"Die öffentlichen Kassen sind leer. Privatkapital für den Naturschutz zu mobilisieren, ist daher umso wichtiger".

Bringen marktbasierte Instrumente dem Naturschutz tatsächlich so viel Geld ein?

Neue Ökonomie der Natur: Finanzierung von Naturschutz (REDD)

Leere öffentliche Kassen und unzureichende öffentliche Mittel für den Naturschutz werden häufig als Argumente für die Einführung marktbasierter Instrumente genannt. Dagegen, so das Argument der Befürwort/innen solcher Instrumente, ließe sich mit deren Hilfe privates Kapital für den Naturschutz mobilisieren. Beispiele hierfür sind die Finanzierung von Waldschutz über das Waldschutzprogramm REDD+ oder die Renaturierung von trockengelegten Moorflächen über sogenannte „Moorfutures“.

Die Finanzierung von Naturschutz über Emissionsgutschriften legitimiert Naturzerstörung an anderer Stelle

Angesichts der drastischen Kürzungen öffentlicher Mittel für Naturschutzbehörden in den vergangenen Jahren, auch in Deutschland, erscheint die Argumentation auf den ersten Blick plausibel. Bei genauerer Betrachtung greift das Argument jedoch gleich mehrfach zu kurz. Zum einen werden die für den Naturschutz benötigten Mittel häufig durch den Verkauf von Emissionsgutschriften generiert. Das ist zum Beispiel bei den sogenannten „Moorfutures“ der Fall. Diese generieren zwar Finanzmittel für die Renaturierung von Mooren – und tragen damit zum Klimaschutz bei. Allerdings nutzen einige Stromkonzerne die Zertifikate, um ihren fossilen Strom vermeintlich 'klimaneutral' zu machen. Das Geld, das so für den Naturschutz mobilisiert wird, legitimiert also an anderer Stelle die Freisetzung von Treibhausgasen und damit die Zerstörung von Natur.

Ein nicht unerheblicher Teil des mobilisierten Kapitals fließt gar nicht in den Naturschutz

Zudem spiegeln die bei solchen Instrumenten veranschlagten Preise bei weitem nicht die tatsächlichen Kosten wider, die der Aufbau marktbasierter Instrumente verursacht. Der Aufbau solcher Instrumente wie beispielsweise des Emissionshandels bedarf umfangreicher ordnungsrechtlicher Maßnahmen: Das fängt an bei der Festlegung von Grenzwerten. Darüber hinaus müssen Methoden entwickelt werden, mit denen sich feststellen lässt, wie hoch in welchem Fall die finanzielle Kompensation für die Zerstörung von Natur sein soll. Und schließlich muss auch die Umsetzung der Kompensationsprojekte selbst überwacht werden.

Ein Merkmal marktbasierter Instrumente wie der Handel mit Kompensationsgutschriften sind auch die hohen Transaktionskosten, die bei solchen Projekten anfallen. Im Gegensatz zum Warenhandel, der auf physisch greifbaren Produkten basiert, steht die Emissionsgutschrift für eine unterlassene Handlung (Emissionen, die aufgrund des Projekts nicht freigesetzt wurden). Diese Unterlassung muss regelmäßig verifiziert, und die Menge der hypothetisch eingesparten Emissionen überprüft werden. Denn Emissionsgutschriften, die keine externe Prüfung durch spezialisierte Zertifizierungsunternehmen nachweisen können, sind nur schwer verkäuflich. Insbesondere für die sehr fragwürdigen Kohlenstoffberechnungen (lesen Sie auch den Text aus diesem Dossier "Was sind Kompensationsgutschriften und warum sind sie so umstritten?") fallen dem Projektbetreiber damit hohe Kosten an, ohne dass die vom Zertifizierer bestätigten Daten einen tatsächlichen Klimanutzen nachweisen. Insbesondere kleine Projekte können die Kosten für eine solche Zertifizierung häufig nicht ohne öffentliche Zuschüsse oder die Förderung durch Dritte erbringen – die Kosten fallen an, bevor Emissionszertifikate verkauft werden können.

