Landimporte: Welthandel ist Flächenhandel und gerechter Verbrauch

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Chinas Hunger: Importe von Feldfrüchten nach Anbauflächen

Die EU lebt von den Anbaugebieten jenseits ihrer Grenzen. Ihr „virtueller Land- Fußabdruck“ für den Import von Nahrungs- und Futtermitteln ist gewaltig - ein Kapitel aus dem Bodenatlas.

Damit wir unser Essen auf den Teller bekommen, braucht es Land. Es ist auch nötig, um den Tisch und den Stuhl aus Holz herzustellen, auf dem wir sitzen. Wenn wir etwas verbrauchen, nutzen wir Land – und dieses Land kann in einem anderen Staat liegen. Wir können die Fläche berechnen, die zur Produktion jedes Guts erforderlich ist. Zählt man alles zusammen, so ist es möglich, unseren theoretischen „Land-Fußabdruck“ zu errechnen, also die Menge an Land, die nötig ist, um unseren Lebensstil zu gewährleisten.

Wir können auch noch einen Schritt weitergehen und berechnen, wie viel von diesem „virtuellen Land“ zwischen Regionen und Ländern gehandelt wird. Europa ist der Kontinent, der am stärksten von Land außerhalb seiner Grenzen abhängig ist. Der „Land-Fußabdruck“ der Europäischen Union beträgt schätzungsweise 640 Millionen Hektar pro Jahr, also eineinhalb Mal so viel wie die Fläche aller 28 Mitgliedstaaten zusammen. Dieses Land liegt in anderen Erdteilen, einschließlich China, der Mongolei, Russland, Brasilien und anderen Staaten, von denen einige nicht einmal ihre eigenen Staatsbürger mit Grundnahrungsmitteln und Gütern versorgen können.

Die EU hängt am meisten von Landimporten ab, aber China schließt auf – und bestellt vor allem in den USA

Solche Berechnungen sind heikel, denn in den derzeit verfügbaren Zahlen sind viele wichtige Importprodukte wie Baumwolle, Mineralien und Metalle nicht berücksichtigt. Würde man diese in die Kalkulation mit einbeziehen, so wäre der Land-Fußabdruck der EU wahrscheinlich noch größer. Sechs der zehn größten „landimportierenden“ Staaten sind europäisch: Deutschland, Großbritannien, Italien, Frankreich, die Niederlande und Spanien, wobei allein Deutschland und Großbritannien jeweils knapp 80 Millionen Hektar jährlich importieren.

Jeder EU-Bürger verbraucht im Jahr durchschnittlich 1,3 Hektar Land, sechsmal so viel wie ein Einwohner von Bangladesch. Ein solches Ungleichgewicht kann nur verringert werden, wenn man sich zunächst eingesteht, dass ein kleiner Teil der Weltbevölkerung, der weitgehend in Industriestaaten lebt, mehr verbraucht, als ihm zusteht. Würde jeder Erdbewohner so viel Fleisch verzehren wie ein durchschnittlicher Europäer, so müssten 80 Prozent des weltweit verfügbaren Ackerlandes ausschließlich für die Fleischproduktion genutzt werden. Umgekehrt würde eine Halbierung des EU-Verbrauchs von Tierprodukten aller Art den „Land-Fußabdruck“ der EU um 35 Millionen Hektar Äcker und 9 Millionen Hektar Weiden reduzieren.

Allein für den Fleischkonsum in der EU werden in Lateinamerika auf Äckern von der Größe Englands Futtermittel angebaut

Europas gewaltiger Bedarf an Land wirkt sich negativ auf die Umwelt, das Sozialwesen und die Wirtschaft der Regionen aus, aus denen es kommt. In Entwicklungsländern trägt er massiv zu einer Zerstörung des Ökosystems, zu Grundstückskäufen im großen Stil (dem „Land Grabbing“) und zur Umsiedlung von Indigenen bei. Anstatt diese Probleme anzugehen, verbraucht die EU immer mehr Land. Auch bei der Umstellung auf Biokraftstoffe werden die Folgen für den Land-Fußabdruck Europas nicht berücksichtigt.

Ein Beispiel ist Palmöl, das als Nahrungsbestandteil ­verwendet wird. Die hierfür erforderliche virtuell impor­tierte Fläche hat sich seit dem Jahr 2000 von 1 auf 2 Millionen Hektar verdoppelt. Die virtuelle Fläche für Raps, Basis eines anderes Pflanzenöls, hat sich im gleichen Zeitraum auf fast 3 Millionen Hektar verdreifacht. Die Palmölproduktion hat in Indonesien und Malaysia, den beiden größten Her­stellern, besonders schädliche Auswirkungen auf die Umwelt und das Sozialwesen: Die biologische Vielfalt dieser Länder ist extrem gefährdet, und die Landrechte vieler Einwohner in beiden Staaten sind prekär. Die Errichtung weiterer ­Plantagen bedeutet in vielen Fällen, dass Wälder gerodet und Kleinbauern und indigene Völker vertrieben werden.

Mit besseren Anbaumethoden und weniger Äckern für die Exportproduktion ließe sich der „Land-Fußabdruck“ verringern

Forscher haben errechnet, dass die EU weitere 70 Millionen Hektar Land benötigt, um die Anforderungen an Bioenergie gemäß ihrem Klima- und Energierahmen 2030 zu erfüllen. Das entspricht einer Fläche, die größer als Frankreich ist. Die aufstrebenden Märkte für Materialien wie Biokunststoffe und Biochemikalien werden das Problem weiter verschärfen. Europäer verbrauchen mehr Land dieser Erde, als ihnen zusteht. Der internationale Ausschuss für nachhaltiges Ressourcenmanagement (International Resources Panel), ein Expertengremium des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, hat berechnet, wie viel Ackerland wir nutzen dürften, wenn fair geteilt würde. Die Antwort lautet: 0,2 Hektar pro Person und Jahr – das ist weniger als ein Drittel eines Fußballfeldes und weniger als ein Sechstel dessen, was jeder Europäer derzeit verbraucht.

Quellen und weitere Informationen: