Politik der zukunftsfesten Industrie

Tagungsdokumentation

Konferenz "Baustelle: Zukunftsfeste Industrie #2". Erster Konferenztag, 27. Mai 2021. Panel-Gespräch "Politik der zukunftsfesten Industrie" mit Ramona Pop, Ralph Brinkhaus, MdB und Reiner Hoffmann.

Baustelle: Zukunftsfeste Industrie

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Panel-Gespräch

mit Ramona Pop (Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe sowie Bürgermeisterin des Landes Berlin, Bündnis 90 /Die Grünen), Ralph Brinkhaus, MdB (Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag), Reiner Hoffmann (Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes)

 

Zusammenfassung

Die Panelist:innen sprachen über die Rahmenbedingungen für eine zukunftsfeste Industrie. Bei der Ausgestaltung der Ordnungspolitik und der Finanzierung gab es Meinungsverschiedenheiten. Die Panelist:innen waren sich einig, dass Aus- und Weiterbildung gestärkt werden müsse - für die Transformation werden viele Fachkräfte benötigt.

Gute Arbeit und Weiterbildung bei Kurzarbeit   

Frau Weidenfeld eröffnete die Diskussion mit der Frage, was die wichtigsten Themen für eine zukunftsfeste Industrie seien.  Reiner Hofmann hob hervor, dass es um gute und grüne, sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze ginge, am besten auf Grundlage von Tarifverträgen. Weiterbildung sei der Schlüssel dafür, dass möglichst viele Beschäftigte „mitgenommen werden“. Wenn Kurzarbeitergeld gezahlt werde, solle dies an die Bedingung einer Weiterbildung geknüpft werden. Er ließ offen, inwiefern er besondere inhaltliche Anforderungen an Weiterbildung hat, zum Beispiel, inwiefern diese dem Erwerb von Fachwissen und Kompetenzen dienen sollte, die eindeutig auf sozialökologisches Wirtschaften orientiert sind.

Ralph Brinkhaus sagte, die Weiterbildungslandschaft in Deutschland sei fragmentiert und unüberschaubar, geradezu anarchistisch. Er trete dafür ein, dass der Bund eine zentrale, benutzerfreundliche Internet-Plattform mit „guten und geprüften Angeboten“ schaffe. Das Ganze solle ein Service für Arbeitgeber sein, damit diese einen einfachen Überblick bekommen, ob „sie ihre Leute dahin schicken oder nicht.“ Frau Pop sagte, dass durch Weiterbildung digitale Kompetenzen gefördert werden müssten - insbesondere im Dienstleistungssektor sei Weiterbildung für Digitalisierung noch ausbaufähig. Eine Reform der Bundesagentur für Arbeit könne diese Behörde in den Dienst der sozialökologischen Transformation  stellen.

Ramona Pop warb für ein Qualifizierungs-BAföG, das in wirtschaftlichen Krisen die Kurzarbeit ergänzen könne. Reiner Hoffmann begrüßte das Initiativrecht von Betriebsräten bei der Weiterbildung, betonte jedoch, dass dessen gesetzliche Verankerung nicht weit genug reiche.

Die Transformation wird Geld kosten

Welche industriepolitischen und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen und Instrumente benötigt eine zukunftsfeste Industrie? Herr Brinkhaus setzt auf CO2-Preise, auf Mengensteuerung und „dann hört das Mikromanagement schon auf.“ Damit die energieintensive Industrie auf globalen Märkten wettbewerbsfähig bleibe, brauche sie in der Transformation staatlich Unterstützung, etwa in Form von Carbon Contracts for Difference. Herr Brinkhaus zeigte sich skeptisch gegenüber Klimazöllen.

Frau Pop sagte demgegenüber, dass die Transformation mit einem breiten Mix aus Instrumenten gelinge, ein Mix aus Förderung, Anreizen und Ordnungsrecht, der die aktive Industriepolitik unterstütze. Ein sektorübegreifender, hoher CO2-Preis sei nicht zielführend, bestimmte Bereiche würden mit einem hohen CO2-Preis überfordert. Sie erwarte ein Jahrzehnt der Investitionen - öffentliche Investitionen, die private Investitionen nach sich zögen.

Reiner Hoffmann bekräftigte die zentrale Rolle von öffentlichen Investitionen für den klimaneutralen Umbau und begrüßte eine aktive Industriepolitik. Die Niedrigzins-Politik erlaube massive öffentliche Investitionen.

Herr Brinkhaus warb dafür, dass von „politischer Seite aus“ zwei Punkte ehrlich kommuniziert werden: Erstens müsse deutlich gesagt werden, dass die Transformation Geld kostet, „there is no free lunch“. Herr Hoffmann und Frau Pop sprachen sich mit Blick auf private Haushalte und Klimagerechtigkeit für Pro-Kopf-Rückzahlungen beim CO2-Preis aus. Zweitens, sagte Herr Brinkhaus, rechne er mit Konflikten, wenn sich die Transformation materialisiert und konkret wird, etwa wenn Windräder, Stromleitungen oder Bahnstrecken gebaut würden. Ramona Pop warb dafür, dass hier die demokratischen Parteien an einem Strang ziehen sollten – schließlich bekennen sich alle demokratischen Parteien zur Klimaneutralität.

Take-Aways

  • Beim Ausbau und der Akzeptanz von Erneuerbaren Energien sollten die politischen Akteure an einem Strang ziehen.
  • Schmaler industriepolitischer Grad: Auf der einen Seite soll der Strompreis für die Industrie nicht zu hoch sein, weil dann das Risiko besteht, dass sie abwandert (Carbon Leakage). Auf der anderen Seite darf der Strompreis nicht zu niedrig sein, weil es für die Industrie dann keinen Anreiz mehr gibt, sparsam damit umzugehen.
  • Aus- und Weiterbildung sind entscheidend für die Zukunft von Industrie und Arbeit.