China in Lateinamerika: El Salvadors Anschluss an die Neue Seidenstraße

Hintergrund

Mit Direktinvestitionen will China seinen Einfluss in Lateinamerika stärken. Auch kleine Länder wie El Salvador spielen für Chinas Interessen eine Rolle.

Staatsbesuch: Präsident von El Salvador in China

Seit 2013 wirbt der chinesische Staatspräsident Xi Jinping für das Projekt „Neue Seidenstraße“, auch bekannt unter dem Namen Belt and Road Initiative (BRI). Dabei geht es vor allem um den Aufbau von Infrastrukturen, die den Rohstoff- und Warenfluss von und nach China erleichtern sollen. Für diese Zielsetzung konnte China weltweit die Unterstützung von mehr als 100 Ländern gewinnen. Durch die Corona-Pandemie wird dieser Expansionskurs zwar verlangsamt, aber wohl nicht gestoppt.

Lateinamerika war ursprünglich nicht in den Planungshorizont der Neuen Seidenstraße einbezogen. Dies änderte sich jedoch 2015. Laut dem Mercator Institute for China Studies (MERICS) hatten zu diesem Zeitpunkt bereits mindestens 35 Länder eine starke volkswirtschaftliche Bindung zu China. Als einziges lateinamerikanisches Land gehörte auch Chile dazu, das 49 Prozent seines Kupfers und 7,5 Prozent seiner Gesamtexporte an den asiatischen Riesen lieferte.

Seit 2015 hat China seine strategischen Bindungen zur Region Lateinamerika weiter gefestigt, wobei chinesische Direktinvestitionen eine wichtige Rolle spielen. Chinas Investitionsfokus hat sich in den letzten Jahren vom Rohstoffsektor auf das verarbeitende Gewerbe, Dienstleistungen und Infrastruktur verlagert, was auch rohstoffarmen Ländern wie El Salvador die Möglichkeit eröffnet, von chinesischen Investitionen zu profitieren.

Formal vollzog Panama zuerst eine stärkere Annäherung an China. Mittlerweile haben fast alle lateinamerikanischen Länder ihre Beziehungen zu China intensiviert. Nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Taiwan reiht sich seit 2018 auch El Salvador in den internationalen Kreis der Staaten mit diplomatischen Beziehungen zu China ein.

Investitionen im Tausch gegen die Unterstützung der Ein-China-Politik

Ausgehend von seiner wirtschaftlichen (und bisweilen auch der militärischen) Stärke versucht China überall in der Welt Unterstützung zu gewinnen. Dabei spielt für den asiatischen Riesen die Frage seiner territorialen Integrität eine wichtige Rolle, d.h. die Anerkennung Taiwans als Teil des chinesischen Hoheitsgebiets.

Mit einer kürzlich unterzeichneten gemeinsamen Erklärung wurde die Beteiligung El Salvadors an der Neuen Seidenstraße bekräftigt. Darin findet sich die ausdrückliche Zusage, am chinesischen Integrationsprozess mitwirken zu wollen: „El Salvador hält am Prinzip des einen China fest, lehnt kategorisch jede Handlung ab, die diesem Prinzip zuwiderläuft, und ebenso auch jede Form der 'Unabhängigkeit Taiwans'.“

Im Gegenzug investiert China in den Bau eines Stadions und einer Nationalbibliothek sowie in den Tourismus an der salvadorianischen Küste. Wenige Tage nach Bukeles Reise nach Peking besuchte im Dezember 2019 eine chinesische Fachkräftedelegation das zentralamerikanische Land, um Investitionen in das Trink- und Abwassersystem für die Strandpromenaden, das sog. „Surf-City-Projekt“, zu planen. Außerdem will China in den Bau von Straßen, Parks und einer neuen Pier im Hafen von La Libertad mit Restaurants und Geschäften investieren.

Nach einem Treffen mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping im Dezember sagte El Salvadors Präsident Nayib Bukele, die Investition stelle eine „gigantische, nicht rückzahlbare Kooperation“ für die kleine zentralamerikanische Nation dar. Den geplanten Investitionsbetrag gab er nicht bekannt.

