Schlaue Autos, gläserne Bürger?

Mehr Sicherheit, weniger Stau: Künstliche Intelligenz könnte unsere Mobilität revolutionieren. Aber mit der Vernetzung von Fahrzeugen und Infrastruktur entstehen neue Herausforderungen für IT-Sicherheit und Datenschutz.

Zeichnung einer Person und Autos, die von Kameras überwacht werden

Selbstfahrende Verkehrsmittel kennt man in Deutschland bisher nur als Testobjekte. Auf dem digitalen Testfeld der A9 experimentieren BMW, Audi und Daimler mit dem autonomen Fahren. In Hamburg schickt Volkswagen fünf hoch automatisierte Elektro-Golfs auf Testfahrt durch die Innenstadt. BMW testet seit 2017 ähnliche Fahrzeuge in München.

Die nordrhein-westfälische Kleinstadt Monheim macht jetzt Ernst: Sie startet im Herbst den ersten regulären Linienverkehr mit fünf selbstfahrenden Elektrobussen. Vorerst dürfen sie nur Tempo 20 fahren und in jedem Wagen sitzt ein Fahrer, der im Notfall die Kontrolle übernehmen kann.

Der globale Wettbewerb ist in vollem Gang: Im US-Staat Kalifornien testen 62 Automobil- und Technologiekonzerne aus aller Welt autonomes Fahren. Und die chinesische Regierung will, dass schon 2020 mindestens die Hälfte aller Neuwagen mit Künstlicher Intelligenz (KI) ausgerüstet sein soll.

«Auch aus Verbrauchersicht ist die zunehmende Vernetzung von Fahrzeugen ein Problem. Wie lange werden Hersteller die Software in ihren Fahrzeugen warten, bevor es für das alte keine Sicherheitsupdates mehr gibt?»

Der Einsatz von KI im Verkehr weckt große Hoffnungen. Er könne unsere Städte sicherer und sauberer machen, so die Befürworter/innen. 94 Prozent aller Verkehrsunfälle sind Folge menschlichen Versagens. Autonome Fahrzeuge, so die Argumentation, fahren nicht betrunken, sie werden nicht müde, und wenn sie kommunizieren, lenkt sie das nicht vom Verkehr ab.

Digitale Verkehrsleitsysteme können zur Stau- und Emissionsvermeidung beitragen. Im chinesischen Hangzhou hat der Technologiekonzern Alibaba Ampeln, öffentliche Verkehrsmittel, aber auch Polizei und Feuerwehr mit einem «City Brain» vernetzt. Auf einer Liste der am stärksten staugeplagten Städte Chinas fiel Hangzhou zwischen 2016 und 2018 vom 5. auf den 57. Platz.

Großes Potenzial sehen Mobilitätsexperten auch in privaten Ridesharing-Konzepten, durch die die Zahl der Autos auf den Straßen verringert würde. In mehreren amerikanischen und chinesischen Städten experimentieren Uber, Lyft und das chinesische Pendant Didi Chuxing mit selbstfahrenden Taxis.

Klingt das zu gut, um wahr zu sein? Genau das fürchten Skeptiker. Auch autonome Fahrzeuge machen Fehler – in diesem Frühjahr kam es in Florida zu einem tödlichen Unfall, als in einem Tesla der Autopilot übernahm. Ob autonom fahrende Privatautos gut für die Klimabilanz wären, sei nicht sicher. Wer keinen Parkplatz fände, könnte sein Auto alleine weiter Schleifen drehen lassen – das Ergebnis wäre mehr Verkehr, nicht weniger. Autonomes Fahren führe nur dann zu weniger Abgasen und höherer Sicherheit, wenn autonome Fahrzeugflotten Teil einer intelligenten Verkehrsplanung seien, mahnt ein Gutachten des Wissenschaftszentrums Berlin im Auftrag der Grünen Bürgerschaftsfraktion Hamburg. Das Fazit der Studie: «Ohne politische Steuerung können sich die digitalen Optionen für eine Verkehrswende nicht entfalten.»

IT-Sicherheit, Verbraucherschutz und Datenschutz

Die IT-Sicherheit vernetzter Fahrzeuge ist eine weitere Herausforderung. In heutigen Modellen ist das Infotainment-System oft physikalisch nicht von den Steuerungselementen getrennt. 2015 gelang es zwei Sicherheitsforschern, über das Internet auf die Diagnose-Schnittstelle (CAN-Bus) einiger Fahrzeugmodelle zuzugreifen. Sie übernahmen aus der Ferne die Kontrolle über Bremsen, Beschleunigung und andere Funktionen eines Jeep Cherokee.

Auch aus Verbrauchersicht ist die zunehmende Vernetzung von Fahrzeugen ein Problem. Wie lange werden Hersteller die Software in ihren Fahrzeugen warten, bevor es für das alte keine Sicherheitsupdates mehr gibt?

Eines der schwierigsten Themen ist der Datenschutz. Als «Smartphones auf Rädern» werden autonome Autos oft bezeichnet. Vernetztes Fahren bringt die Erfassung und Verarbeitung nie da gewesener Mengen an personenbezogenen Daten und Standortdaten mit sich. Wem gehören diese Daten und wofür können, sollen oder dürfen sie gespeichert und verwendet werden?

Die Gesetzgebung steckt erst in den Anfängen. Deutschland hat das automatisierte Fahren 2017 im Straßenverkehrsgesetz geregelt – aber keine klaren Regeln für die Hersteller-Haftung eingeführt. Auf EU-Ebene wird die Aktualisierung der C-ITS-Richtlinie (Richtlinie zur Einführung intelligenter Verkehrssysteme im Straßenverkehr und für deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern) diskutiert, um den Austausch von Informationen und Daten zwischen Kraftfahrzeugen (Car2Car) und die Kommunikation der Autos mit ihrer Umgebung (Car2X) zu regeln.

Noch komplizierter ist die Suche nach globalen Regeln. In China fließen auch Daten aus vernetzten Städten in das «Sozial-Kreditsystem» ein, mit dem der Staat die Kontrolle der Gesellschaft perfektionieren will.

Westliche Demokratien müssen nach Wegen suchen, bei denen die Bürger/innen die Kontrolle über ihre Daten behalten. Die Ruhrgebiets-Stadt Duisburg, die sich vom chinesischen IT-Konzern Huawei zur «Smart City» aufrüsten lassen will, muss sich in Deutschland unangenehme Fragen zur IT-Sicherheit des Projekts gefallen lassen.

Technische Lösungen liegen in der Anonymisierung von Daten oder der Verschlüsselung der Kommunikation von Fahrzeugen. Die Datenschutz-Grundverordnung der EU legt fest, dass nur Daten erhoben werden dürfen, die tatsächlich nötig sind, um einen Dienst zu erbringen (Zweckbindung und Datenminimierung). Und diese Grundsätze gelten nicht nur für Google und Facebook, sondern auch für Daimler und BMW.


Sabine Muscat, Jg. 1974, leitet das Programm «Technology and Digital Policy» der Heinrich-Böll-Stiftung in Washington. Davor war sie Journalistin und Kommunikationsberaterin. Sie berichtete als US-Korrespondentin über die Obama-Regierung und als Asienredakteurin  über den Aufstieg Chinas.

Zora Siebert, Jg. 1986, leitet das «EU Policy Programme» der Heinrich-Böll-Stiftung in Brüssel. Davor arbeitete sie als akkreditierte parlamentarische Assistentin im Europäischen Parlament, wo sie sich auf Datenschutz, IT-Sicherheit und neue Technologien konzentrierte.

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