CAN: „Wir kennen unsere Pflicht und Verantwortung“

Interview

CAN - Climate Action Network -  ist der größte internationale zivilgesellschaftliche Zusammenschluss, der auch die UN-Klimaverhandlungen seit vielen Jahren begleitet. Ob auf nationaler oder internationaler Ebene: Wie kann in Zeiten der Pandemie die zivilgesellschaftliche Teilhabe überhaupt gewährleistet werden? Was bedeutet dies für die Handlungs- und Strategiefähigkeit eines globalen Netzwerks wie CAN? CAN hat die Verschiebung der Klimakonferenz gefordert. Warum? Wie bereitet sich CAN gleichwohl auf die kommende COP in Glasgow vor? Was muss sich im UN-Kontext ändern, damit Teilhabe der Zivilgesellschaft möglichst inklusiv ist?

Tasneem Essop, Executive Director, CAN International im Gespräch mit  Barbara Unmüßig, Vorstand, Heinrich-Böll-Stiftung

Barbara Unmüssig und Tasneem Essop im Zoom-Gespräch

Barbara Unmüßig: Alle Regierungen haben in der Pandemiebekämpfung wesentliche Grundrechte eingeschränkt. Manche haben die Pandemie allerdings genutzt, um den zivilgesellschaftlichen Raum und die politische Teilhabe noch weiter zu beschneiden. Wie sehr ist der Handlungsspielraum von CAN durch die Maßnahmen gegen COVID 19 behindert oder beeinflusst? Was bedeutet das für die Gestaltung nationaler Klimapolitiken und wie hat sich COVID auf Ihre Arbeit und die Arbeit Ihrer Kolleg*innen von CAN international ausgewirkt?

Tasneem Essop: Ich danke Ihnen sehr für diese Gelegenheit zum Austausch. Die Pandemie hat den großen zivilgesellschaftlichen Aufbruch, wie wir ihn gerade 2019 erlebt haben, erst einmal durchkreuzt. Wir wollten diese Dynamik und den politischen Druck bis 2020, bis zum nächsten ursprünglich geplanten UN-Klimagipfel in Glasgow aufrechterhalten. Dann traf uns die Pandemie. Die meisten Präsenz-Aktivitäten wurden entweder verschoben, abgesagt oder ins Internet verlagert. Obwohl CAN International schon ein Zoom-Netzwerk war, bevor Zoom so populär wurde, hat die Online-Verlagerung vor allem die Arbeit, die unsere Mitglieder vor Ort auf nationaler und regionaler Ebene leisten konnten, massiv gestört. Insbesondere in Bezug auf den Druck, den sie auf die Regierungen ausübten, um verbesserte NDCs vorzulegen.

Können Sie erklären, was NDCs bedeutet?

Das sind die nationalen Klimaschutzverpflichtungen, die die Regierungen gemäß dem Pariser Abkommen vorlegen müssen. Diese Prozesse sind eindeutig nationale Prozesse. Wir fordern immer wieder nachdrücklich, dass die Zivilgesellschaft an diesen Beratungen und Prozessen teilnehmen können muss. Viele Regierungen haben aber beschlossen, dass diese Beratungen und Konsultationen vielerorts wegen der Pandemie nicht stattfinden würden. Dabei hätten sie kreativer sein und mehr virtuelle Beratungen durchführen können. Dies ist ein Beispiel dafür, wie die Regierungen die Pandemie genutzt haben, um integrative Prozesse zu unterbinden. Es ist sehr schwierig, sich dagegen zu wehren, denn der Schutz der Gesundheit ist für uns als Netzwerk natürlich ein echtes Anliegen. Aber wir haben als Netzwerk auch erkannt, dass wir agil und flexibel sein und die Art und Weise unserer Arbeit ändern müssen. Aber eines der wichtigen Dinge, die wir als positiv mitnehmen und die unserer Arbeit als Klimanetzwerk guttun, ist, dass die Pandemie viele der Themen in den Vordergrund gerückt hat, die die Klimabewegung vorher nicht unbedingt zusammengedacht hat. Fragen nach den Auswirkungen der Pandemie in Bezug auf die Ungleichheit und die zunehmende Armut, die wir jetzt erleben, und wie die Klimakrise diese Probleme in den letzten zwei Jahren nochmals verschärft hat.

Sie sehen also in der Auseinandersetzung mit der Pandemie eine Chance, Armut, Ungleichheit, die Biodiversitätskrise oder die Klimakrise zusammenzudenken – diese Perspektive wäre ein Durchbruch in den internationalen Debatten. Sie leben in Südafrika. Wie hat COVID in Ihrem Land die Interaktion mit der Regierung unterbrochen?

Normalerweise führt das südafrikanische Umweltministerium, das für die Klimaarbeit im Land zuständig ist, die Konsultationsprozesse durch. Sie haben ein Gremium für Interessenvertreter*innen, für die Stakeholder, in diesem Gremium finden normalerweise die Konsultationen statt. Im Prozess zur Verbesserung der NDCs hat das nicht mehr funktioniert, das Gremium konnte nicht mehr tagen. Zu Beginn der Pandemie gab es beinahe eine Art Lähmung, die Konsultationen wurden eingestellt und es dauerte eine Weile, bis der ganze Prozess der Online-Verlagerung in Gang kam. Dann begannen die Leute, sich damit vertraut zu machen. Deshalb hat die südafrikanische Regierung die NDCs, meiner Meinung nach, nicht bis Ende letzten Jahres eingereicht, auch wenn wir sie sehr gedrängt haben, dies zu tun. Im Nachhinein betrachtet, hat uns das jedoch tatsächlich geholfen: Durch die Konsultationen, in den virtuellen und den wenigen physischen Treffen, nachdem der Lockdown ein wenig gelockert wurde, legte die südafrikanische Regierung nun stärkere NDCs vor, als sie es im letzten Jahr getan hätte. Der Druck aus der Zivilgesellschaft und von anderen im Lande hat also letztendlich wirklich geholfen.

Das bedeutet, dass der Lockdown letztendlich mehr Zeit für diesen Prozess verschafft hat?

Ja. Auch wenn es im Lockdown keine physischen Runden gab, hatten wir dadurch mehr Zeit. Nach dem Tiefpunkt im Jahr 2020, nahm der Schwung im Jahr 2021 wieder zu: die USA sind wieder im Prozess und die internationale Dynamik hat sich auch auf die nationalen Entwicklungen ausgewirkt.

Als internationales Klimanetzwerk sind Sie sehr präsent und erheben zugleich Ihre zivilgesellschaftliche Stimme sehr kritisch in der Debatte um Impfstoffgerechtigkeit. Das scheint für viele Menschen ungewöhnlich. Warum greifen Sie als klimapolitisches Netzwerk auch dieses Thema so prominent auf?

Es geht zentral um eine Perspektive der Intersektionalität. Ganz nüchtern betrachtet: Diejenigen, die am stärksten von der Pandemie betroffen waren und sind, die am meisten mit der Last des Virus zu kämpfen haben, sind diejenigen, die in Armut leben, unter Ungleichheit leiden und keinen Zugang zur medizinischen Grundversorgung und zu Schutzmaßnahmen haben. In Uganda haben 2020 mehrere Fluten das Land verwüstet. Die Menschen mussten fliehen, verloren ihre Lebensgrundlage oder gar ihr Leben. Das kam noch zur Pandemie hinzu! Die Pandemie selbst zeigt also, dass diese vielfältigen Krisen, immer Auswirkungen auf dieselben Gruppen der Gesellschaft haben. Die Wissenschaft hat dies schon früh sehr deutlich gemacht. Wir wussten also die ganze Zeit, was uns erwartet. Schon der sechste IPCC-Sachstandsbericht hat darauf hingewiesen, dass diejenigen, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sein werden, diejenigen sind, die in Armut leben. Es hat aber einige Zeit gedauert, um dieses Verständnis auch im Netzwerk zu vertiefen. Die internationale Klimabewegung würde einen großen Fehler begehen, wenn sie die Klimapolitik als sehr begrenztes Thema und sehr enges Politikfeld verstünde und ihren Blick ausschließlich darauf richtet, wie viele Megatonnen Kohlenstoff reduziert werden müssen!

Dass CAN eine ganzheitliche soziale und wirtschaftliche Perspektive verfolgt und darauf hinweist, wie sehr der Klimawandel das soziale Gefüge der Gesellschaft verändert, ist das Eine und gut so. Aber Sie haben ja auch sehr deutlich mehr Gerechtigkeit bei Impfstoffen gefordert: Sie sind zum Beispiel dafür, dass im Rahmen der WHO die Patente für Impfstoffe aufgehoben werden? Wer hört Ihnen zu?

Als CAN diesen Aufruf veröffentlichte und sich dafür einsetzte, ging damit eine kraftvolle Unterstützung der Bewegungen einher, die sich zu Beginn der Pandemie und der Einführung des Impfstoffs sehr stark für eine gerechte Verteilung engagiert haben. Warum solidarisieren wir uns also mit all den Stimmen, die ein Ende der Impfstoff-Apartheid fordern? Erstens, weil sich zahlreiche Aspekte überschneiden. Das Pariser Abkommen enthält einen sehr klaren Abschnitt in der Präambel, in dem von Rechten wie dem Recht auf Gesundheit die Rede ist. Wir können diese Dinge nicht voneinander trennen. Aber ein wesentlicher Aspekt ist, dass diese Pandemie gewissermaßen eine Generalprobe dafür ist, wie wir mit der Klimakrise umgehen. Unsere Erfahrung der gegenwärtigen Krise ist leider, dass die reichen Nationen beschlossen haben, sich zurückzuziehen und nur um sich selbst und ihre Bedürfnisse zu kümmern, ohne die Notwendigkeit globaler Solidarität zu sehen. Sie kümmern sich um ihre Pharma-Interessen und stellen diese über die Leben der Abermillionen auf der ganzen Welt.

Wenn ich die Ungleichbehandlung bei Impfstoffen betrachte, fällt auf, dass der Globale Süden und insbesondere ärmere Länder bislang praktisch keinen Zugang zu Impfstoffen haben. Es ist wirklich wie eine Rückkehr zur klassischen Nord-Süd-Spaltung, von der wir dachten, wir hätten sie zu einem gewissen Grad überwunden. Aber sie ist wieder da.

Da wir uns nur wenige Wochen vor dem Klimagipfel in Glasgow befinden, möchte ich Sie fragen, warum CAN International zusammen mit einer großen Allianz aus Zivilgesellschaft und anderen Bewegungen eine Verschiebung der COP26 gefordert hat. Was sind Ihre Argumente? Warum haben Sie sich für eine Verschiebung ausgesprochen und sind Sie immer noch dafür?

