Erstes Treffen zwischen Merkel und Trump: Wann reden sie über…?

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Eine gemeinsame Pressekonferenz als Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner

Donald Trump und Angela Merkel haben ihr erstes Treffen ohne größeren Eklat über die Bühne gebracht. Doch ohne einen offenen Dialog zu Migration und demokratischen Werten wird es die transatlantische Partnerschaft auf Dauer schwer haben.

Voller Spannung wurde das erste persönliche Zusammentreffen von Angela Merkel und dem neuen US-Präsidenten Donald Trump erwartet. Dessen Verschiebung um drei Tage aufgrund eines Schneesturms in Washington DC schien eine gewisse Symbolik in sich zu tragen. Vergangenen Freitag, am 17. März, war es dann soweit. Der Blizzard Stella war weit weniger schneereich und stürmisch vorübergezogen, ebenso verlief der Besuch von Kanzlerin Merkel im White House ohne größere Turbulenzen. Dies lag sicherlich zu einem beträchtlichen Teil an Merkels pointierter Diplomatie. So antwortete sie bei der gemeinsamen Pressekonferenz auf die Frage zum neuartigen Politikstil Trumps:

Wir Menschen sind unterschiedlich geschaffen, haben unterschiedliche Eigenschaften, haben unterschiedliche Herkünfte, wir haben unterschiedliche Wege in die Politik gefunden. Das macht die Vielfalt aus, das ist Freude und Ansporn. Manchmal ist es auch mühevoll Kompromisse zu finden, aber dafür sind wir gewählt.

Angela Merkel kam in Begleitung einer Wirtschaftsdelegation und die erste Gesprächsrunde fand zum dualen Ausbildungssystem statt. Damit wurde deutlich, dass eine Annäherung zunächst über Wirtschaftspolitik angestrebt wurde. Nicht zuletzt, da diese für beide Länder von enormer Bedeutung ist, auch und gerade wegen der engen wirtschaftlichen Verflechtung zwischen Deutschland und den USA. Mit Trumps Androhung von Strafzöllen auf deutsche Exportgüter mangelt es auch in diesem Bereich nicht an Konfliktpotenzial. Jedoch konnte sich in der ersten gemeinsamen Stellungnahme zumindest auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt werden, dass der Handel für beide Seiten fair sein müsse.

NATO-Dissens verdeutlicht unterschiedliche Auffassungen zu Außen- und Sicherheitspolitik

Zudem wurde in der gemeinsamen Pressekonferenz auch Außenpolitik thematisiert, darunter die NATO, die Lage in Afghanistan und der Ukraine-Konflikt. Zwar betonte Trump die wichtige Rolle der NATO, forderte aber erneut europäische Mitglieder wie Deutschland auf, sich an die NATO-Vereinbarung zur Erreichung des 2 Prozent-Ziels zu halten. Offensichtlich genügte Trump Merkels Beschwichtigung nicht, dass Deutschland die Verteidigungsausgaben schrittweise erhöhen wird, und stichelte später per Twitter gegen Deutschland.

Donald Trump gilt nicht gerade als geduldig und die schrittweisen Fortschritte hin zum NATO-Ziel sind ihm sichtlich zu langsam. Deshalb ist eine Fortsetzung der Diskussion zwischen der US-Regierung und den europäischen Partnern in den nächsten Jahren zu erwarten. Trump scheint ebenso wenig von der Sichtweise vieler deutscher Politiker/innen zu halten, dass sich Bemühungen im Bereich der Sicherheit nicht nur an der Höhe des Verteidigungshaushalts ablesen lassen, sondern auch Maßnahmen wie Konfliktprävention, Stabilisierung schwacher Staaten und wirtschaftliche Entwicklung beinhalten.

Dies wird auch an Trumps kürzlich vorgelegtem Haushalts-Vorschlag (PDF) deutlich, der eine bedeutende Kürzung von Mitteln für das State Department und USAID, und stattdessen eine Steigerung der Militärausgaben vorsieht. Hierin lässt sich bereits erkennen, dass Donald Trump im Vergleich zur Mehrheit in Europa eine vollkommen unterschiedliche Auffassung von effektiver Außen- und Sicherheitspolitik vertritt. So scheint Trump einen umfassenden außen- und sicherheitspolitischen Ansatz („comprehensive approach“), der zunehmend die deutsche Außenpolitik prägt, als wenig ertragreich für die US-Außenpolitik zu erachten.

Merkel hebt deutsche Beiträge in der internationalen Politik hervor

Offensichtlich hat Merkel das Gespräch mit Trump dazu genutzt, um ihm das Engagement Deutschlands in den internationalen Beziehungen zu erläutern. So verdeutlichte Merkel am Beispiel Afghanistan, dass Deutschland sich an internationalen Einsätzen beteiligt. Trump äußerte seine Anerkennung mit Verweis auf entsprechende Verluste von Bundeswehrsoldat/innen. Da er sich bisher kaum zu Afghanistan geäußert hat, kann angenommen werden, dass Merkel das Thema auf die Agenda setzte, um die deutsche Rolle herauszustreichen. Ähnlich verhält es sich bei den Bemühungen zur Konfliktbeilegung im Ukraine-Konflikt, bei denen Deutschland eine führende Rolle einnimmt.

