbau ist eine der Hauptursachen für die Abholzung in Südamerika. Schädlings- und Unkrautvernichtungsmittel auf den Plantagen in Argentinien führen zu immer mehr Atemwegserkrankungen, Fehlgeburten und Fehlbildungen bei Neugeborenen. Früher war Argentinien für seine über die weite Prärie ziehenden Viehherden berühmt. Diese Ebenen werden nun zunehmend für die Sojaproduktion umgepflügt, das Vieh wird in öde Mastparzellen gepfercht und mit Getreide gemästet. Überdies werden in der Massentierhaltung enorme Mengen Wasser gebraucht, um Futterpflanzen anzubauen. Werden Fleisch, Milch und Eier industriell produziert, erfordert und verschmutzt das in der Regel mehr Wasser, als wenn sie aus der Weidewirtschaft oder aus Mischsystemen stammen.

Obwohl die Zugabe von Düngern wie Stickstoff für den Anbau von Nutzpflanzen nötig ist, ist er eine der Hauptursachen von Umweltverschmutzung. Überschüssiger Stickstoff belastet Boden, Wasser und Luft. In Europa wird er hauptsächlich für den Anbau von Futtermitteln eingesetzt, ein erheblicher Teil wird von den Pflanzen nicht aufgenommen. Was doch ins Futter gelangt, scheiden die Tiere zu großen Teilen mit dem Dung wieder aus. Diese Stickstoffe belasten die Umwelt, werden über hunderte Kilometer abtransportiert, in Flüsse gespült, sickern durch den Boden ins Grundwasser und verunreinigen so die Trinkwasserquellen. Schließlich gelangen sie auch an die Küsten, wo sie mit Algenblüte und Fischsterben die aquatischen und marinen Ökosysteme zerstören. Das Futtermittel-Finale findet in den Meeren statt.

 

Quellen und weitere Informationen: