Von der Technikskepsis zum Gestaltungsoptimismus

Das ambivalente Verhältnis der Grünen zum technologischen Fortschritt: Heute begreift sich die Partei als Antreiberin neuer technologischer Lösungen für drängenden Probleme. Technikskepsis existiert in Teilen der grünen Milieus jedoch nach wie vor.

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Es ist eine "urlinke" Idee, dass technologischer Fortschritt, die Entwicklung der Produktivkräfte das Potenzial hat, die Menschen zu befreien. Gemessen an diesem Technikverständnis waren die Grünen in ihren Ursprüngen Anfang der 1980er Jahre alles andere als «links». Prägend war damals eine fundamentale Technikkritik, verbunden mit einer «Heuristik der Furcht» (Hans Jonas), die geradezu als konstitutiv erachtet wurde, um die Apokalypse abzuwenden.

Diese Technikskepsis war zum einen geprägt von der Erkenntnis der Zerstörungsmöglichkeiten moderner Technik – insbesondere der Atomenergie. Zum anderen hatte sie tiefere Wurzeln in einer grundlegenden Kritik an der "Erhebung" des Menschen über "die Natur", sei es "die äußere", sei es "die innere". Diese naturalistische Technologieskepsis wurzelt in einer tiefen antiemanzipatorischen Ideengeschichte.

In den folgenden Jahrzehnten haben Grüne viel unternommen, um die Zuschreibung als Technikskeptiker zu überwinden. Als Partei der Tüftler und Kreativen begriff man sich als Antreiberin neuer technologischer Lösungen für die drängenden Probleme – von den erneuerbaren Energien bis zu alternativen Antriebssystemen. Der Angst-Diskurs wurde aus guten Gründen von einem risikobewussten Gestaltungsoptimismus in der "reflexiven Moderne" (Ulrich Beck) abgelöst.

Die Ausgestaltung der Forschungsfreiheit zwischen Entdeckergeist und Verantwortung bleibt bis heute umstritten.

Verbunden wurde die Hinwendung zum Potenzial neuer Technologien mit einer starken Aufforderung zur "Technikfolgenabschätzung" wie auch zu ethischen Grenzziehungen. Die Ausgestaltung der Forschungsfreiheit zwischen Entdeckergeist und Verantwortung bleibt bis heute umstritten.

Parallel dazu lebt der Strang einer tiefgreifenden Technikskepsis in Teilen der grünen Milieus durchaus fort. Sie stützt sich zum einen auf pragmatische Argumente – etwa auf den Verweis auf Rebound-Effekte, nach denen die technologischen Effizienzgewinne durch den Zuwachs an Produktion und Konsum mehr als neutralisiert würden.

Sie bezieht ihre Argumente jedoch bis heute auch aus einem restaurativen Zivilisationsverdruss – der teilweise "links" etikettiert wird, aber eher eine Rückzugsfantasie im Gewand des Neobiedermeier ist – zwischen Verklärung der Subsistenzwirtschaft, Manufaktum und Impfgegnerschaft.

Gleichzeitig kommen mit der digitalen Entwicklung ernst zu nehmende Fragen zur Wiedervorlage, die das Verständnis von Technik als bloßer Verlängerung der menschlichen Fähigkeiten anzweifeln. Bereits im bioethischen Diskurs um die Gentechnik reaktualisierte sich die Science-Fiction-Spekulation, dass sich die manipulierte Natur zum unbezwingbaren Gegner des Menschen perfektionieren könnte.

Auch im Digitalisierungszeitalter wird uns die Arbeit als sinnhafte Tätigkeit nicht ausgehen.

Diese Sorge zeigt sich nun auch im Diskurs um künstliche Intelligenz: Lernende Algorithmen könnten irgendwann den Verstand des Menschen überragen. Nicht mehr die Menschen – so die Dystopie – seien dann die zwecksetzende Instanz, sie degenerierten gleich Robotern zu "Produktionsmitteln" der künstlichen Intelligenz.

Wie einst der Zauberlehrling und sein Besen. Aus dieser Sorge folgt ohne Zweifel ein Auftrag an die Politik, die Beherrsch- und Gestaltbarkeit der Verfahren zu sichern.

Drei Herausforderungen

Gleichzeitig liegen in der Digitalisierung erhebliche Potenziale der Entlastung und Unterstützung des Menschen, sofern ihre Wertschöpfung an die Gesellschaft zurückfließt. Auch im Digitalisierungszeitalter wird uns die Arbeit als sinnhafte Tätigkeit nicht ausgehen. Unter dem Gesichtspunkt der Teilhabe stellen sich an sie jedoch drei Anforderungen:

Gefragt ist erstens eine Strategie gegen die Eigentumskonzentration im digitalen Plattformkapitalismus, die eine Vermachtung der technologischen Produktivkräfte verhindert. Dafür muss man kein revolutionärer Marxist sein, dafür würde es schon reichen, einen ordoliberalen Anspruch (etwa der «Freiburger Thesen») ins digitale Zeitalter zu überführen.

Gefragt ist eine "digitale Qualifizierungsoffensive" gegen die Gefahr des digitalen Abgehängtseins

Gefragt ist zweitens eine Besteuerung der Früchte der Rechner- und Roboterarbeit, die zu einer Stärkung unserer öffentlichen Infrastrukturen der Teilhabe beiträgt – von der Bildung über die Mobilität bis zur Stadtentwicklung.

Die "Versachlichung der Produktivkräfte" durch Digitalisierung und Robotik muss der Gesellschaft und ihren öffentlichen Infrastrukturen der Teilhabe zugutekommen.

Das führt drittens zu der Notwendigkeit einer Strategie der Befähigung aller für die Anforderungen der digitalen Zukunft, von der frühkindlichen Erziehung über Schule, Ausbildung und Studium bis zum berufs- und lebensbegleitenden Lernen. Gefragt ist eine "digitale Qualifizierungsoffensive" gegen die Gefahr des digitalen Abgehängtseins – für Selbstbestimmung und Arbeitsteilhabe in der digitalen Gesellschaft.


Peter Siller ist Leiter der Inlandsabteilung der Heinrich-Böll-Stiftung.

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