Hierdurch fließt ein erheblicher Teil der über die Marktinstrumente generierten Mittel am Ende gar nicht in den Naturschutz. Ein Beispiel hierfür ist die Finanzierung von Waldschutzprojekten durch den Verkauf von Emissionsgutschriften, die die Kohlenstoffspeicherung im Wald honorieren. Vor mehr als zehn Jahren wurde das Instrument REDD+ mit der Erwartung eingeführt, auf diese Weise für Waldschutz Milliardensummen aus dem Privatsektor zu mobilisieren. Doch die hochgesteckten Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Dennoch wird der Marktmechanismus mit erheblichem Aufwand aufgebaut und ansatzweise umgesetzt.

Die öffentliche Hand subventioniert den Aufbau von Marktmechanismen mit großen Summen

Kritisch ist auch zu sehen, dass für die Entwicklung und den Aufbau marktbasierter Instrumente im großen Umfang öffentliche Gelder fließen. Jüngere Studien gehen davon aus, dass etwa 90 Prozent Prozent der REDD-Finanzierung aus öffentlichen Mitteln stammen. Statt also Kapital aus dem Privatsektor für den Naturschutz zu mobilisieren, subventioniert die öffentliche Hand werbeträchtige Maßnahmen für einige der umstrittensten Konzerne weltweit. Besonders deutlich wird dies am Beispiel eines REDD+-Projekts in Kenia, das Unterstützung der Weltbank Emissionsgutschriften an BHP Billiton verkauft, ebenjenen Bergbaukonzern, der 2015 für die größte Umweltkatastrophe im Bergbau Brasiliens mitverantwortlich war. Ein weiteres Beispiel: Von 2012 bis 2017 zahlt die deutsche Entwicklungsbank KfW an den brasilianischen Bundesstaat Acre insgesamt 25 Millionen Euro, für REDD+Projekte. Etwa 30 Prozent der Gelder fließen jedoch nicht in Projekte selbst, sondern in den Aufbau der institutionellen Strukturen für die Umsetzung des marktbasierten "Systems zur Förderung von Umweltdienstleistungen" in Acre.

Naturschutz scheitert nicht (nur) an Geldmangel

Auch in anderer Hinsicht greift der Ruf nach marktbasierten Instrumenten zur Beschaffung von mehr Geld für den Naturschutz zu kurz. Naturschutz scheitert nicht (nur) am Geld, sondern meist an politischen und wirtschaftlichen Interessen und Prioritäten. Das zeigt das Beispiel Brasilien besonders deutlich, wo die Reduzierung der Entwaldung im brasilianischen Regenwald ganz ohne marktbasierte Naturschutzinstrumente möglich war. Von 2004 bis 2009 reduzierte sich die jährliche Entwaldung vor allem durch den Einsatz ordnungsrechtlicher Instrumente um über 70 Prozent – von 27.000 km² auf 7.500 km² pro Jahr. Auch volkswirtschaftlich gesehen waren die Maßnahmen ein finanzieller Erfolg: Die von der brasilianischen Umweltbehörde IBAMA verhängten Geldstrafen stiegen zwischen 2003 und 2007 um 790 Prozent - von 153 Millionen Reais auf 1,4 Milliarden Reais (ca. 500 Millionen Euro).

Im Bundesstaat Pará gingen Umweltbehörden und Justiz wegen illegaler Abholzung gegen 20 Großgrundbesitzer und 11 Schlachthöfe vor. Letztere hatten von den durch Abholzung entstandenen „Fazendas“ (landwirtschaftliche Großbetriebe) Rinder bekommen. Die Aktion zog Strafen wegen illegaler Abholzung in Höhe von zwei Milliarden Reais (etwa 700 Millionen Euro) nach sich. Doch die Lobby einflussreicher Großgrundbesitzer sah ihre Profite gefährdet und ließ den politischen Willen für die konsequente Umsetzung des Waldgesetzes ab 2011 schwinden. Ein novelliertes Waldgesetz setzt seit 2012 verstärkt auf marktbasierte Ansätze. Die Gelder der Umweltbehörde wurden drastisch gekürzt – und die Entwaldungsraten steigen wieder.