Trumps Wahl als Anstoß für eine neue EU-Politik

Trump und Europaflagge

Trump versteht den Wert der europäischen Einigung nicht, er will eine schwache und gespaltene EU. Wenn wir jetzt die richtigen Schritte unternehmen, wird die EU aus dem Trump-Desaster sogar gestärkt hervorgehen.

Die EU steht aktuell vor großen Problemen - und das ausgerechnet an ihrem 60. Geburtstag. Eines davon heißt Donald Trump: Trump steht der EU mit einer Mischung aus Unkenntnis und Abneigung gegenüber. Er versteht den Wert der europäischen Einigung nicht. In seinem nationalistischen Weltbild erscheint eine friedliche, grenzüberschreitende Zusammenarbeit zum Wohle aller als eine verrückte Idee. Der in großen Teilen erfolgreiche europäische Binnenmarkt stellt in der Logik des ökonomischen Nationalismus der neuen US-Administration vor allem eine Konkurrenz dar. Trump hat offensiv für den Brexit geworben und empfing den Rechtsradikalen und Brexit-Verantwortlichen Nigel Farage als ersten europäischen Politiker. Und nicht nur das: es scheint ihm offenbar Spaß zu machen, noch weitere Austritte aus der EU herbeizureden. Kurz und gut, Trump will eine schwache und gespaltene EU.

Es gibt jedoch Zeichen der Hoffnung, dass er damit das Gegenteil bewirkt. Seine zur Schau gestellte Politik der harten Hand, die sich gegen alles richtet, was europäische Werte ausmacht, schreckt ab. Der Puls Europas schlägt mittlerweile kräftig durch die Städte unserer Union. Jeden Sonntag versammeln sich mehrere Tausend Menschen, denen die gemeinsame friedliche, freiheitliche und gerechte Entwicklung am Herzen liegt. In den Niederlanden haben die Grünen mit einem klaren pro-europäischen Programm an Zustimmung gewonnen. Gerade jetzt ist es also wieder wichtig, sich auf die Stärke europäischer Kooperation zu besinnen.

Die Regierungen, die EU-Kommission und das Europäische Parlament müssen diese wieder aufkeimende Hoffnung positiv erwidern und Politiken vorantreiben, die den Mehrwert der grenzüberschreiten Zusammenarbeit klar erkennen lassen und die dazu bewusst einen inhaltlichen Kontrapunkt zu Trumps Politik setzen. Dazu gehört ein starker Klimaschutz (Trump bereitet gerade die fossile Renaissance vor) oder die Umsetzung der globalen Entwicklungsziele (Trump verabschiedet sich gerade vom Multilateralismus). Damit kann die EU zeigen, wie wertvoll sie ist und dass sie die viel beschworenen transatlantischen Werte jetzt erst Recht lebt.

Trump klein bei zu geben, ist in unseren Augen die komplett falsche Strategie. Den Verteidigungshaushalt massiv zu erhöhen, so wie das jetzt die Bundesregierung ins Spiel gebracht hat, wird einen globalen Rüstungswettlauf nur verstärken und zeugt darüber hinaus von einem erschreckend einseitigen Konzept von Sicherheit. Stattdessen sollte das Geld lieber in zivile Krisenprävention, friedenserhaltende Maßnahmen und Entwicklungshilfe gelenkt werden.

Man sollte auf Trump außerdem kohärent reagieren. Viele politische Akteure in Europa – gerade die der sogenannten Mitte - sind sich zumindest rhetorisch einig, dass man die gesellschaftspolitische Rückwärtsrolle des Trumpismus verdammen sollte. Andererseits ist es jedoch extrem unredlich, wenn sie jeden Handstrich Trumps mit Bestürzung kommentieren und dann zu Hause die gleiche Politik verfolgen. So schimpfen viele auf die postulierte Mauer zwischen Mexiko und den USA, aber dann entscheiden die Regierungschefs der Europäischen Union auf ihrem Gipfel in Malta de facto die Grenzen komplett dicht zu machen – auch wenn es nicht Mauer genannt wird, hat diese Politik nahezu den gleichen Effekt.

Trumps Inszenierungen über angebliche Terroranschläge, seine Anschuldigungen gegenüber Vorgänger Obama oder sein Kreuzzug gegen die freie Presse verfolgen lediglich die Ziele, die eigene Unfähigkeit zu überspielen und die Gesellschaft zu polarisieren. Progressive Kräfte in Europa dürfen aber nicht in die Falle dieser Polarisierung tappen – sondern im Gegenteil, die Gesellschaft weiter zusammenrücken lassen.
Eine Politik, die dazu führt, dass Menschen ausgeschlossen werden oder soziale Ungleichheit weiterwächst, ist eine Sackgasse – in den USA und in der EU. Statt einfach nur in den Chor derer einzustimmen, die sich jeden Tag mit vermeintlich blankem Entsetzen auf Trumps Dekrete stürzen, sollten wir an die Fehler der vergangenen Jahre erinnern und aufzeigen, dass es auch die ungezügelte Globalisierung und damit verbundenen Folgen waren, die nicht nur Trump und Co. groß machten, sondern auch die Rechtspopulisten, die heute die europäische Integration wieder rückabwickeln wollen. Wenn Trump einen „Handelskrieg“ anzetteln will, darf dies somit kein Anlass dazu sein, von den Forderungen nach einer gerechten Globalisierung abzusehen. Vielmehr sollten wir diesen „showdown“ dazu nutzen, eine wirkliche Neuaufstellung der EU-Handelspolitik anhand menschenrechtlicher, sozialer und ökologischer Kriterien zu erreichen.

Am 25. März feierte die Europäische Union also ihren 60. Geburtstag. Trotz aller Rückschläge und aktuellen Widrigkeiten ist sie das Beste, was in unseren Breiten je geschaffen wurde. Die „europäische Einigung steht im Einklang und Zusammenhang mit den umfassenderen Zielen einer friedlichen und guten Entwicklung“ und indem Europa sich einigt, dient „es nicht nur sich und seinen Staaten, sondern der ganzen Welt“, wusste bereits Konrad Adenauer zur Unterzeichnung der Römischen Verträge. Der fortwährende Frieden der EU-Mitglieder und die erfolgreiche grenzüberschreitende Zusammenarbeit geben ihm Recht. Die EU hat schon viele Probleme und Herausforderungen in der Vergangenheit gemeistert. Wenn wir jetzt die richtigen Schritte unternehmen, wird sie aus dem Trump-Desaster sogar gestärkt hervorgehen.

Ein Gastbeitrag von Anna Cavazzini und Stephan Bischoff; BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN | Bundesarbeitsgemeinschaft Europa