Illustration: Almut Kirchner

«Wenn alle mitmachen, kann Deutschland seine Stärke ausspielen»

Deutschland könnte eine technologische Vorreiterrolle beim Klimaschutz einnehmen. Das hat das Forschungsinstitut Prognos im Auftrag des Zukunftsrats der Bayerischen Wirtschaft untersucht. Ein Gespräch mit Prognos-Direktorin Almut Kirchner über mögliche Exportschlager.

Frau Kirchner, für die Studie «Klima 2030. Nachhaltige Innovation» haben Sie über 60 Technologien untersucht – mit welchem Ergebnis?

Deutschland ist insgesamt gut aufgestellt – auf der Nachfrageseite beispielsweise bei Effizienztechnologien wie dem Wärmeschutz von Gebäuden oder der Elektrifizierung des Verkehrs. Auf der Angebotsseite geht es um Energieproduktion sowie Systemintegration und -steuerung.

Warum ist Deutschland gut aufgestellt?

Deutschland hat einen guten Anteil an hochklassigen Weltpatenten in diesen Technologien und hält in der Dynamik mit. Das hat unser Projektpartner Econsight im Detail analysiert. In manchen Bereichen sind andere Länder aber etwas schneller.

Welche Länder sind denn weiter vorn?

Große Player sind China, Japan, Südkorea, in Teilen auch die USA. Zum Beispiel wird im Verkehrssektor anders gedacht – dann ist das Auto ein Computer, der auch fahren kann und sich ins Verkehrssystem einklinkt. Das ist ein anderes Paradigma als bei klassischen Autobauern, bei denen das Auto als Maschine im Fokus steht.

Und wo punktet Deutschland bei innovativer Umwelttechnologie?

Bei der Windenergie, bei der Wasserstoffproduktion und der Steuerung des künftigen Systems sind viele spannende Innovationen vorhanden. Sehr vieles von dem, was Deutschland wirklich gut kann, ist hochspezialisiert. Besonders sind das stark digitalisierte, industrielle Produktionstechnologien. Themen, die auf den ersten Blick eher unsexy erscheinen. Da geht es um Sensorik, Messen, Regeln, Einbindung in Systeme.

Was kann man damit konkret machen?

Damit kann man höchsteffiziente Produktionsstraßen bauen, die sich in Bezug auf die Größe oder Temperatur der Werkstücke so anpassen, dass sie mit möglichst geringem Energie- und Ressourceneinsatz arbeiten. Oder 3D-Druck, der ebenfalls eine sehr nachhaltige Produktion ermöglicht und klimaschonende Materialien verarbeiten kann.

Sind deutsche Umwelttechniken künftige Exportschlager?

Ich wäre mit dem Wort «Schlager» vorsichtig. Es handelt sich eher um einen breiten Fächer als um wenige einzelne «Highlights». Wir haben spannende Werkstoffe, Systeme energieeffizienter Gebäudetechnologie, Elektroautos, neue Verkehrsinfrastrukturlösungen, smarte Netze. Das wird zunehmend integriert in das vorhandene Portfolio an Maschinen und Anlagen oder Werkstoffen, die Deutschland ja traditionell in großem Stil exportiert. Nun werden diese Technologien zunehmend klimafreundlich gestaltet.

Welche Weichen müssen jetzt noch gestellt werden?

Erstens muss eine Technologie konkurrenzfähig sein – da können praktisch überall die Kosten-Nutzen-Verhältnisse noch weiterentwickelt werden. Zweitens brauchen wir für Exporte und internationalen Wettbewerb weltweit ähnliche Bedingungen, das berühmte Level-Playing-Field.

Laut Prognos-Berechnungen macht es einen Unterschied, ob Deutschland alleine vorangeht oder international abgestimmt – warum?

Interessanterweise lohnt es sich für Deutschland volkswirtschaftlich in Klimaschutz zu investieren bereits dann, wenn wir eine Zeitlang vorangehen. Die meisten benötigten Klimaschutztechnologien werden bei uns hergestellt, und durch inländische Nachfrage werden Investitionen attraktiv, zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen und technische Vorsprünge erarbeitet. Je mehr mitmachen, umso größer werden die Märkte. Umso sinnvoller ist es natürlich auch, sich international zu vernetzen, weil es dann bessere Optionen gibt zu exportieren.

Für welche Branchen gilt das besonders?

Einige energieintensive Industrien stehen in sehr hartem internationalem Wettbewerb. Metallproduktion und Glas zum Beispiel konkurrieren auf dem Markt mit Produkten, die nicht unter Klimaschutz-Anforderungen hergestellt werden und billiger sind. Dann haben Unternehmen aus Ländern mit hohem Klimaschutz einen Wettbewerbsnachteil. Je besser sich die Länder international abstimmen, umso günstiger ist es für die Unternehmen, besonders für die mit den innovativen Klimatechnologien. Wenn alle mitmachen, dann kann Deutschland seine technologische Stärke voll ausspielen.


Almut Kirchner ist promovierte Physikerin und leitet bei der Prognos AG in Basel den Bereich Energie- und Klimaschutzpolitik.

Kerstin Kloss arbeitet als freie Journalistin in Hamburg.

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