Für uns als Klimanetzwerk war das keine leichte Debatte und Entscheidung - wir wissen ja genau, dass wir uns mitten in der Klimakrise befinden. Wir kennen unsere Pflicht und Verantwortung. Und wir engagieren uns dafür, diese Krise zu bekämpfen, aber auch den UNFCCC-Prozess zu unterstützen. Denn das ist der demokratische Raum, in dem vor allem die schwachen Stimmen gehört werden können. Wir haben uns schon sehr früh mit der britischen Regierung in Verbindung gesetzt und sie nach ihren Plänen gefragt, weil klar war, dass diese COP während einer Pandemie ausgerichtet wird. Und während die britische Regierung natürlich keine Kontrolle über die Pandemie und die damit verbundenen Ereignisse hat, war es wichtig zu wissen, welche Pläne sie zur Gewährleistung der Sicherheit, zur Minimierung der Risiken hat und wie sie in diesem Zusammenhang die Teilhabe der Zivilgesellschaft gewährleisten will. Die britische Regierung erklärte dann: „Wir werden die normalste und inklusivste COP aller Zeiten haben“. Allein die Annahme, dass man in einer Pandemie eine normale und inklusive COP haben würde, war der falsche Ausgangspunkt! Also haben wir weiter nachgefragt, auch auf der UNFCCC-Sitzung im Juli, aber sie waren absolut nicht bereit, uns mit Informationen zu versorgen. Nicht nur CAN hat diese Fragen gestellt, auch alle anderen NGOs in der UNFCCC. Daraufhin haben wir Grundsätze und Forderungen für eine sichere und inklusive COP entwickelt. Als wir uns entschieden, öffentlich Stellung zu beziehen, hatte die britische Regierung immer noch nicht geantwortet - wir erkannten, dass die Dinge nun einen kritischen Punkt erreichen würden. Denn auch viele andere Regierungen drückten ihre Sorgen nur im Stillen aus, äußerten sich nicht öffentlich und arbeiteten weiter mit der britischen Regierung zusammen. Viele der Bewegungen und Aktivisten waren ebenfalls sehr besorgt, denn es war alles unklar: Die Kosten, um nach Glasgow zu reisen, die Impfstoffe, die Quarantänen, die Reiseregeln, all diese Dinge würden deutliche Beschränkungen darstellen. Darum sind wir vorgetreten: Um klar zu machen, dass es im Vorfeld all diese Probleme gibt, die angegangen werden müssen. Also haben wir beschlossen, dass es das Beste ist, Stellung zu beziehen, ein Spotlight zu setzen und alles das sichtbar zu machen, in der Hoffnung, dass das Vereinigte Königreich das verstehen und besser reagieren würde. Noch am selben Tag kündigte die britische Regierung an, dass sie für die Kosten der Quarantäne der Delegierten aufkommen werde. Dies gilt jedoch nur für die offiziellen Delegierten, einschließlich derer aus der Zivilgesellschaft und der Journalisten, die eine offizielle Zugangsberechtigung, erhalten. Diese Quarantäne wurde auf fünf Tage beschränkt. Damit waren aber noch nicht alle anderen Fragen geklärt, die wir aufgeworfen hatten. Wie man in den Medien verfolgen konnte, war eine Reihe von Ländern sehr besorgt darüber, auf der „Roten Liste“ stehen zu können.

Was bedeutet es, auf der „Roten Liste“ zu stehen?

Das bedeutet, dass das Reisen eingeschränkt ist. Dann bist du verpflichtet, noch viel strengere Maßnahmen zu ergreifen. Wenn man aus einem Land der „Roten Liste“ kommt, muss man zehn Tage lang in Quarantäne bleiben. Wenn Sie eine Bürgeraktivistin oder eine indigene Aktivistin sind und nach Glasgow kommen wollen, haben Sie normalerweise keine Zugangsberechtigung zu den offiziellen Verhandlungen. Sie wollen draußen sein, um den politischen Druck aufrechtzuerhalten und Ihre Stimme erheben. Diese Aktivist*innen müssen nach Glasgow reisen, ein Hotel für zehn Tage bezahlen und in Quarantäne gehen. Danach können sie zur COP gehen. Zur Erinnerung: auch die Kosten für Unterkünfte sind in Glasgow explodiert. Dies sind sehr praktische Gründe, die sich natürlich darauf auswirken, wer bei der COP dabei ist und wer nicht.

Schauen wir weiter auf den Prozess in Glasgow: Können Sie schon abschätzen, wer ausgeschlossen sein wird und wer nicht kommt? Können Sie uns eine Vorstellung davon vermitteln, wer dort und in der Lage sein wird, seine Stimme zu erheben? Oder ist das noch schwer zu sagen?