Trump lobte die deutsch-französischen Bemühungen im Normandie-Format. Während Merkel eingestehen musste, dass die Fortschritte im Minsk-Prozess bisher hinter den Erwartungen zurückbleiben, ist anzunehmen, dass sie Trump davor warnte die Bemühungen durch eine Auflockerung der US-Sanktionen gegen Russland zu untergraben. Denn das würde auch die Rolle Merkels schwächen, die bisher eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung der europäischen Sanktionen gegen Russland gespielt hat.

Warnung vor zu freundschaftlichem Umgang mit dem Kreml

Merkel hat das Gespräch mit Trump sicherlich auch dazu genutzt, um den US-Präsidenten vor einem zu freundschaftlichen Umgang mit dem Kreml zu warnen. Beobachter/innen befürchten, dass das westliche Sanktionsregime gegen Russland zusammenbricht, sobald die US-Regierung die Sanktionen aussetzt. In der Hoffnung, dadurch die Beziehungen zum Kreml zu verbessern, könnte Donald Trump ohne Zustimmung des Kongresses die Sanktionen aussetzen, welche Barack Obama nach Russlands Vorgehen in der Ukraine auferlegt hat. Sicherlich hat die deutsche Kanzlerin Trump vor einem solchen Schritt gewarnt.

In dieser Frage wird sie sich Rückendeckung von US-Vizepräsident Mike Pence, Verteidigungsminister James Mattis und dem Nationalen Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster erhoffen, die einer Annäherung an Russland skeptisch gegenüber stehen. Bisher hat Donald Trump, der aufgrund des russischen Eingreifens in den US-Wahlkampf unter innenpolitischem Druck steht, keine klaren Aussagen zu seiner Russland-Politik gemacht. So war Merkels früher Besuch in Washington auch darauf ausgerichtet, Trump vor einem ersten persönlichen Treffen mit Wladimir Putin die Sichtweise der Europäer/innen zu Russland darzulegen.

Trump sieht die EU vor allem als Konkurrenz

Dagegen konnte Merkel den US-Präsidenten wohl kaum davon überzeugen, dass eine starke Europäische Union auch im Interesse der USA ist. Trumps Sicht auf die EU wird durch die Frage bestimmt, inwiefern diese für die USA von Nutzen sein kann, zum Beispiel bei der Bekämpfung von islamistischem Terrorismus. Ansonsten sieht Trump in der EU vor allem in Handelsfragen einen Konkurrenten, ähnlich wie Ronald Reagan in Japan einen Konkurrenten sah. Auch aus diesem Grund ist Trump stärker an bilateralen Beziehungen interessiert, bei denen die USA aus einer Position der Stärke gegenüber einzelnen EU-Mitgliedstaaten auftreten kann – im Gegensatz zu Handels-Verhandlungen mit der EU, die auf Augenhöhe geführt werden.

Aus amerikanischer Sicht ist Trumps Ansatz also durchaus nachvollziehbar. Merkel wird zwar auf die Bedeutung des transatlantischen Handels für beide Seiten hingewiesen und Trump vor amerikanischem Protektionismus gewarnt haben, es ist aber fraglich, inwieweit sie damit erfolgreich war. Da Donald Trump die EU wohl auch in Zukunft skeptisch sehen wird, sollten die Europäer/innen sicherstellen, sich von der Trump-Regierung nicht spalten zu lassen. Nach Trumps Befürwortung des Brexits ist nicht auszuschließen, dass er auch künftigen Austritts-Bemühungen wohlwollend gegenübersteht. Möglicherweise hat Merkel bei ihrem Besuch darauf hingewiesen, dass eine solche Haltung in weiten Teilen Europas als feindlich angesehen würde. Merkel kann darauf hoffen, dass auch andere europäische Regierungschefs Trump erläutern, wie wichtig die EU für sie ist, und dass sie in Europa nicht nur als Werkzeug zur Durchsetzung deutscher Interessen wahrgenommen wird.

Klima- und Energiepolitik fiel unter den Tisch

Unter der vielseitigen Dissenslage leidet die Klima- und Energiepolitik, die beim Treffen mit keiner Silbe erwähnt wurde. Sicherlich verwundert es wenig, dass Angela Merkel bei ihrem ersten Zusammentreffen mit einer US-Administration geprägt von Klimaskeptikern und Vertreter/innen der Fossilindustrie nicht die Debatte zu den Herausforderungen des Klimawandels führt. Jedoch hätte die Kanzlerin für Zukunftstechnologien wie erneuerbare Energien mit dem Verweis auf deren Potenzial für neue Jobs, wirtschaftliche Impulse und Energiesicherheit werben können.

