Zur Entstehungsgeschichte des Green New Deal - Revival eines Begriffs

Hintergrund

Mit dem Green New Deal wird ein Konzept wiederbelebt, das aus der Ära Roosevelt stammt. Es soll Antworten auf die Klimakrise und soziale Ungleichheit liefern. Wie der Green New Deal in die Debatte kam und wer ihn in den USA vorantreibt.

Zur Entstehungsgeschichte des Green New Deal - Green New Deal Demonstration

Als Franklin D. Roosevelt im März 1933 zum neuen Präsidenten der USA ernannt wird, hat die Weltwirtschaftskrise bereits deutliche Spuren hinterlassen: Die Wirtschaft stagniert, die Arbeitslosenquote liegt bei 25 Prozent und eine Bankenkrise jagt die nächste. Im Wahlkampf kandidierte und prägte er die Idee eines New Deal mit dem Versprechen „Entlastung, Aufschwung und Reform“.

Im Gegensatz zur US-amerikanischen Tradition des ungezügelten Kapitalismus schlug der New Deal eine regulierte Wirtschaft vor, um widersprüchliche Interessen in Einklang zu bringen.

Roosevelt folgte dem Wirtschaftsmodell von Keynes: Staatsausgaben erhöhen, um Nachfrage zu steigern und die Wirtschaft anzukurbeln. Gleichzeitig spielte die Förderung von privaten Investitionen eine zentrale Rolle. Hierfür wurde ein Kreditvergabesystem eingeführt, um das Vertrauen im Finanzsektor wiederherzustellen.

In seinen ersten hundert Amtstagen erließ Roosevelt eine Vielzahl an Gesetzen und Programmen, um neue Jobs zu schaffen und in die Infrastruktur zu investieren. Straßen, Flughäfen, Brücken und Tunnel wurden gebaut, die Zugstrecke zwischen New York City und Washington, D.C., wurde elektrifiziert. Eine öffentliche Behörde zur Kreditvergabe verhalf zahlreichen innovativen Technologien in dieser Zeit zum Marktdurchbruch.

Roosevelt belebte auch die Idee von Genossenschaften wieder. Indem er günstige staatliche Kredite vergab, konnte die Bevölkerung in ländlichen Regionen Genossenschaften gründen und als solche Stromleitungen bauen, die Netzbetreiber wegen mangelnden Profits nicht realisierten. Damit kam nicht nur Strom in ländliche Regionen, sondern es wurde auch eine lokale Wirtschaft generiert.

1935 hatten nur zehn Prozent der Haushalte auf dem Land Zugang zu Elektrizität, fünf Jahre später waren es bereits 40 Prozent und 1950 hatten 90 Prozent der Häuser eine Stromversorgung. Vor allem in den ärmlichen Südstaaten führte die neue Infrastruktur zu merklich besseren Lebensbedingungen durch den Zugang zu Wasser und Elektrizität sowie durch Abwasserbeseitigung.

Der New Deal schaffte nicht nur Jobs, er führte vor allem auch zahlreiche soziale Errungenschaften wie Gewerkschaften, den Mindestlohn und die 40-Stunden-Woche ein. Mit der Einführung der Renten-, Sozial- und Arbeitslosenversicherung legte der New Deal den Grundstein für einen Sozialstaat, der bis heute Wirkung hat.

Doch der New Deal hatte auch seine Schattenseite: Er enthielt deutliche rassistische Diskriminierungen. Die Jobprogramme waren weißen Männern vorbehalten. Somit blieb die Arbeitslosigkeit von Afroamerikaner(inne)n unverändert hoch. Der Landwirtschafts- und Hauswirtschaftssektor, in dem mehrheitlich Afroamerikaner(innen) tätig waren, wurde vom Gewerkschaftsrecht ausgeschlossen.

Darüber hinaus durften Gewerkschaften schwarze Arbeitnehmer(innen) grundsätzlich von einer Mitgliedschaft ausschließen. Zudem hatten Afroamerikaner(innen) kaum Zugang zu den öffentlich geförderten Immobilienkrediten, da ihre Wohnviertel nicht berücksichtigt wurden. Der New Deal grenzte bestimmte Bevölkerungsgruppen bewusst vom wirtschaftlichen Aufstieg aus und förderte damit eine zunehmende soziale Ungerechtigkeit.

