Emissionshandel: Starke Industrie, schwache Instrumente

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Ausschnitt aus der Grafik "Keine Chance bei der Effizient" (s.u.)

Als großes Geschäft hat sich der Handel mit Verschmutzungszertifikaten herausgestellt. Für das Klima hat er bisher wenig gebracht. Doch Alternativen werden kaum diskutiert. Ein Kapitel aus dem Kohleatlas.

Um den Ausstoß von Treibhausgasen zu begrenzen, haben einige Länder Systeme eingeführt, um mit den Emissionen zu handeln – so auch die Staaten der EU. Von nationalen Plänen ausgehend, wurde eine zulässige Gesamtmenge von Emissionen für alle betroffenen Indus­trieanlagen festgelegt. Deren Betreiber können diese Emissionen nun in Form von Zertifikaten untereinander handeln: Wer weniger Treibhausgase ausstößt, als er eigentlich dürfte, kann die nicht benötigten Verschmutzungszertifikate verkaufen. Wer mehr emittiert, kauft Zertifikate zu. Dieses System soll finanzielle Anreize geben, Emissionen zu reduzieren. Wer zu viel emittiert, muss mehr Geld ausgeben, wer Emissionen senkt, kann die dafür nötigen Investitionen aus dem Erlös verkaufter Zertifikate bezahlen.

17 Emissionshandelssysteme sind weltweit installiert, weitere befinden sich in Planung. Das größte ist der länder­übergreifende europäische Emissionshandel. Systeme auf nationaler Ebene gibt es in Neuseeland und Südkorea, regionale in Kalifornien, Tokio und in vielen Provinzen Chinas. Bis 2016 wird die Menge der durch dieses Instrument er­fassten Emissionen auf 6,8 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente steigen.

Technische Neuerungen nutzen nichs - bei den entscheidenen Kriterien bleiben auch moderne Kohlekraftwerke die Verlierer

Hinter dem Emissionshandel stehen zwei Versprechen: Erstens soll er den klimaschädlichen CO2-Ausstoß kontrollierbar begrenzen. Zweitens soll er Anreize schaffen, in den Klimaschutz zu investieren. Doch der Emissionshandel hält weder das eine noch das andere Versprechen, wie das Beispiel des europäischen Emissionshandels zeigt.

Unter großem Druck der Lobby hat die EU die erlaubten Emissionen ab 2008 zu großzügig bemessen und sie auch in der Folge zu wenig verknappt. Die Menge der Zertifikate war von Anfang an zu hoch und das Preisniveau daher zu niedrig, um in den Klimaschutz zu investieren. Zusätzlich haben die Staaten gerade den klimaschädlichsten Unternehmen noch finanzielle Vorteile verschafft, indem sie Zertifikate im großen Umfang kostenlos verteilten.

Wenn teuere CO2-Emissionen Investitionen erzwingen sollen, sind Steuern effektiver als fast alle Handelssysteme

Wer sie empfing – darunter die großen Kraftwerksfirmen –, nutzte die Gunst der Stunde und verkaufte die überschüssigen Zertifikate. So haben allein die zehn größten Nutznießer von 2008 bis 2012 Profite in Höhe von 3,2 Milliarden Euro gemacht. Mittlerweile müssen die Energie­konzerne die benötigten Zertifikate zwar vollständig ersteigern, doch fast alle Verschmutzer der Industrie erhalten sie dank großzügiger Ausnahmen weiter kostenlos. Außerdem profitieren alle Unternehmen von der Übertragung überschüssiger Zertifikate aus früheren Handels­perioden. Der Stahlkonzern ArcelorMittal zum Beispiel muss bis 2024 keine zusätzlichen Zertifikate kaufen.
Theoretisch mag der Emissionshandel geeignet sein, CO2-Emissionen zu senken und gleichzeitig unternehmerische Freiheit zu gewähren. Praktisch hat er aber noch keinen nennenswerten Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Grund sind auch die sogenannten Offset-Gutschriften, die Konzerne seit 2008 in großer Zahl außerhalb des Emissionshandels einkaufen dürfen. Die Idee dahinter: Weil es egal ist, wo auf der Welt der Treibhausgasausstoß begrenzt wird, kann ein europäischer Energiekonzern, statt selbst teuer seine Emissionen zu reduzieren, ebenso gut anderswo zur Einsparung von CO2-Emissionen beitragen. Doch wie liefe die Entwicklung ohne eine solche Finanzierung? Etwa ein Drittel bis die Hälfte der Projekte bringt keinen zusätzlichen Nutzen, weil die entsprechenden Investitionen ohnehin stattgefunden hätten. Und in Europa mindern die Offsets den Druck, sich auf emissonsärmere Produkte umzustellen.

Längst ist der Emissionshandel auch zum Geschäftsfeld für die Finanzmarktindustrie geworden. Einfache, direkte Transaktionen zwischen Anbietern und Nachfragern von Verschmutzungsrechten sind die große Ausnahme geworden. Kohlendioxid ist zu einer Art Rohstoff für institutionelle Investoren geworden und wird in Form verschiedener Wertpapiere gehandelt. Angesichts des Überangebots an Zertifikaten ist der Handel allerdings quasi zum Erliegen gekommen. Außerdem haben Steuerbetrugsskandale, in die auch die Deutsche Bank verwickelt war, die Anfälligkeit und Verwundbarkeit des Systems gezeigt. Die britische Steuerbehörde HMRC hielt große Teile des Emissionshandels für "mit Betrugskriminalität behaftet".

In fast allen Handelssystemen bleuben die meisten C02-Emissionen unbeachtet, und die erfassten sinken zu wenig

Durch die Offsets, die Überausstattung, die Wirtschaftskrise 2008/09 sowie die damit zusammenhängenden Fehlprognosen ist der Überschuss an Zertifikaten in Europa auf mehr als zwei Milliarden gestiegen. So ist der CO2-Preis bislang viel zu niedrig. In Kombination mit günstigen Kohle- und hohen Gaspreisen hat das in Europa zu einem Kohleboom geführt. Von 2010 bis 2013 sind die Emissionen in diesem Sektor um sechs Prozent gestiegen, weil der CO2-Zuschlag nicht ausreichte, um den Strom aus den klimafreundlicheren Gaskraftwerken im Vergleich zum Kohlestrom wettbewerbsfähig zu machen. Die Kohle hat das Gas verdrängt. Nun hat sich die EU endlich zu einer Reform durchgerungen, die den CO2-Markt und -Preis ab 2019 stabilisieren soll. Um aber wirksam zu werden, braucht der Emissionshandel eine stärkere Begrenzung der Emissionen.

Eines der alternativen Politikinstrumente, auf das mehrere US-amerikanische Bundesstaaten, Kanada sowie Großbritannien setzen, sind CO2-Grenzwerte für fossile Kraftwerke. Die britische Regierung etwa hat 2013 neben einem CO2-Mindestpreis jährliche Emissionsbudgets für neue Kraftwerke festgelegt, die dem Ausstoß eines modernen Gaskraftwerks entsprechen. Seit 2014 erhebt Frankreich eine – wenn derzeit auch niedrige – Steuer auf Kraft- und Brennstoffe. Sie soll in den kommenden Jahren schrittweise erhöht werden. Forcieren ließe sich das Abschalten alter Kohlekraftwerke auch mithilfe eines technischen Kriteriums, dem Wirkungsgrad. In den Niederlanden soll eine Mindestanforderung gelten, die dazu führt, dass bis 2017 fünf Altanlagen abgeschaltet werden.