Es bleibt zu hoffen, dass sie bei ihren bilateralen Ausführungen zum G20-Gipfel zumindest das Schwerpunktthema Nachhaltigkeit thematisiert hat. Dem anstehenden G20-Gipfel unter deutschem Vorsitz kommt eine wichtige Rolle zu – es geht darum, sich auf die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und den konkreten Ausstieg aus Subventionen für fossile Energieträger zu verständigen. Die erwartbaren schwierigen Verhandlungen mit Trump hierzu dürfen nicht erst im Sommer in Hamburg stattfinden, Gespräche müssen bereits jetzt mit der neuen US-Administration geführt werden, um eine Vereinbarung zu erzielen.

Vage Stellungnahme zu Migration

Das heißeste Thema der Wahlkämpfe in den USA und Deutschland wurde von Trump und Merkel bei der Pressekonferenz in ein paar knappen Sätzen beseitigt. Trump erklärte in seinem Eingangsstatement, dass Migration prinzipiell eine Frage der nationalen Sicherheit sei:

We must protect our citizens from those who seek to spread terrorism, extremism and violence inside our borders.

Weiter erklärte er ganz im Stil der AfD, Immigration sei kein Recht, sondern ein Privileg, und dass „die Sicherheit der Bürger/innen immer Priorität habe”. Merkel vermied es ihrerseits, das Thema proaktiv anzusprechen und gab keine direkte Antwort auf die Frage, ob sie Trumps Mauerplan und Isolationismus gutheiße. Auch ihre Äußerung, man müsse an der Migration und Integration arbeiten, Schlepper stoppen und Geflüchteten eine Chance geben, ihr Leben zu gestalten, war keine klare Zurückweisung ihres amerikanischen Gegenübers.

Doch lange wird die transatlantische Beziehung das Thema nicht vermeiden können. Nichts wird für die europäische Sicherheit wichtiger sein, als dass sich Deutschland und die EU der schwarz-weißen Weltanschauung der Trump-Regierung entziehen: wo Trump einen Kampf der Kulturen, ein blutiges Zusammenstoßen zwischen Islam und dem Westen schildert, wird Merkel mit Besonnenheit auf die religiöse und kulturelle Vielfalt Deutschlands und die wichtigen außenpolitischen Partner im Nahen Osten hinweisen müssen. Um den Extremisten-Anwerber/innen nicht in die Hand zu spielen, muss sie öffentliche Auftritte nutzen, um diese fatalistische Weltanschauung zu widerlegen.

„Auf der Basis dieser Werte”

Die transatlantische Partnerschaft kann ohne einen offenen Dialog zu demokratischen Werten nicht lange bestehen. Während der Pressekonferenz äußerte sich der neue US-Präsident mit einem vielsagenden Versprecher:

Wir sind eine sehr mächtige Firma, äh, ein sehr mächtiges Land. (We're a very powerful company – country).

Die Kanzlerin hat offensichtlich begriffen, dass dies ein Präsident ist, der sich noch immer als Geschäftsmann versteht; auch deshalb war der erste Besuch in Begleitung von deutschen Wirtschaftsgrößen ein gelungener Zug. Doch in zukünftigen Gesprächen wird Merkel dem amerikanischen Präsidenten klarmachen müssen, dass die transatlantische Partnerschaft keine transaktionelle Handelsbeziehung ist, die auf bloßem Profit basiert, sondern eine Allianz, die auf liberalen, demokratischen Werten aufbaut. Dies bedeutet unter anderem, dass Migration eben nicht immer ein „Privileg“ ist, sondern auch eine internationale Verantwortung, wenn Menschen vor Krieg fliehen. Insbesondere Merkel, deren Migrationspolitik nun auf der Kippe steht, sollte sich hier nicht wegducken. Migration kann nicht nur eine Frage der Sicherheitspolitik sein – genauso wenig wie Medienfreiheit, religiöse Toleranz oder Rechtsstaatlichkeit.

Nach Trumps Wahlsieg äußerte sich Merkel deutlich:

Deutschland und Amerika sind durch Werte verbunden: Demokratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung.

Nur „auf der Basis dieser Werte” bot sie dem neuen Präsidenten eine enge Zusammenarbeit an. Deutschland, und wer immer es auch nach dem 24. September vertritt, muss Merkels Versprechen treu bleiben, auch wenn dafür heiße Eisen angefasst werden müssen. Denn gegenüber einem Präsidenten, der Demokratie und Meinungsfreiheit offensichtlich verachtet, sich der internationalen Wertegemeinschaft entgegenstellt und mit Begeisterung das Budget des ohnehin mächtigsten Militärs der Welt erhöht, kann sich Deutschland keine moralische Unschärfe leisten. Spätestens beim nächsten Staatsbesuch sollte Merkel Trump zu verstehen geben, dass eine Verpflichtung demokratischer Werte die Voraussetzung, nicht das Anhängsel, jeder weiteren Zusammenarbeit ist – egal ob beim Verhandeln von Handelsabkommen oder der Zusammenarbeit in der NATO.