Das ist schwer zu sagen, denn die Dinge ändern sich ständig. Wir erwarten zum Beispiel, dass die britische Regierung eine neue „Rote Liste“ ankündigen wird. Sie nimmt einige Länder von der „Roten Liste“. Das könnte die Möglichkeiten für einige Menschen verbessern, nach Glasgow zu kommen, und Hürden abbauen. Es ist aber sehr schwierig, das jetzt zu sagen. Zwar haben sich sehr viele Menschen angemeldet, um nach Glasgow zu kommen. Aber erst, wenn wir vor Ort sind, werden wir sehen können, wie die Beteiligung ausfällt. Wie Sie wissen, haben wir zwar eine Verschiebung gefordert, aber auch gesagt, dass wir die Konferenz nicht boykottieren werden, wenn sie stattfindet. Denn wir sehen es, wie ich schon sagte, als unsere Pflicht und Verantwortung an, als CAN und als Zivilgesellschaft im weiteren Sinne dort zu sein. Und wir werden die Ohren, die Augen und die laute Stimme sein. Wir werden den Druck aufrechterhalten und allen Regierungen Feuer unterm Hintern machen. Wir werden da sein und wir haben uns ganz besonders darum bemüht, dass die begrenzte Anzahl der Delegierten, die wir entsenden werden, repräsentativ für unsere Mitglieder der Südhalbkugel ist. Wir haben also eine ziemlich starke Vertretung aller CAN-Knotenpunkte aus dem Globalen Süden vor Ort.

Die Legitimität des Verhandlungsprozesses hängt in gewisser Weise auch vom Grad der Beteiligung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen ab. Was sollten die Vereinten Nationen Ihrer Meinung nach angesichts von zwei Jahren Erfahrung mit den schweren Einschnitten bei der Beteiligung der Zivilgesellschaft tun? Inwieweit sollten die Regeln in Zukunft geändert werden? Haben Sie eine Vorstellung wie eine post-pandemische Welt der Vernetzung und internationalen Verhandlungen aussehen könnte?

Ja, das ist ein anderer Aspekt, den diese Pandemie bei uns ausgelöst hat, nämlich die Global Governance in einer globalen Krise zu überdenken. Meiner Meinung nach sollte die Art und Weise, wie die UNFCCC aufgebaut ist, überdacht werden. Ja, es ist ein von den UNFCCC-Vertragsstaaten gesteuerter Prozess. Oft werden die Stimmen der Zivilgesellschaft auf einminütige Interventionen in einer Plenarsitzung reduziert, bei der die meisten Regierungsdelegierten bereits gegangen sind. Für die Bewältigung einer globalen Krise ist das nicht geeignet. Wir sind alle Partner bei der Suche nach Lösungen für diese Krise. Wir sollten an den Tischen sitzen und gemeinsam Gespräche über unsere Verantwortung führen. Die Zivilgesellschaft, die Regierungen, die Arbeitnehmer*innen, die Indigenen. Und ich denke, dass die Möglichkeit, vieles davon online zu tun, jetzt eine wirklich gute Gelegenheit ist. Natürlich müssen wir dafür Herausforderungen wie die digitale Spaltung angehen, die Tatsache, dass wieder die Menschen in den Entwicklungsländern hier die meisten – auch digitale - Zugangsprobleme haben. Aber wir können uns dafür ein mittel- bis langfristiges Ziel setzen. Das Wichtigste ist jedoch, und deshalb sind physische Treffen immer noch wichtig, dass wir Vertrauen aufbauen. Der Aufbau von Vertrauen erfolgt, indem wir uns gegenübersitzen, uns in die Augen sehen und belastbare Beziehungen aufbauen können. Also physische, virtuelle und hybride Treffen, das sind jetzt neue Möglichkeiten - aber neben dem technischen Ansatz, ist die Frage jetzt von zentraler Bedeutung, wie eine neue demokratische Global Governance in der Klima-Notlage aussehen könnte.

Auch als Heinrich-Böll-Stiftung sehen wir, dass es unter den Bedingungen der Pandemie schwieriger wird, breite und wirklich tiefgehende Diskussion zu führen, wenn es um strategische Fragen geht. In vielen Ländern gibt es zudem ein Problem mit zunehmender Überwachung und Sicherheit. Wie gehen Sie bei CAN damit um, dass Zoom und andere Online-Tools keine sicheren Wege sind, um zu kommunizieren?

