Wohin geht die Fahrt? Das Transatlantische Freihandelsabkommen und die Grüne Wirtschaft

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Führt das TTIP in eine grüne Zukunft? Die Interessen der großen Wirtschaftslobbys sprechen bislang dagegen

Es wird eine Herausforderung, keine Frage. Das transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) könnte die Chance für eine grüne und nachhaltige Wirtschaft sein. Doch dafür braucht es vor allem eins: eine starke und laute Zivilgesellschaft, die dafür Sorge trägt, dass die Europäische Kommission ihr Wort halten wird.

Seit Juli 2013 verhandeln EU und USA im großen Stil über die sogenannte Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP). Vor dem Hintergrund einer nicht enden wollenden Wirtschaftskrise, dem Stillstand bei den Verhandlungen der Doha-Runde der WTO zum multilateralen Handel sowie Schwellenländern, die versuchen, die Vorherrschaft des Westens zu beenden, wird die TTIP oft als Allheilmittel gesehen. In Europa (und den USA) würde diese Partnerschaft für beachtliches Wachstum sorgen und neue Arbeitsplätze schaffen und das – so will man uns glauben machen – ohne die Staatshaushalte auch nur im Geringsten zu belasten. Außerdem wird damit geworben, ein solches Abkommen sei von großer Wichtigkeit, könne man so doch die Führung übernehmen, wenn es darum gehe, technische Normen zu setzen.

Eine grüne Liberalisierung des Handels – was steckt dahinter?

Ziel von Freihandelsabkommen ist es in erster Linie, Zölle und andere Handelshindernisse zu beseitigen. Was Zölle angeht, so wäre es möglich, sie für Produkte, die eine grüne Wirtschaft stützen (z.B. im Bereich der elektronischen Mobilität), ganz abzuschaffen. Man würde so ein von der Doha-Runde postuliertes Ziel, nämlich Zölle und andere Handelshindernisse für "umweltfreundliche Güter und Dienstleistungen" (EGS) zu senken oder abzuschaffen, zumindest für den transatlantischen Handel umsetzen. Angemerkt wurde dabei allerdings, dass bereits heute die Zölle auf beiden Seiten des Atlantiks sehr niedrig sind – in der EU betragen sie im Durchschnitt 5 Prozent, in den USA 3,5 Prozent.

Schafft man die Zölle ganz ab, wird folglich das Handelsvolumen allein dadurch nicht stark wachsen. Sollten die EU und die USA sich andererseits jedoch entschließen, einheitliche Normen für EGS zu erlassen (bzw. die Normen der anderen Seite anzuerkennen – vorausgesetzt, sie sind umweltfreundlich), dann würden diese Branchen erheblich profitieren. Ein guter Impuls wäre, die fraglichen Branchen bevorzugt zu liberalisieren und ordnungspolitische Maßnahmen zu vereinheitlichen, die umweltfreundliche Güter und Dienstleitungen sowie klimafreundliche Produkte und Technologien konkret betreffen.

Reformen bei den anderen Handelshindernissen werden ungleich größere Auswirkungen haben, als ein Abbau der Zollschranken. Die Art, in der man mit solchen Hindernissen umgeht, wird sich auswirken auf die Umweltpolitik der EU, auf das Modell einer Grünen Wirtschaft sowie auf die Perspektiven grüner Branchen. Innerhalb der EU gibt es in Umweltfragen bereits viele strenge Normen sowie auch freiwillige Übereinkünfte. Mit Ökolabeln und Normen für Energieeffizienz versucht man beispielsweise, auf den Klimawandel einzuwirken – im Rahmen des TTIP könnte man in derartigen Normen allerdings auch „technische Handelshemmnisse“ (TBT) sehen.

Ordnungspolitische Zusammenarbeit bedeutet, möglichst viele Handelsschranken abzubauen, beispielsweise unterschiedliche Anforderungen für Crashtests bei Autos. Dies lässt sich auf zweierlei Art erreichen: Entweder man passt die jeweiligen Regeln an – oder man erkennt die Regelwerke der Gegenseite an. Alle, die sich für grüne Wirtschaftspoltik einsetzen, müssen hoffen, dass es zu einer Vereinheitlichung auf höchstmöglichem Niveau kommt. Eine solche Vereinheitlichung ist jedoch schwierig und es zeichnet sich bereits ab, dass es wohl eher zu einer wechselseitigen Anerkennung kommen wird. Das bedeutet, EU wie auch USA würden die Produkte des anderen für ihren Markt zulassen, sobald dies im Herkunftsland geschehen ist. Hierdurch würden die Normen mit ziemlicher Sicherheit in Richtung des kleinsten gemeinsamen Nenners fallen, denn höhere Normen bedeuteten einen Wettbewerbsnachteil. Sollte es hierzu kommen, wären die Aussichten für Umweltnormen düster.

