Der Weg zu einer global gerechten zirkulären Wirtschaft

Zirkuläres Wirtschaften ist ein Ansatz für eine nach­hal­tige Wirtschafts- und gute Lebensweise. Es ist eine handlungs­leitende Antwort auf die dreifache planetare Krise: die Klima­erhitzung, den Verlust der biologischen Vielfalt und die Verschmutzung der Umwelt. Auch auf eine zunehmend unsichere Versorgung mit Rohstoffen. Wie könnte das im globalen Maßstab umgesetzt werden?

Illustration zeigt Situationen in einem Kreis angeordnet, die zirkuläres Wirtschaften veranschaulichen sollen

Zirkulär Wirtschaften bedeutet, Zirkularitätsprinzipien in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen zur Norm zu machen. Diese Prinzipien werden durch die zehnstufige R-Leiter beschrieben: An ihrer oberen zirkulären Spitze steht die Vermeidung (Refuse), das Umdenken (Rethink) und das Reduzieren (Reduce), mittig verschiedene Formen der Kreislaufschließung in der Nutzungsphase von Produkten (Reuse - Wiederverwenden, Repair - Reparieren, Refurbish - Überholen/Instandsetzen, Remanufacture – Wiederverwendung von gebrauchten Bauteilen in der Produktion, Repurpose – Weiterverwenden/Umnutzen/Upcycling), an ihrem Fuße das Recycling auf vorletzter Stufe vor der Energierückgewinnung (Recover). Der Boden, auf dem die Leiter steht, markiert die Grenze zum linearen Wirtschaften, dem wir im Moment vor allem folgen. Es ist gekennzeichnet durch einen hohen Verbrauch an Materialien im Sinne einer aufzehrenden Nutzung von Rohstoffen: Sie werden als Abfälle beseitigt, kommen in so geringen Mengen in verschiedenen Produkten vor oder werden so fein in der Umwelt verteilt, etwa in Form von Emissionen, dass sie nicht wiedergewonnen werden können.

Wie könnte eine zirkuläre Weltwirtschaft aussehen, die die hohe Erwartung erfüllt, global gerecht innerhalb planetarer Grenzen zu leben und zu wirtschaften? Eine undifferenzierte globale Anwendung des 10-R-Prinzips reicht dazu nicht aus, es sind zusätzlich Bedingungen, Handlungsziele und zweifellos auch Beiträge aus anderen Politikfeldern erforderlich (unter anderem Energie, Klima, Naturschutz, Umweltschutz, Handel).

Drei Bedingungen sind unerlässlich:

  • Nicht nur Produkte und ihren Lebensweg, sondern ergänzend auch die Materialflüsse der gesamten Volkswirtschaft in den Blick nehmen, um die Priori­täten richtig setzen zu können.
  • Wirkungsbezug herstellen, also den Erfolg der Maßnahmen an ihrer Wirkung auf den Schutz von Klima, Biodiversität und Umwelt sowie auf die Rohstoff­versorgungssituation messen – zirkulär Wirtschaften ist kein Selbstzweck.
  • Soziale Gerechtigkeit national wie global gewährleisten, unter anderem durch grundlegende Reformen des Welthandels- und Währungssystems.

Die zuvor beschriebenen Prinzipien und Bedingungen sind universalisierbar, die folgenden Handlungsziele müssen regional an Einkommensniveau, Wirtschaftsstruktur und individuelle Entwicklungspfade in Richtung Erreichung der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen angepasst werden.

– Die ärmsten Länder der Welt wirtschaften armutsbedingt innerhalb planetarer Grenzen, sie müssen ihre Wirtschaftssysteme so weiterentwickeln, dass Grundbedürfnisse befriedigt und schließlich jedem ein gutes Leben innerhalb der planetaren Grenzen ermöglicht werden kann. Dazu sind zusätzliche Materialmengen erforderlich, unter anderem Baumineralien. Da das anthropogene Lager (das Material, das in Produkten, Infrastrukturen, Gebäuden und Deponien/Halden gebunden ist) noch sehr klein ist und stark wächst, wird der Materialbedarf zum großen Teil aus der Natur gedeckt. Dennoch können diese Wirtschaften zirkulär sein, indem Zirkulari­tätsprinzipien auch bei der Gewinnung der Primärrohstoffe und bei der Weiterentwicklung ihres Wirtschaftssystems grundsätzlich berücksichtigt werden, um zu vermeiden, dass ein nachhaltiges Niveau des Ressourcenverbrauchs strukturell bedingt überschritten wird.

– Wachsende Länder haben planetare Grenzen gerade eben überschritten oder stehen kurz davor. Sie stellen einen Großteil der Weltbevölkerung, und die schnell wachsende Gruppe der globalen Mittelklasse-Verbraucher ist ein wesentlicher Treiber für Ressourcenbedarf und Emissionen weltweit. Sie wachsen zirkulär weiter, um gesellschaftliche Bedürfnisse bei einem global gerechten Niveau des Ressourcenverbrauchs zu befriedigen. Sie benötigen Struktur- (z.B. Stahl) und zunehmend auch Funktionsmaterialien (Technologiemetalle), um ihre Industriegesellschaft fortzuentwickeln und eingeschlagene lineare Entwicklungspfade wieder in Richtung Zirkularität zu verlassen.

– Die Bedürfnisse in saturierten Ländern sind im Durchschnitt erfüllt – bei übermäßigem Ressourcenverbrauch. Zirkularität ist der Schlüssel, um ihn substanziell auf ein global verallgemeinerbares Niveau zu senken. Das bedeutet nicht nur mehr Kreislaufführung der Produkte und Materialien, sondern vor allem weniger Linearität (beispielsweise durch Verzicht auf Verbrennung fossiler Rohstoffe). Dazu werden überwiegend Funktionsmaterialien – und nachhaltigere Lebensweisen – benötigt.


Prof. Dr. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes, lehrt Politik­wissenschaften an der Universität Duisburg—Essen und ist Distinguished External Fellow am International Institute for Applied Systems Analysis/IIASA, Wien.

Dr. Alexander Janz leitet die Abteilung «Nachhaltige Produkte und nachhaltiger Konsum, Kreislauf­wirtschaft» im Umweltbundesamt.

Jan Kosmol arbeitet als wisse­n­schaft­licher Politikberater im Umweltbundesamt, Fachgebiet «Ressourcen­schonung, Stoffkreisläufe, Mineral- und Metallindustrie».

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