Die Bedeutung des salvadorianischen Marktes geht für China praktisch gegen Null

Die Handelsbilanz El Salvadors gegenüber China ist völlig defizitär. Eine Ausnahme bilden die Nahrungsmittel, bei denen in den Jahren 2015 und 2017 ein Überschuss erzielt wurde. Insgesamt aber weist die Handelsbilanz ein Minus auf. Dies gilt insbesondere für Erzeugnisse aus den Bereichen Maschinen und Elektrizität sowie für Konsum- und Kapitalgüter (siehe Grafik).

Handelsbilanz zwischen El Salvador und China
Quelle: eigene Berechnungen auf der Grundlage der Untersuchung der Wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung der UCA (2019): Análisis socioeconómico de El Salvador: un enfoque estructural 1985 – primer trimestre 2019. http://www.uca.edu.sv/economia/wp-content/uploads/ASES-EnfoqueEstructur…. Letzter Zugriff: Dienstag, 4. Februar 2020.

Kein Wunder, denn El Salvador gehört zu den kleinsten und ärmsten Ländern der Welt – natürliche Ressourcen für den Export sind rar, aber auch der Markt für chinesische Produkte ist klein.

Zwischen 2014 und 2018 gingen im Durchschnitt nur 0,03 Prozent der chinesischen Exporte nach El Salvador. Die Bedeutung des salvadorianischen Marktes geht für China demnach praktisch gegen Null. Das gleiche gilt für Rohstoffe und Exportprodukte aus El Salvador. Ihr Anteil an den chinesischen Gesamtimporten betrug im selben Zeitraum gerade einmal 0,004 Prozent.

Auch für El Salvador ist China nicht der wichtigste Handelspartner. Fast die Hälfte der salvadorianischen Exporte geht in die USA, es folgen die Nachbarländer Honduras und Guatemala – auf China entfallen nur etwa 1,5 Prozent. Zu den Produkten, die in den letzten Jahren in El Salvador den stärksten Boom erfahren haben, gehört Zucker. Nach den Zahlen von UN COMTRADE belief sich der Anteil El Salvadors an den chinesischen Zuckerimporten 2017 auf 4,8 Prozent, 2018 auf 9,6 Prozent.

Um die Zuckerexporte weiter zu steigern, wurde in El Salvador schon mit der Möglichkeit geliebäugelt, die in der Verfassung festgelegten Beschränkungen für landwirtschaftliche Flächen aufzuheben. Danach dürfen Besitztitel einer natürlichen oder juristischen Person über landwirtschaftliche Flächen den Umfang von 245 Hektar nicht übersteigen. Allerdings sind diesbezüglich noch keine klaren Fortschritte erkennbar.

Sonderwirtschaftszonen und Hafeninfrastruktur als Investitionsanreize

Bei der „Neuen Seidenstraße“ handelt es sich um ein geopolitisches Projekt, mit dem China sowohl wirtschaftliche als auch politische Ziele verfolgt. Je nach Region bzw. Land ergibt sich im Hinblick auf die Auswirkungen ein entsprechend anderes Bild. In Bezug auf El Salvador können die Interessen Chinas nicht losgelöst von der mittelamerikanischen Gesamtregion gesehen werden.

Mit dem Projekt will China seine Märkte ausweiten und einen größtmöglichen Warenfluss mit möglichst geringen Restriktionen erreichen. Ebenso geht es um die Kontrolle über einen möglichst großen Teil der natürlichen Ressourcen, mit denen China seine Volkswirtschaft am Laufen halten und die ökonomischen und sozialen Bedingungen für seine rasch wachsende Bevölkerung verbessern kann – all dies vor dem Hintergrund eines Handelskrieges mit den USA. Für diese Zwecke fördert China auch verschiedene Infrastrukturvorhaben wie Häfen, Flughäfen und Straßen.

Für ein Land wie El Salvador, das über keine größeren Naturressourcen verfügt, liegt es insofern eher nahe, den Anschluss an die Neue Seidenstraße über seine Hafeninfrastruktur und Sonderwirtschaftszonen zu erreichen. Dieser Weg wurde bereits 2018 noch von Bukeles Vorgängerregierung eingeschlagen. Am 21. August 2018 nahm El Salvador die diplomatischen Beziehungen zur Volksrepublik China auf. Nur 42 Tage später brachte die Parlamentsfraktion der damaligen linken Regierungspartei FMLN einen Gesetzesentwurf zur Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone im Südosten von El Salvador ein, das sogenannte ZEE-Gesetz.