Der Green New Deal wird populär

In den folgenden Jahrzehnten waren die USA, insbesondere unter Präsident Ronald Reagan in den 1980er-Jahren, von Deregulierung und freiem Markt geprägt und der New Deal geriet aus der Mode. Bis der politische Kommentator und Buchautor Thomas Friedman 2007 an Roosevelts Konzept anknüpfte und den Begriff „Green New Deal“ maßgeblich prägte.

In seiner Kolumne „A Warning From the Garden“ beschreibt er den Kampf gegen den Klimawandel durch den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energiequellen. Seine Idee einer „Grünen Revolution“ entwickelte er 2008 in seinem Buch „Hot, Flat, and Crowded“ weiter.

Zwar implementierte Präsident Barack Obama in den folgenden Jahren ein 51 Milliarden US-Dollar umfassendes grünes Konjunkturprogramm, das vor allem erneuerbare Energieträger wie Wind und Solar förderte. Jedoch blieb aufgrund der Finanzkrise eine grundlegende Transformation der Wirtschaft aus.

Im Herbst 2018 belebte dann eine Bewegung junger Klimaaktivist(inn)en die Idee wieder. Das Sunrise Movement hatte sich als Reaktion auf den Wahlausgang von 2016 gegründet und rasant über 300 Gruppen landesweit aufgebaut. Sie starteten eine schlagkräftige Kampagne, in der sie einen Green New Deal fordern.

Dieser sieht einen umfangreichen Umbau des derzeitigen Wirtschafts- und Sozialsystems der USA vor: 100 Prozent erneuerbare Energien bis 2035, maximale Effizienzsteigerung im Gebäudesektor, ein Nullemissionstransportsystem inklusive Ausbau des Schienennetzes, Job- und Weiterbildungsprogramme sowie Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung für alle Bürger(innen).

Lauter wurde der Ruf nach einem Green New Deal, als sich die frisch gewählte Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez der Forderung des Sunrise Movements anschloss. Damit verhalf sie der Green-New-Deal-Bewegung zu politischem Gewicht. Die Bilder, als sich Ocasio-Cortez im November 2018 den Aktivist(inn)en vom Sunrise Movement anschloss, um vor dem Büro der Demokratischen Sprecherin des Abgeordnetenhauses Nancy Pelosi für eine progressive Klimapolitik zu demonstrieren, machten Schlagzeilen.

Ein neuer Gesellschaftsvertrag

Innerhalb weniger Wochen gewann der Green New Deal immer mehr Unterstützer(
innen) und öffentliche Aufmerksamkeit, auch wenn hinter der Idee noch kein
konkretes Konzept stand. Klar war jedoch, dass der Green New Deal deutlich über
ein klimapolitisches Programm hinausging. Er sollte Gesundheit, Bildung und gut
bezahlte Jobs für alle Bürger(innen) schaffen sowie Minderheitenrechte und Generationengerechtigkeit garantieren.

Der Anspruch war nichts weniger als die Schaffung einer lebenswerten Zukunft und eines neuen Gesellschaftsvertrags für die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Visionäre und Visionärinnen des Green New Deal berufen sich auf die Errungenschaften des New Deal unter Roosevelts staatlicher Steuerung. Sie sehen in seinem Wirtschaftsmodell die Inspirationsquelle für eine umfassende soziale und ökologische Transformation.

Einige Bestandteile des New Deal übernehmen sie direkt und entwickeln sie entsprechend der heutigen Herausforderungen weiter. So zum Beispiel die Einführung eines Zivildiensts im Bereich Umweltschutz und Renaturierung. Investitionen in nachhaltige Infrastruktur und neue Technologien spielen ebenfalls eine zentrale Rolle.

"Der Green New Deal soll gute Löhne, bezahlbares Wohnen, Bildung und Gesundheitsversorgung für alle garantieren."

Darüber hinaus haben die Advokat(inn)en des Green New Deal den Anspruch, Minderheiten zu integrieren und soziale Ungerechtigkeit abzuschaffen. Eines ihrer zentralen Anliegen ist die Einbeziehung von indigenen Bevölkerungsgruppen und
Vielfalt innerhalb der eigenen Bewegung. Sie machen deutlich, dass sie Rassismus
verurteilen und sich der historischen Verantwortung für Diskriminierung, speziell
gegenüber indigenen und schwarzen Mitbürger(inne)n, bewusst sind. Hierin liegt
der weitreichendste Unterschied zum New Deal.