Nimmt der transatlantische Handel zu, wird sich dadurch wahrscheinlich auch der Landverbrauch und der Ausstoß von CO2 erhöhen, denn der Gütertransport würde steigen. Einer vorläufigen Untersuchung von CEPR zufolge wird dies negative Folgen für die Umwelt haben,  allerdings fielen sie gering aus. Je nach Szenario geht man von einem Anstieg der CO2-Emissionen zwischen 0,02 und 0,07 Prozent aus.

Gleichzeitig ergibt sich aber die Chance, diese Zunahme durch strengere Regelungen in anderen Bereichen auszugleichen. Grüne Akteure sollten hier bespielsweise darauf drängen, dass die USA zusammen mit TTIP auch das Kyoto-Folgeabkommen unterzeichnen. Aus einer grünen Wachstumsperspektive sollte das zusätzliche Wachstum durch Liberalisierung des Handels dazu genutzt werden, Umweltschäden und Klimawandel Einhalt zu gebieten.

Und der Haken an der Sache?

Ein weiterer Gesichtspunkt sind die möglichen Folgen von TTIP auf die Förderung von Schiefergas in den USA. Die bahnbrechende neue Art, Gas (und Öl) zu fördern, ist umstritten, da es durch das sogenannte „Fracking“ zu (lokalen) Umweltschäden kommt. Sollte der Freihandel mit Erdgas im TTIP vereinbart werden, würden derartige Umweltschäden zunehmen.

Wir glauben, dass die EU in Zukunft im großen Stil Flüssigerdgas (LNG) aus den USA importieren wird – ein Trend, der sich durch die schwierigen Beziehungen zu Russland wahrscheinlich noch verstärkt. Eine steigende Nachfrage nach LNG bedeutet, es muss mehr Schiefergas gefördert werden, wodurch sich Fracking und die damit verbundenen Umweltschäden ausweiten. Ein transatlantischer Markt wird auch jene Stimmen stärken, die sagen, die EU könne nicht länger ihre ehrgeizigen Umweltziele verfolgen, da sonst europäische Firmen gegenüber Mitbewerbern aus Drittstaaten im Nachteil seien. Wird das Handelsabkommen nicht mit einem Klimaabkommen verbunden, werden jene Stimmen lauter werden, die fordern, das erhebliche Strompreisgefälle zwischen EU und USA müsse beseitigt werden. Dies könnte dazu führen, dass die EU ihre Umwelt- und Klimaziele bescheidener stecken sowie billiges Flüssigerdgas aus den USA importieren muss – oder dass man auch innerhalb der EU im großen Stil auf Fracking setzt.

Der Schlüssel zu einem grünen TTIP

Schließen wollen wir allerdings zuversichtlich, birgt das TTIP doch die Chance, einige hartnäckige Umweltprobleme zu lösen: Legaler wie illegaler Holzeinschlag, Fischerei sowie der Handel mit Wildtieren könnte geregelt bzw. beendet werden. Auch böte sich hier die Chance, den von beiden Seiten lange schon zugesagten Abbau der Subventionen für fossile Brennstoffe endlich umzusetzen. Was die erst kürzlich abgeschwächte Richtlinie für den Luftverkehr im Rahmen des EU-Emissionshandels angeht, könnte TTIP der Beginn einer CO2-armen Luftfahrtindustrie sein. Die Bedeutung, die zivilgesellschaftliche Lobbyarbeit für all diese Fragen hat, darf nicht unterschätzt werden.

Herausforderungen gibt es viele. Damit die Gespräche über ein Freihandelsabkommen zu umweltverträglichen Lösungen führen, muss transparent verhandelt und die Zivilgesellschaft miteinbezogen werden. Leider waren die Abläufe zuletzt undurchsichtig und Beratungen wurden in erster Linie mit Wirtschaftsvertretern geführt. Hauptaufgabe der grünen Gemeinschaft wird sein, die EU-Kommission an ihr Versprechen zu ermahnen, man sei nicht gewillt, Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutznormen zu opfern. Dabei muss es vor allem auch darum gehen, zu verhindern, dass durch ordnungspolitische Maßnahmen solche Normen nicht mittelbar unterlaufen werden.

Wenn sich die Zivilgesellschaft entschieden dafür einsetzt, dass ein TTIP umweltpolitischen Maßstäben genügt,  wird sich die Kommission über die Anliegen grüner Organisationen und NROs nicht einfach hinwegsetzen können. Sonst wäre es schwierig, die Zustimmung des Europäischen Parlaments zu einem solchen Abkommen zu bekommen.

Dieser Text stammt aus dem Englischen und wurde von Bernd Hermann übersetzt.