Ziel ist die Wiederbelebung eines der wirtschaftlich schwächsten Gebiete im so genannten „Trockenen Korridor“ von El Salvador, einer stark von Dürren betroffenen Region. Verschiedene Wirtschaftsaktivitäten sollen die salvadorianische Ökonomie ankurbeln, z.B. Häfen und Flughäfen, Gewinnung von erneuerbaren Energien, Erdgas und Erdöl, Raumfahrt, Agrarindustrie sowie Forschung und technologische Entwicklung. Mit diesen Aktivitäten soll El Salvador in veränderte wirtschaftliche Entwicklungen entsprechend dem Bedarf großer Staaten wie China eingebunden werden. Gleichzeitig besteht so die Option, Zonen ohne größere gesetzliche und steuerliche Kontrollen anzubieten.

In Anbetracht des chinesischen Interesses an der Kontrolle über Logistikstandorte gilt dies umso mehr mit einem für solche Zwecke nutzbaren Hafen. Der Hafen der Zentralamerikanischen Union (Puerto de la Unión Centroamericana) ist die wichtigste logistische Infrastruktur der ZEE-Region. Seit Jahren sind die Hafenkapazitäten kaum ausgelastet, so dass für die salvadorianische Regierung hohe Erhaltungskosten anfallen. In der Vergangenheit wurde bereits mehrfach versucht, den Hafen zu einem wichtigen Umschlagplatz für den Warenverkehr über die mittelamerikanische Landbrücke zu machen, bisher wurden in dieser Richtung jedoch kaum Fortschritte erzielt.

Das Vorhaben der Sonderwirtschaftszonen und alle wesentlichen Maßnahmen, die darin vorgesehen sind, könnten die Speerspitze für chinesische Investitionsinteressen in El Salvador sein. Allerdings ist die Gesetzesinitiative im salvadorianischen Parlament nicht weiter vorangekommen. Im Gegenteil: In vielen sozialen und wissenschaftlichen Organisationen stieß sie auf heftige Kritik. Der Grund lag zum einen in den hohen Kosten, die ihre Umsetzung für das Land mit sich bringen würde; zum anderen wurden sowohl die Schaffung prekärer Arbeitsplätze als auch Steuerausfälle befürchtet, die dem Staat aus den zu erwartenden Steuervergünstigungen entstehen könnten, so dass sich letztlich das wirtschaftliche und geographische Gefälle im Land noch weiter verschärfen könnte.

Die Corona-Pandemie könnte Chinas Expansion noch verstärken

Die derzeitige, durch die Corona-Pandemie ausgelöste weltweite Krise wird sich erheblich auf den chinesischen Expansionsprozess auswirken. Sie wird ihn jedoch nicht stoppen, sondern höchstens verlangsamen. Die Folgen sind noch nicht abzusehen und werden von der Fähigkeit der chinesischen Wirtschaft abhängen, sich von dem herben Rückschlag zu erholen. Ebenso bleibt abzuwarten, wie sich die übrigen Länder der Welt gegen die Pandemie stemmen und deren Auswirkungen bewältigen können.

Den vom Coronavirus betroffenen Staaten könnte China angesichts der schwachen bzw. gänzlich fehlenden Unterstützung seitens der USA seine Zusammenarbeit anbieten. So bietet sich für Peking die Chance, unter Wahrung der eigenen politischen und wirtschaftlichen Interessen seine Präsenz in der Welt und sicherlich auch in El Salvador zu verstärken.

Bei Redaktionsschluss für den vorliegenden Beitrag ging die salvadorianische Zentralbank in ihrer letzten Wachstumsprognose von einer Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts um 2 bis 4 Prozent infolge der Corona-Pandemie aus. Wie sich dies auf die Interessen Chinas in El Salvador auswirken wird, bleibt abzuwarten.


Übersetzung aus dem Spanischen: Beate Engelhardt.