Im Kongress hatte Alexandria Ocasio-Cortez Anfang 2019 zunächst die Gründung eines eigenständigen Ausschusses zur Entwicklung und Umsetzung eines Green New Deal gefordert. Dieser Vorschlag wurde abgelehnt. Stattdessen wurde ein neuer Ausschuss für Klimawandel gegründet, der sich auch, aber nicht ausschließlich dem Green New Deal widmen soll.

Als weiteren Schritt brachte die Kongressabgeordnete gemeinsam mit dem Demokratischen Senator Edward J. Markey aus Massachusetts am 7. Februar 2019 eine Green-New-Deal-Resolution ein. Beide betonten, dass diese Resolution der erste Schritt sei, um die großen Probleme des Landes wie Klimawandel, Umweltzerstörung, Gesundheitsschäden, wirtschaftliche Stagnation und Jobverluste aufzuzeigen sowie deren Zusammenhang mit Diskriminierung und Ungerechtigkeit gegenüber gesellschaftlichen Minderheiten deutlich zu machen.

Die Resolution wird von 67 Abgeordneten und elf Senator(inn)en unterstützt. Sie hat keine rechtliche Bindung, sondern enthält lediglich einen Forderungskatalog, der nach und nach durch Gesetze und staatliche Programme umgesetzt werden soll. Die Resolution ruft zu einer nationalen Mobilisierung und weitreichenden Maßnahmen über die nächsten zehn Jahre auf und formuliert ambitionierte Ziele.

Bis 2035 soll der gesamte Strombedarf emissionsneutral produziert werden. Dabei gilt bisher das Credo der Technologieneutralität. Inwieweit CO2-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) und Atomkraft beim angestrebten Nullemissions-Strommix eine Rolle spielen könnten, ist derzeit noch offen. Unter den Unterstützer(inne)n des Green New Deal gibt es dazu unterschiedliche Positionierungen.

Weiterhin sieht die Resolution vor, die Emissionen in den Bereichen Transport, Industrie und Landwirtschaft mithilfe neuer Technologien so stark wie möglich zu reduzieren. Im Gebäudesektor soll maximale Energieeffizienz erreicht und ein landesweites öffentliches Verkehrssystem inklusive Höchstgeschwindigkeitszügen eingeführt werden. Der Green New Deal soll außerdem gute Löhne, bezahlbares Wohnen, Bildung und Gesundheitsversorgung für alle garantieren.

Landesweite Debatte entfacht

Seit Verkündung der Resolution wird der Green New Deal vielschichtig kommentiert und diskutiert. Die Republikaner(innen) stellen sich den Ideen nicht inhaltlich, sondern verspotten den Plan auf ideologischer Ebene als neo-sozialistisches Gedankengut. Die derzeitige Debatte um den Green New Deal erinnert stark an die kritischen Stimmen zu Roosevelts Zeiten, die sein Konzept als staatlichen Eingriff in den Markt verdammten. Die Geschichte lehrt uns jedoch, dass der Großteil der New-Deal-Reformen später breite Akzeptanz fand und nach wie vor Bestand hat.

Gleichzeitig arbeiten die Verfechter(innen) des Green New Deal nun daran, ihn zu konkretisieren und in legislative Vorschläge zu übersetzen. Progressive Think Tanks wie New Consensus und Data for Progress haben bereits erste Konzepte als Diskussionsgrundlage vorgelegt. Ob und inwieweit sich der Green New Deal in den nächsten Jahren in staatlichen Programmen und Gesetzen niederschlägt, hängt vor allem davon ab, wie sich die oder der demokratische Präsidentschaftskandidat/in dazu positioniert.

Und schließlich vor allem am Ausgang der nächsten Wahlen im Herbst 2020. Eines hat der Vorstoß jedoch bereits erreicht: Derzeit findet eine landesweite Debatte zum Green New Deal statt und ein vielfältiger Unterstützer(innen)kreis aus Klimaaktivist(inn)en, Umweltverbänden, Gewerkschaften und unterschiedlichen ethnischen Gruppierungen konnte mobilisiert werden.

Es ist davon auszugehen, dass die Demokrat(inn)en mit einer Green-New-Deal-Kampagne in den Wahlkampf ziehen. Ob eine Mehrheit der Wähler(innen) bereit ist für eine umfassende Transformation des Wirtschafts- und Sozialsystems, wird der Wahlausgang zeigen.


Der Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift Politische Ökologie 159 - Green New Deal im oekom Verlag.

Eine Liste der verwendeten Literatur stellt die Autorin auf Anfrage gerne zur Verfügung.