Mit ein bisschen gutem Glauben. Ich glaube, dass es nichts mehr gibt, was völlig sicher sein kann, aber es gibt natürlich einen Punkt, an dem wir weitermachen und unsere Arbeit tun müssen. Wenn wir für Gerechtigkeit kämpfen, dafür, sicherzustellen, dass wir diese Krise angehen, und wenn wir im Namen von Menschen handeln, deren Leben wirklich verbessert werden muss, was gibt es dann eigentlich zu verbergen?

Hat CAN bereits mit verantwortlichen Entscheidungsträgern innerhalb der Vereinten Nationen die Frage einer besseren Beteiligung diskutieren können?

Wir haben uns mit der UNFCCC darüber unterhalten, wie wir diesen Raum in einen bedeutsameren partizipatorischen und demokratischen Raum verwandeln können. Sie erinnern sich vielleicht, dass es in Madrid zu einem sehr hässlichen Zusammenstoß kam. Dabei wurden Sicherheitskräfte an einem UN-Tagungsort gegen die Zivilgesellschaft eingesetzt. Daraufhin kam es zu Gesprächen. Und ich möchte sagen, dass wir es sehr zu schätzen wissen, dass die Generalsekretärin mit ihrem Team die Führung bei diesen Gesprächen mit uns übernommen hat. Wir haben also laufend Beratungen darüber geführt und werden dies auch weiterhin tun. Wann immer wir mit Regierungen zusammentreffen, sprechen wir natürlich auch über die verbesserte Beteiligung.  Es gibt viele Regierungen, die den Wert unserer Beiträge als Zivilgesellschaft anerkennen und schätzen. Aber es gibt auch solche, denen die Zivilgesellschaft völlig egal ist, die sich von uns belästigt fühlen. Wir müssen also weiterhin diese Beziehungen aufbauen und Diskussionen führen. Das geschieht bereits.

Und welche Strategien können wir als Zivilgesellschaft entwickeln und verfolgen, um Inklusion zu gewährleisten? Wie können wir überhaupt unsere Fähigkeiten verbessern, Strategien entwickeln und gemeinsam starke Botschaften in Bezug auf das formulieren, wofür wir kämpfen?

Wir haben bei CAN einen sehr zielgerichteten Prozess, um Inklusivität im Netzwerk zu gewährleisten. Wir haben geographische Knotenpunkte, vor allem im globalen Süden, die wir mit genügend Mitarbeitenden und Ressourcen ausstatten, um im Netzwerk eine führende Rolle einzunehmen. Diese Knotenpunkte funktionieren, bringen sich ein. Dass wir uns zum Thema Impfstoffgerechtigkeit als Gesamtnetzwerk äußern, ging von unseren Kolleg*innen im globalen Süden aus. Beteiligung sicherstellen, ist eine Kernaufgabe für CAN.  

Letzte Frage: Was ist Ihre größte Hoffnung für Glasgow?

Dass die Frage der Klimawandelfolgen zu einer Priorität gemacht wird. Die Wissenschaft sagt uns deutlich, dass wir tatsächlich bereits in der Ära der Klimawandelfolgen leben - das war’s, da sind wir jetzt! Das bedeutet, dass Schäden und Verluste und insbesondere die Finanzierung von Schäden und Verlusten in Glasgow zur Hauptpriorität werden muss. Wir sehen, dass die Ambitionen nicht ausreichen, um unter 1,5 Grad zu bleiben. Und wie ich bereits sagte, hat uns die Pandemie gelehrt, dass diese Auswirkungen vor allem auf den Armen lasten, auf denjenigen, die marginalisiert, die am verletzlichsten sind. Im Sinne der Klimagerechtigkeit müssen wir also den Umgang mit den Auswirkungen der Klimakrise zu einer großen Priorität machen.

Ich danke Ihnen vielmals für dieses Gespräch, Tasneem!

Vielen Dank. Auf Wiedersehen.

 


» Statement zur CAN Forderung nach Verschiebung der COP26

» Safety and Equity Demands for COP26 (PDF)